Gebäudeautomation unterstützt gutes Lernklima
Im Gespräch mit Prof. Dr. Michael KrödelDie Verbesserung der energetischen Qualität von öffentlichen Gebäuden, z. B. Bildungseinrichtungen, ist eine der wichtigsten Aufgaben für die öffentliche Hand, Schulträger und Planer. Denn eine schlechte Luftqualität beeinträchtigt die Lernfähigkeit und ineffizient geregelte Heizungs- und Lüftungsanlagen erzeugen hohe Energiekosten und schädigen die Umwelt. Die Lösung: „Intelligente“ Regelsysteme, die das Raumklima besser an die unterschiedlichen Nutzungsbedingungen anpassen und auch äußere Einflüsse wie Witterung oder Gebäudeverhalten berücksichtigen können. Gerade bei der Sanierung von Bildungseinrichtungen gibt es viel Potential für eine nutzerfreundlich geplante Gebäudeautomation. Prof. Dr. Michael Krödel, Professor für Gebäudeautomation und -technik an der Hochschule Rosenheim, gibt Auskunft über den Einsatz und die Möglichkeiten von Gebäudeautomation.
tab: Herr Professor Krödel, welchen Stellenwert hat die Gebäudeautomation in der Öffentlichkeit und in der Industrie?
Prof. Krödel: Die Aufmerksamkeit für Gebäudeautomation in der Industrie und in der Gesellschaft nimmt zu, ist aber noch ausbaufähig. Die Erkenntnis, dass die Gewerke in einem Gebäude bedarfsgeführt geregelt werden müssen, setzt sich zunehmend durch – gerade auch bei öffentlichen Gebäuden wie Bildungseinrichtungen. Leider gibt es noch zu viele Beispiele, in denen die Nutzer, also z. B. bei Schulen das Lehrpersonal, sich durch falsch geplante Automatisierung fremdbestimmt vorkommen oder die Raumregelung nicht mehr bedienen können, weil die Technik zu komplex geworden ist. Das lässt sich vermeiden, indem diese Personengruppen bereits in den Planungsprozess integriert werden. Das bedeutet aber auch, dass sich die Experten für Automatisierung nicht nur auf die technischen Möglichkeiten, sondern auch auf die Wünsche und Belange der Nutzer einstellen müssen. Diese Art zu planen verhilft der Gebäudeautomation zu einem höheren Stellenwert.
tab: Auch die EnEV trägt mit ihren wachsenden Anforderungen dazu bei, dass Automationslösungen für Gebäude in den Fokus rücken. Welche Einsparpotentiale ergeben sich hier?
Prof. Krödel: Die EnEV legt Anforderungen an einen effizienten Betriebsenergiebedarf für neue Bauvorhaben fest – egal ob Wohnbau, industrielle Betriebsgebäude oder öffentliche Nichtwohngebäude. Um Einsparungen zu erhalten, kann an mehreren Schrauben gedreht werden: Erneuerung der Anlagentechnik, Dämmung oder eben Gebäudeautomation. Mit Blick auf die Kosten spart die Installation einer Gebäudeautomation im Vergleich zur Dämmung oder einer neuen Anlagentechnik mehr Energie ein und amortisiert sich schneller – bereits in einem Zeitraum von bis zu fünf Jahren. Beim Einbau neuer Anlagentechnik rechnet man mit bis zu zehn Jahren, bei der Dämmung mit 15 bis 20 Jahren, bis sich die Anschaffungskosten amortisiert haben. Eine gut abgestimmte Gebäudeautomation ist einfacher zu installieren und günstiger als beispielsweise eine neue, aber durchgehend laufende Lüftungsanlage, und sie lässt sich auch nachrüsten.
In Bezug auf Energieeffizienz geht die europäische DIN EN 15232 bei der Gebäudeautomation von einem thermischen Einsparpotential von 20 % und einem elektronischen Einsparpotential von 14 % aus. Im Schnitt lassen sich zum Beispiel an öffentlichen Einrichtungen rund 11 % thermisch und ca. 6 % elektrisch einsparen. Eine Gebäudeautomation für Bildungseinrichtungen lohnt sich also monetär, da jährlich einige tausend Euro gespart werden können.
Dabei ist die Kompatibilität und Integrationsfähigkeit der Produkte für Messen, Steuern und Regeln sehr wichtig. Gefordert ist ein flexibles, transparentes und einfach zu bedienendes System, das unkompliziert in die bestehende Infrastruktur der Gebäude eingebunden werden kann und Investitionssicherheit für die Zukunft bietet. All diese Vorteile ermöglichen z. B. die Lösungen eines Automatisierungsspezialisten wie Saia Burgess Controls (SBC).
tab: Welche Funktionen sind bei der Gebäudeautomation für Bildungseinrichtungen besonders wichtig?
