Hinweise zur KNL-Planungshilfe
Beachtung von RandbedingungenMit der KNL-Planungshilfe vom Verband Fensterautomation und Entrauchung (VFE) kann man überprüfen, ob eine automatisierte Fensterlüftung als lüftungstechnische Maßnahme im Sinne der DIN 1946-6 (wahlweise Ausgabe 2009 [1] oder 2019 [2]) ausreichend ist. Weiterhin gibt es in der Software die Möglichkeit, eine vergleichbare Überprüfung für Nichtwohngebäude durchzuführen. Die notwendigen Volumenströme werden dafür der DIN EN 15251 [3] bzw. DIN EN 16798-1 [4] entnommen. Innenliegende Räume sind von der Betrachtung ausgeschlossen. Fensterlose Bäder und Toilettenräume müssen ohnehin ventilatorgestützt gelüftet werden (s. DIN 18017-3 [5]).
Für verschiedene Fensterarten (Kippfenster, Drehfenster, Fenster in Parallelabstellung, Schiebefenster und Lichte Öffnung) und Fensterabmessungen wird der Außenluftvolumenstrom durch das Fenster nach den Algorithmen aus der DIN/TS 4108-8 [6, Anhang G] berechnet. Diese Norm ersetzt den DIN Fachbericht 4108-8 [7] und ist vom zuständigen Normenausschuss zur Veröffentlichung freigegeben. Im Forschungsprojekt [8] wurde nachgewiesen, dass diese Algorithmen im Vergleich mit anderen die beste Übereinstimmung mit Messergebnissen lieferten.
Ob eine lüftungstechnische Maßnahme (LtM) überhaupt notwendig ist, wird in der KNL-Planungshilfe strikt nach DIN 1946-6 mit einer festen Raumhöhe von 2,5 m berechnet. Bei höheren Raumhöhen, z.B. bei mehrgeschossigen Nutzungseinheiten mit Galerie, Maisonette oder im Altbau, wird dadurch die Infiltration normativ unterbewertet, was eher zum Erfordernis einer LtM führen kann. Hieraus könnte ein Regressanspruch für den Bauherrn gegenüber dem Planer/Ausführer aufgrund Verwendung unkorrekter geometrischer Daten entstehen.
Nach DIN 1946-6 [2, Abschn. 7.3.2] ist die Berechnung der ALDs mit den Differenzdruck-Luftvolumenstrom-Kennlinien der Hersteller durchzuführen. Diese ist dem Prüfbericht nach DIN EN 13141-1 [9] zu entnehmen, der auch Informationen zur Luftverteilung im Aufenthaltsbereich beinhaltet. In der Beschreibung der KNL-Planungshilfe wird zwar ein entsprechender Hinweis hierauf gegeben, aber die Eingabe einer solchen Kennlinie ist nicht möglich. Ohne den offiziellen Nachweis einer ausreichenden Lüftung mit dem Programm kann es nur für Vorabberechnungen in der Planung verwendet werden.
In einem Beispiel für eine 63,8 m² große 3-Zimmer-Wohnung mit Küche und Bad in einem Mehrfamilienhaus wurde nur im Wohnzimmer eine automatisierte Fensterlüftung vorgesehen. Für nur ein Kippfenster in der Wohnung ergab sich bei 20 °C Raumtemperatur, 5 °C Außentemperatur, 0 m/s Windgeschwindigkeit und n50 = 0 h-1, dass die Lüftung zum Feuchteschutz für die gesamte Wohnung nach DIN 1946-6:2019-12 schon erfüllt wird. Erfüllt bedeutet hier, dass eine kurze Lüftungsdauer zwischen 0 und 10 Minuten je Stunde durch die automatisierte Fensterlüftung notwendig ist. Beträgt die Lüftungsdauer rechnerisch mehr als 60 min/h ist die automatisierte Fensterlüftung nicht möglich. Die Berechnung der notwendigen Lüftungsdauer erfolgt analog zur DIN/TS 4108-8 [6, Glg. (H.12)] bezogen auf die Stunde statt auf den Tag. Außerdem wird der Soll-Volumenstrom für die gesamte Nutzungseinheit statt für den Raum eingesetzt, z.B. bei der Option Wohngebäude der Wert der Lüftungsstufe nach DIN 1946-6. Für die Dauer der Fensteröffnung wird davon ausgegangen, dass die Infiltration nicht wirksam ist.
