Expertenrunde zur Druckprüfung
Diskussion zur Trinkwasser-InstallationAuf Einladung des Bundesindustrieverbands Technische Gebäudeausrüstung – BTGA e.V. trafen sich acht in der Normungs- und Richtlinienarbeit aktive Fachleute, um mit der tab-Redaktion über die Druckprüfung in Trinkwasser-Installationen zu diskutieren. Einen wesentlichen Punkt bildete dabei das Bestreben, den Anwendern konkrete Hilfestellungen für die Praxis zu geben, wie die Zusammenfassung der Gesprächsergebnisse zeigt.
Die Diskussionsrunde, die sich Ende August beim BTGA in Bonn zusammenfand, wurde mit einer Bestandsaufnahme zu den bestehenden Normen und Richtlinien durch Stefan Tuschy eingeleitet. Der Technische Referent des BTGA gab einen Überblick über die regeltechnische Entwicklung seit dem Jahr 2012, in der die bisherige DIN 1988 als bestehendes Regelwerk durch die fünf Teile der EN 806 und die Restnormen der DIN 1988 ersetzt wurde.
So gibt es zum einen die europäische DIN EN 806-4, die „Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 4: Installation“ beschreibt. Die EN 806-4 lässt in Abschnitt 6.1.1 beide Möglichkeiten der Druckprüfung zu:
„Installationen innerhalb von Gebäuden müssen einer Druckprüfung unterzogen werden. Dies kann entweder mit Wasser erfolgen oder, sofern nationale Bestimmungen dies zulassen, dürfen ölfreie saubere Luft mit geringem Druck oder Inertgase verwendet werden.“
Nach DIN EN 806-4 sind insbesondere bei der Druckprüfung mit Wasser verschiedene Varianten in Abhängigkeit der unterschiedlichen Werkstoffeigenschaften vorgesehen, die aber sehr umständlich und für den deutschen Anwenderkreis nicht handhabbar sind. Dennoch wurde damals von nationaler Seite auf das Recht verzichtet, insbesondere zum Thema „Druckprüfung“, eine so genannte Restnorm zu erstellen. Der Grund dafür ist, dass vor allem die ausführenden Verbände wie BTGA und ZVSHK mit ihren Regeln und Merkblättern schon jahrelang ein abgestimmtes modifiziertes Verfahren beschreiben, das sich in der Branche bewährt hat. Dieses wurde anhand von praktischen Versuchen ermittelt und hat sich auch in der praktischen Durchführbarkeit auf der Baustelle bewährt.
Hinzu kommt, dass die DIN 1988-200 in Fragen der Hygiene auf die VDI/DVGW 6023 Blatt 1 verweist, die unter Abschnitt 6.9 klare Aussagen zum Thema „Dichtheitsprüfung und Inbetriebnahme“ macht und in diesem Punkt die Regeln und Merkblätter der Verbände nennt. Somit sind auch diese in der Praxis anzuwenden und zu beachten.
Es ist richtig, dass die einschlägigen technischen Regelwerke keinen Gesetzescharakter haben. Sie sind allerdings eng mit den Gesetzen und Verordnungen verzahnt. Insbesondere im Trinkwasserbereich wird allein in der Trinkwasserverordnung über 30 mal auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik verwiesen. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass Normen, Richtlinien usw. aufgrund ihres Erstellungsverfahrens zunächst den Status allgemein anerkannter Regeln der Technik haben (Vermutungswirkung).
Normungsarbeit umfasst viele Beteiligte
Die a.a.R.d.T. sind nach herrschender Auffassung der beteilig-ten Verkehrskreise (Fachleute, Anwender, Verbraucher und öffentliche Hand) zur Erreichung des gesetzlich vorgesehenen Ziels geeignet.
Dennoch müssen die normativen Vorgaben in einer innovativen Branche, wie sie die Technische Gebäudeausrüstung vor allem im Bereich der Trinkwasser-Installation darstellt, immer wieder überprüft und gegebenenfalls ergänzt oder erneuert werden. Schließlich müssen die regelmäßig neu auf den Markt gebrachten Produkte und Systeme auf Seiten der Regelsetzung ihre Entsprechung finden.
