Exklusiver Online-Beitrag: Fassadenelemente für den Südpol
Aufbau der indischen Antarktis-StationMehrere Meter dickes Eis, 24 h Tageslicht, 47 Handwerker aus verschiedenen Nationen sowie neugierige Pinguine und Robben trafen in der Antarktis für den Bau der neuen indischen Forschungsstation „Bharati“ aufeinander. Von Oktober 2011 bis März 2012 waren auch zwei Mitarbeiter des Bremer Glas- und Metallbauunternehmens Christophe Lenderoth GmbH Teil des Abenteuers Antarktis. Peter Wirtz und Sven Gurka waren von der Fassadenkonstruktion in Bremen über den Probeaufbau in Duisburg bis hin zum Bau im Eis bis ins Detail involviert.
Von Mai bis Juli 2011 plante und konstruierte das Unternehmen Lenderoth (www.lenderoth.com) in Kooperation mit den verantwortlichen Architekten und Planern sowie den Gesamtprojektleitern der Kaefer Construction GmbH alle Fassadenelemente mit Glasfronten und die Brandschutzelemente. Nicht zuletzt dank des Know-hows im Glasfassaden- und Metallbau entschied das Familienunternehmen mit 65 Mitarbeitern die Ausschreibung von Kaefer für sich.
Vorarbeiten für die Fassade
Präzise Vorarbeiten waren der Schlüssel, um auf der Baustelle am anderen Ende der Erde möglichst reibungslos alle Teilstücke wie aus einem Baukastensystem zusammensetzen zu können. Eine echte Herausforderung stellten die außergewöhnlichen großen Glasfronten für die Nord- und Südfassade der Polarstation „Bharati“ dar. Trotz ihrer großen Glasflächen von 90 m² muss sie dennoch zuverlässig gegen antarktische Klimabedingungen schützen. Möglich machen dies die von Lenderoth entwickelten Außenfassaden in Aluminium-Glas-Konstruktion in Pfosten-Riegel-Bauweise mit hoch wärmegedämmtem Isolierglas und elektrisch beheizten Rahmen. Die Basis hierfür bilden die Wicona-Systeme „Wictec 50“ und „Wicline 75 evo“ (www.wicona.de), beide jeweils in der „High insulated-Version. Dank eines Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) von nur 0,5 W/m²K sichert die um 15° geneigte Außenfassade den Stationsneubau effizient gegen extreme Temperaturen von bis zu -60 °C sowie die starken Stürme.
Montage der Station
Mit der Verladung begann für Peter Wirtz und Sven Gurka die nächste Phase. Am 26. Oktober 2011 traten sie ihre Reise mit weiteren Experten der jeweiligen Gewerke von Kapstadt aus auf dem russischen Frachtschiff Ivan Papanin in Richtung Larsemann Hills an. Am 4. Dezember 2011 wurden die ersten Elemente für die „Bharati“-Station errichtet. Bereits am 8. Dezember konnte mit dem Innenausbau begonnen werden. Doch zunächst galt es, die tragende Stahlkonstruktion komplett zu errichten. Zum Schutz vor Wind, Wetter, Flora und Fauna steht die gesamte Anlage auf Stützen. „Die 134 Container und die in 21 Achsen – jede etwa 6 m lang – unterteilte Stahlkonstruktion bilden das Hauptsystem, die Fassade formt die schützende Außenhaut. Das gesamte Bauvorhaben funktionierte auch reibungslos, weil überall auf Erfahrungen aus dem Bau der deutschen Neumayer-Station III von 2009 zurückgegriffen wurde“, stellt Peter Wirtz heraus. Tatsächlich konnte ohne nennenswerte Zwischenfälle der Bau vorangetrieben werden. Mit einem Mobilkran wurde die geneigte Außenfassade angebracht, die Fenster ließen sich dank exakter Planung ohne Nacharbeiten von den Lenderoth-Mitarbeitern einsetzen. Für die große Fensterfront halfen bis zu sechs weitere Personen. Insgesamt wurden 275 ausgeschäumte Aluminium-Fassadenelemente verbaut. Für den Brandschutz setzt Lenderoth ebenfalls in Bremen hergestellte, einbaufertige Brandschutz-Bauteile mit Spezialverglasung ein. Diese werden den geforderten Feuerwiderstandsklassen F30 sowie T30 bis T90 gerecht. „Alle Arbeiten für dieses Projekt sind in unserer Firmengeschichte außergewöhnlich. Modernste Technologien und Materialien halfen uns, einen wirksamen Schutz gegen die besonderen Bedingungen zu entwickeln und zu fertigen“, erläutern gemeinsam die Lenderoth-Geschäftsführer Axel und Christophe Lenderoth. Brandschutz ist ein wesentlicher Faktor in der Antarktis. Es gibt keine Feuerwehr, die in wenigen Minuten zur Stelle wäre und die dortigen klimatischen Bedingungen lassen Brände mitunter extrem schnell um sich greifen. Wie wichtig ein guter Brandschutz ist, zeigt das tragische Feuerunglück der brasilianischen Station im Februar 2012. Daher wurde auch seitens des Unternehmens Lenderoth viel Entwicklungsarbeit in entsprechende Schutzmaßnahmen investiert. 14 Spezial-Türen und Glaswände helfen nun, Leben zu retten. Am 23. Februar 2012 konnten die Lenderoth-Spezialisten ihr letztes Bauteil einsetzen.
Baualltag am Ende der Welt
Der Einbruch des antarktischen Winters sorgte dann trotz der insgesamt schnell voranschreitenden Arbeiten für eine Bau-Unterbrechung. Bei einem Gesamt-Fertigungsstand von rund 90 % ist im März 2012 der Berieb mit 15 indischen Forschern aufgenommen worden. Fertigstellung soll im nächsten Polarsommer sein. „Wir sind froh und stolz, am Projekt beteiligt gewesen zu sein. Die Bedingungen waren allerdings anstrengend und wir mussten lernen, mit und in dieser riesigen Einöde zu leben. Es gab ein starkes Gefühl der Isolation. Dennoch, es war sogar teils wärmer als in Bremen. Die durch das Ozonloch stärker durchdringende Sonnenstrahlung war spürbar. Und die 24 h Tageslicht haben den eigenen Rhythmus stark beeinflusst. All dies machte es für jedermann nötig, alle 2 h eine 30-minütige Pause einzulegen, um die außergewöhnlichen Bedingungen zu kompensieren“, erklärte Peter Wirtz zur ungewohnten Arbeitssituation am Südpol.