In dem Beispiel wurde eine notwendige Lüftungsdauer von 6 min/h errechnet. Der Außenluftvolumenstrom ergab sich zu 218,3 m³/h und die notwendige Lüftung zum Feuchteschutz 22,9 m³/h als Soll-Volumenstrom für die gesamte Wohnung (s. Bild 1). Legt man die Standard-Randbedingungen des Programms (w = 4 m/s und n50 = 1,5 h-1) zugrunde, beträgt die Lüftungsdauer nur 1 min/h.
Da die Lüftung automatisiert ist, kann man von einem dauerhaften Betrieb ausgehen. Das ist auch im Sinne der DIN 1946-6, die eine durchgehende Lüftung zum Feuchteschutz verlangt, auch wenn keine Feuchtequelle zugegen ist. Dementsprechend wird die Lüftungsdauer in min/h angegeben und nicht wie in der DIN/TS 4108-8 in h/Tag. Ob eine durchgehende Lüftung zum Feuchteschutz allerdings erforderlich ist, wird bezweifelt. Um Heizenergie einzusparen wird daher eine Feuchteregelung empfohlen. Diese sollte auch die Zufuhr von zu feuchter Außenluft verhindern.
Die Angabe der Lüftungsdauer in min/h ist auch insofern sinnvoll, als man beurteilen kann, wie lange der Motor maximal je Stunde bei gewählter Öffnungsweite laufen wird und damit, wie kurzweilig ein eventuell störendes Geräusch vom Motor bzw. Betrieb ausgeht. Unangenehmer Zug könnte entstehen, wenn die Lüftungsdauer mehr als 10 min/h bei maximaler Fensteröffnung beträgt.
Es ist jedoch nicht vorstellbar, dass bei nur einem Fenster in Kippstellung alle Räume der Nutzungseinheit hinreichend durchströmt werden (vgl. DIN 1946-6 Abschn. 4.2.1). Trotzdem weist die KNL Planungshilfe im Ergebnis unter „Erfüllung der Norm“ aus, dass diese mit „kurzer Lüftungsdauer“ erfüllt ist. Zu diesem Ergebnis kommt das Programm, weil der Außenluftvolumenstrom durch die automatisierte Fensterlüftung größer ist, als die Lüftung zum Feuchteschutz in der NE.
Im Disclaimer steht, dass keine wesentlichen inneren Strömungshindernisse (offene Innentüren oder schwellenlos mit Türunterschnitt) bei Querlüftung vorhanden sein dürfen, andernfalls können nur einzelne Räume berechnet werden. Das obige Beispiel erfüllt damit diese Voraussetzung nicht. Ein Warnhinweis erscheint jedoch nicht.
Das Offenhalten von Innentüren zum Zwecke der Lüftung ist gemäß LG Bochum, Urteil vom 19. Juli 2016 – I-11 S 33/16, kein übliches und von einem durchschnittlichen Mieter zu erwartendes Lüftungsverhalten. Vielmehr erfolgt die Lüftung in der Regel über die Fenster, was dem durchschnittlichen Mieter auch bekannt ist. Hinzu kommt, dass man bei mehreren Nutzern der Wohnung nicht davon ausgehen kann, dass zu jeder Zeit am Tag die Innentür geöffnet ist, z.B. im Bad oder Schlafzimmer. Bei einer automatisierten Fensterlüftung in WC, Bad oder Küche sollte zur Vermeidung von Geruchsübertragungen in die NE die Innentür geschlossen sein. Weiterhin sollte beachtet werden, dass geschlossene Innentüren auch den Zweck einer thermischen Trennung der Räume erfüllen, z.B. bei gewollter Unterbeheizung des Schlafzimmers.