Über die Einspruchsfrist besteht dann für alle beteiligten Fachkreise, also insbesondere für „Planer und Installateure als Exekutive am Bau“ als eigentliche Zielgruppe der Normen, die Möglichkeit, aktiv an der Normenentwicklung mitzuwirken, wie Ottmar Lunemann betonte.
Der Vorteil der sich ergänzenden Regelwerke liegt darin, dass aufbauend auf einem Fundament an Normen, technische Änderungen und Innovationen in einer komplexen technischen Welt besser berücksichtigt werden können. Diese Regelwerke werden in unterschiedlichen Zeitskalen aktualisiert. Die technische Basis kann im längerfristigen Zyklus aktualisiert werden, während Detailfragen, die sich aufgrund neuer und sich ändernder Techniken in der Ausführung ergeben, beispielsweise in den Arbeitsblättern von BTGA, VDI und ZVSHK, dokumentiert werden können. So können technische Zusammenhänge relativ schnell allgemeingültig und allgemeinverständlich dargestellt werden. Damit reagiert die Branche zügig auf die Einführung neuer Techniken oder sich anbahnender Entwicklungen. Die technischen Festlegungen, die zur Erreichung des unter § 1 der Trinkwasserverordnung definierten Schutzziels (Schutz der menschlichen Gesundheit) geeignet und bewährt sind, stellen schließlich die allgemein anerkannten Regeln der Technik dar.
Inbetriebnahme als Prüfstein
Dennoch handelt es sich bei den Vorgaben nicht um unabänderliche Gesetze. Von den Vorgaben kann es in begründeten Fällen Abweichungen geben, wenn diese für ein entsprechendes Projekt passend sind, wurde von den Diskussionsteilnehmern ausgeführt. „Wir formulieren die Regeln zum Schutz der Planer, der Installateure und der Betreiber so, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine Beanstandungen auftreten“, sagte Rainer Kryschi. Denn es kommt der Zeitpunkt, dass eine neu installierte Trinkwasser-Installation aus an sich perfekten Werkstoffen und Armaturen mit hoffentlich einwandfreiem Trinkwasser gefüllt wird. Damit es dann nicht gleich nach der Inbetriebnahme zu Problemen durch stagnierendes Wasser kommt, sollten Anlagen bis kurz vor der Nutzung trocken gehalten werden. Diesbezüglich sollten auch die Angaben der Hersteller berücksichtigt werden, wurde betont.
Es kommt hinzu, dass eine Druckprüfung vor der Verdeckung von Leitungen stattfinden muss. Bei einer trockenen Druckprüfung steht der Installateur dann auch auf der sicheren Seite. Prüft er jedoch nass und die weiteren Ausbauarbeiten im Gebäude ziehen sich abschnittsweise über mehrere Wochen oder Monate hin, sodass eine Inbetriebnahme später erfolgt, steht ein Hygieneproblem an, dem er sich stellen muss. Es spricht letztlich also alles für eine trockene Druckprüfung, wie die Fachleute übereinstimmend feststellten. Auch der Planer, der die Materialauswahl für ein Objekt trifft, ist in das Thema einbezogen. So muss er im Vorfeld eine korrosionschemische Bewertung der Materialien für die Trinkwasser-Installation durchführen. Dabei hat er die EN 12502 zum Korrosionsschutz zu berücksichtigen. Auch diese geht von einer trockenen Druckprüfung aus.