Prof. Krödel: In Bildungseinrichtungen wie Schulen oder Universitäten ist eine gute Raumluftqualität besonders wichtig. Werden CO2-Grenzwerte nicht eingehalten, kann der Mensch das erst wahrnehmen, wenn der CO2-Anteil drastisch erhöht ist und es für vorbeugendes Lüften zu spät ist. Kleine Sensoren können hier Abhilfe schaffen. Durch ihre Kommunikation mit der Lüftungsanlage wird automatisch gegengesteuert, bevor die Konzentration der Schülerinnen und Schüler durch mangelnde Luftqualität abnimmt. Meine Devise ist: „Was der Mensch nicht gut selbst übernehmen kann, sollte über Gebäudeautomation gesteuert werden.“ Dazu zählt beispielsweise auch die Luftfeuchtigkeit. Zu trockene Luft sorgt für trockene Augen und dies lässt die Aufmerksamkeit ebenfalls sinken. Außerdem gehören selbstverständlich auch Heizungs- und Klimatechnik sowie Licht und Beschattung zu den wichtigen Funktionen einer Gebäudeautomation für Bildungseinrichtungen. Eine moderne, leistungsfähige Raumautomation steigert das Behaglichkeitsgefühl und sorgt damit für ein besseres Lernklima.
Wichtig für Bildungseinrichtungen ist auch die Flexibilität des Systems: Die vorprogrammierten Funktionen müssen auf individuelle Ereignisse anpassbar sein, wenn zum Beispiel Elternabende oder Veranstaltungen in der Turnhalle stattfinden.
tab: Wie läuft der Umstieg auf eine „smarte Schule“ im Idealfall ab? Was ist bei der Planung zu beachten?
Prof. Krödel: Für die Akzeptanz und die Nutzerfreundlichkeit ist es gut, wenn sich Schulträger und Lehrpersonal bereits bei der Planung der Gebäudeautomation einbringen können. Sie sollen sagen, was ihnen wichtig ist und wie sie etwa die Jalousien oder die Heizung bedienen wollen. Über allem steht die möglichst einfache Bedienung im Alltag. Oft werden bei öffentlichen Gebäuden beispielsweise Lichtschalter mit mehreren Tastern nebeneinander angebracht, dadurch ist es aber nicht möglich, das Licht intuitiv anzuschalten. In einer Schule muss bei den verschiedenen Nutzertypen der kleinste gemeinsame Nenner gefunden werden, zum Beispiel über „Testnutzer“, die bei der Planung hinzugezogen werden. Auch adaptive Regler sind eine gute Lösung, um auf die individuellen Vorlieben der Nutzer einzugehen. So lässt sich Unzufriedenheit vermeiden. Für eine erfolgreiche Implementierung ist es aber auch wichtig, eine Aus-Option anzubieten. So wird niemand, der die Regelung und Steuerung der Funktionen gar nicht aus der Hand geben will, verärgert. Die wichtigsten Funktionen lassen sich auch automatisch einmal am Tag aktivieren – z. B. morgens vor Schulbeginn.
tab: Sie selbst lehren an der Hochschule Rosenheim. Wie schätzen Sie das Interesse an Berufen im Bereich der Gebäudeautomation ein?
Prof. Krödel: Regelmäßige Information zur zunehmenden Bedeutung von Gebäudeautomation hilft dabei, das Interesse an diesem Berufsfeld zu steigern. Was bringen beispielsweise effiziente Lüfter oder eine hocheffiziente Beleuchtung, die den ganzen Tag in Betrieb sind, obwohl das Büro mehr als die Hälfte des Tages nicht besetzt ist? Hier muss der Nutzen einer bedarfsgerechten Regelung deutlich hervorgehoben werden. Gebäudeautomation ist ein Bereich, der vielfältige Chancen und Betätigungsmöglichkeiten bietet. Nimmt das Bewusstsein für die Möglichkeiten zu, steigt auch das Interesse an diesem Berufsfeld.
tab: Welche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es für Fachleute im Bereich Gebäudeautomation?
Prof. Krödel: Bisher wird das Thema Gebäudeautomation immer „nur“ als Zusatz- beziehungsweise Nebenfach zu Studiengängen rund um das Gebäude gelehrt. Grundsätzlich ist das auch nicht verkehrt, schließlich ist es nicht nur wichtig zu wissen, wie man automatisiert, sondern auch zu verstehen, welche Gewerke automatisiert werden sollen und wie diese zusammenhängen. Es ist auch notwendig zu verstehen, wie sich Gebäude in Bezug auf Temperaturen oder Luftqualität verhalten. Beim Fachverband Automation + Management für Haus + Gebäude (AMG) des VDMA ist eine Broschüre erhältlich, die aufzeigt, in welchen Studiengängen das Fach Gebäudeautomation in Deutschland gelehrt wird.
Derzeit entsteht außerdem ein hochschulübergreifender Masterstudiengang unter Leitung von Prof. Dr. Martin Becker von der Hochschule Biberach und Prof. Dr. Martin Höttecke von der Hochschule Münster. Der Beginn ist für 2017 geplant. Wer sich hierzu informieren möchte, sollte entweder Kontakt zu den beiden Experten suchen oder ebenso den Fachverband AMG des VDMA kontaktieren.
tab: Da bietet sich auch der Besuch des Fachforums Gebäudeautomation im Februar 2017 an, das die tab zusammen mit dem VDMA-AMG wieder in vier deutschen Städten anbieten wird. Herr Prof. Krödel, vielen Dank für das Interview.