Anforderungen an Hygiene steigen
Trinkwasser ist in seiner heute gelieferten Qualität das höchste Gut, das einem Gebäude zur Verfügung gestellt wird. Es darf und braucht daher nicht verändert werden, wenn es an der Übergabestelle ins Gebäude gelangt. Daher ist eine Stagnation, insbesondere eine langwierige vor der Inbetriebnahme, unbedingt zu vermeiden. Denn eine Stagnation in bereits befüllten Trinkwasserleitungen führt zu Veränderungen, insbesondere zu mikrobiologischen Veränderungen, die zu Problemen führen können, wenn die Befüllung nicht unmittelbar vor der Inbetriebnahme erfolgen sollte. Ein für das Thema sensibilisierter Betreiber kommt durchaus auf den Gedanken, vor der Übergabe eine mikrobiologische Untersuchung zu verlangen. Sollte diese positiv ausfallen, können auf den Ausführenden durchaus Probleme zukommen, wie teure Nachbesserungen der Installation und aufwendige Spülungen. Auch der Planer kann in Verantwortung genommen werden, wenn er nicht nachweisen kann, dass er seiner Überwachungsaufgabe ausreichend nachgekommen ist. Daher muss es im Interesse der an den Normen Mitwirkenden liegen, den Anwendern deutlicher zu vermitteln, dass auch durch die Regelwerke das Schutzziel der Trinkwasserverordnung erreicht werden kann.
Trockene Druckprüfung muss Ziel sein
Es kann nicht Ziel sein, eine neue Trinkwasser-Installation mit Desinfektionsmaßnahmen behandeln zu müssen, da es das Trinkwasser in einer Qualität, wie es in Deutschland bereitgestellt wird, von sich aus erst einmal nicht nötig hat. Das unterstreicht auch die Trinkwasserverordnung mit einem Minimierungsgebot. Daher muss es oberstes Ziel einer neuen Trinkwasser-Installation sein, etwaige Maßnahmen zu vermeiden. Zudem soll eine neue Trinkwasser-Installation gemäß DIN EN 806-4 auch gar nicht desinfiziert werden, es sei denn, es ist im Einzelfall durch einen Sachverständigen vorgegeben.
Noch immer wird die Druckprüfung mit Wasser zu häufig durchgeführt. Allerdings attestierte Ulrich Petzolt den ausführenden Unternehmen, dass diese in der Regel verstanden haben, dass der Betrieb der Trinkwasser-Installation unmittelbar auf die Druckprüfung und die Spülmaßnahme erfolgen muss (bestimmungsgemäßer Betrieb innerhalb von drei Tagen).
„Wenn ich eine trockene Druckprüfung, so wie sie in den Regelwerken definiert ist, korrekt durchführe, wird kein Schaden entstehen“, erläuterte Arnd Bürschgens. Dazu gehören die in den Vorgaben genannten Wartezeiten und der Temperaturausgleich, die zu berücksichtigen sind. Die Details im Druckprüfprotokoll führen dann zu einer verbindlichen Dokumentation.
Viele Fachleute würden jedoch die Regelwerke leider nicht detailliert genug kennen, um danach arbeiten zu können, wurde in der Diskussion bemängelt. So kann es durchaus im ein oder anderen Fall zu Schäden kommen. „Aus Gutachtersicht würde ich einen Bauschaden, verursacht durch Wasser, etwa durch eine vergessene Pressstelle oder einen Materialfehler, eher akzeptieren, als einen Schadensfall mit gesundheitlichen Problemen bis hin zum Todesfall aufgrund einer nassen Druckprobe“, konkretisierte Arnd Bürschgens. Bei einer Gas-Installation, die deutlich gefahrenträchtiger ist, werde schon immer mit Luft abgedrückt. Das sollte auch bei einer Trinkwasser-Installation funktionieren, wurde weiter argumentiert.
Stellungnahme aus Versicherungssicht
In den vergangenen Monaten wurde die Druckprüfung in Trinkwasser-Installationen u.a. in der Fachpresse (z.B. in der tab 5/2018) intensiv diskutiert. Dabei konnte der Eindruck entstehen, dass Versicherungsgesellschaften die nasse Druckprüfung favorisieren und Schäden nach einer trockenen Druckprüfung nicht regulieren würden. Dem ist offensichtlich nicht so.
Auch wenn keiner der angesprochenen Fachleute aus der Versicherungsbranche persönlich an der Diskussionsrunde teilnehmen konnte, lag jedoch eine Stellungnahme vor, die verlesen werden konnte. Dipl.-Ing. Mark Grusdas, Abteilung Sach- und Technische Versicherung, Schadenverhütung, Statistik im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) gab eine schriftliche Stellungnahme ab, in der er unterstreicht, dass nicht in Erfahrung zu bringen sei, dass Versicherungsunternehmen Schadensregulierungen aufgrund von bestimmten Arten der Druckprüfung an sich ablehnen würden. Seitens des GDV gebe es dazu keine Empfehlungen an die Mitglieder, wobei nicht ausgeschlossen werden könne, dass einzelne Versicherungsunternehmen hierbei differenzieren würden. Letztlich – so die Sicht des GDV – erfolge beim Verband keine Schlüsselung nach Schäden aufgrund von fehlerhaften Druckprüfungen. Damit steht auch diesbezüglich einer trockenen Druckprüfung nichts entgegen.
Ein Blick in die Zukunft
Die Regelwerke greifen bereits sinnvoll ineinander. Dennoch wird bei der anstehenden Überarbeitung der Normen EN 806 und DIN 1988 angestrebt, die Druckprüfung künftig noch stärker in den Normen zu verankern.
Grundsätzlich wird die Druckprüfung trocken, mit ölfreier, sauberer Luft oder Inertgasen auch in der neuen Überarbeitung weiterhin Bestandteil der EN 806 bleiben. Als Mitglied dieses europäischen Ausschusses zur EN 806 zeigte sich Ottmar Lunemann diesbezüglich sehr zuversichtlich.
Dies wurde von den an der Normung beteiligten Diskussionsteilnehmern bekräftigt. Das Thema Hygiene wird ebenfalls weiter an Bedeutung gewinnen und in den entsprechenden Regelwerken verankert. „Seitens des NAW 119-07-07-04 AK „Planung und Ausführung“ sind wir gerade dabei, einen Vorschlag für die Überarbeitung der EN 806 niederzuschreiben. In Teil 3 ,Ausführung‘ soll dabei auch das Thema „Druckprüfung“ neu definiert werden. Ziel ist es, die Inhalte der BTGA-Regel und des ZVSHK-Merkblattes zu vereinen und normativ zu verankern. Die inhaltlichen Arbeiten am Teil „Ausführung“ beginnen voraussichtlich noch im Herbst dieses Jahres. Ich würde mich als Vorsitzender dieses Kreises natürlich außerordentlich über weitere Mitstreiter freuen – insbesondere zur Bearbeitung des Themas ,Druckprüfung‘“, berichtete Stefan Tuschy. Zudem sei es wichtig, stärker als bisher auf Bauherren und Gebäudebetreiber zuzugehen, um diese noch intensiver in Hinblick auf hygienische Themen zu sensibilisieren.
Der Schutz von Kaltwasser (Temperaturhaltung) wird in der Installation noch mehr Berücksichtigung finden. Dazu werden neue Regelungen für die räumlich unterschiedliche Verlegung von Kalt- und Warmwasserleitungen wie auch eine vereinfachte hygienische Rohrleitungsführung Eingang in die Normen finden.
Fazit
In der Diskussionsrunde der Trinkwasserexperten kam es zu einer übereinstimmenden Aussage: Eine Druckprüfung wird trocken durchgeführt. Erst unmittelbar vor der Inbetriebnahme wird die Anlage befüllt, gespült und in Betrieb genommen. Dann kann der bestimmungsgemäße Betrieb im Verantwortungsbereich des Betreibers beginnen. Darin sind sich Verbände, Regelsetzer, Hersteller sowie Sachverständige im Rahmen der Diskussion einig.
Teilnehmer der Expertenrunde
An der Expertenrunde nahmen als ausgewiesene und
in der Normung und Regelsetzung aktive Fachleute der Trinkwasserinstallation teil:
Ottmar Lunemann, Leiter Technischer Kundenservice Hausinstallationssysteme, Nationale und Internationale Normung, Rehau AG + Co;
Zertifizierung, Gebr. Kemper GmbH + Co. KG;