Ein Türunterschnitt ist auch durch den erhöhten Schall- und Lichtübertrag begrenzt [10]. Der untere Luftspalt ist nach DIN 18101 [11] unter Berücksichtigung der Bauelementtoleranzen auf ca. 10 mm beschränkt. Bei dem üblichen Wandöffnungsmaß von 88,5 cm sind dadurch maximal nur 32 m³/h Überströmung möglich. Eine gewollte thermische Trennung der Räume wird damit ausgeschlossen.
Es ist daher zu empfehlen, raumweise bei der Überprüfung vorzugehen und den Außenluftvolumenstrom durch ein Fenster mit einem Soll-Volumenstrom zu vergleichen, der für den betreffenden Raum gilt. Im o.g. Beispiel beträgt der Soll-Volumenstrom nach DIN 1946-6 Tabelle 11 für das Wohnzimmer 10 m³/h, wodurch die Norm für dieses Zimmer erfüllt ist. Eine Ausweisung für dieses Ergebnis muss der Anwender jedoch selbst erstellen, da der Volumenstromvergleich in der KNL-Planungshilfe nicht raumweise erfolgt.
Weiterhin steht im Disclaimer, dass die KNL-Planungshilfe der Abschätzung von Luftvolumenströmen für mittlere Verhältnisse dient. Die Berechnung kann aber wahlweise mit Standardwerten oder mit freier Eingabe der Randbedingungen erfolgen. Wenn die Aufgabe besteht, einen Nachweis für eine ausreichende Lüftung zu erbringen, sollte man jedoch nicht von mittleren Verhältnissen ausgehen.
Üblicherweise geht man so vor, dass ein ungünstiger Auslegungszustand so gewählt wird, dass in allen zu erwartenden Betriebszuständen die jeweils notwendige lüftungstechnische Maßnahme (LtM) eingehalten wird. Das ist bei einer Standard-Randbedingung im Programm von 4 m/s sicherlich nicht der Fall.
Um den ungünstigsten Fall für die Überprüfung zu erfassen, sollte die Infiltration bei der Berechnung gering angesetzt oder sogar vernachlässigt werden. Der n50-Gebäudewert ist in einem gewissen Rahmen ein Schätzwert und die Infiltration müsste raumweise ermittelt werden, was mit einem n50-Rechenmodell nicht geht [12]. Für die Windgeschwindigkeit ist ein niedriger Wert anzunehmen, da sie starken Schwankungen unterliegt [13]. Damit unterliegt der Volumenstrom durch das Fenster, als auch die Infiltration starken Schwankungen, wodurch ein geringer Ansatz gerechtfertigt wird. Noch in der bauaufsichtlich eingeführten DIN 4108-2 Ausgabe 2003-07 [14, Abschn. 4.2.3] war die Anrechnung der Infiltration auf den erforderlichen Luftaustausch des Gebäudes in keinem Fall zulässig. In der Ausgabe 2013-02 [15] wurde diese Restriktion allerdings entfernt. Das zeigt aber, dass es auch von normativer Seite grundsätzlich Bedenken gab, mit Infiltration zu lüften, eventuell auch aus hygienischer Sicht.
Unter diesen Randbedingungen ist zusätzlich der Anwendungsbereich der KNL-Planungshilfe zu beachten. Problematisch ist die Bedingung, dass die Heizungsauslegung keine Raumtemperaturabkühlung zulässt. Wird die Option Vollöffnung des Fensters gewählt oder ist die Lüftungsdauer lang, ist der Außenluftvolumenstrom wesentlich höher, als bei der Heizlastberechnung nach DIN/TS 12831-1 [16] i.d.R. angenommen wird. In [13] wird beispielhaft gezeigt, dass bei einer Vollöffnung von bis zu 10 min der thermisch induzierte Anteil der Fensterlüftung durch die Raumluftauskühlung um bis zu 20 % abnehmen kann. Solche Effekte werden also in der KNL-Planungshilfe vernachlässigt, wenn man die Heizungsauslegung nicht entsprechend anpasst.
Ein weiteres Kriterium ist, dass für die gesamte NE eine einheitliche Raumtemperatur im Programm vorzugeben ist. In der DIN 1946-6:2019-12 Abschn. 4.2.2 werden Raumtemperaturen von 16 bis 22 °C je nach Raumnutzung zugrunde gelegt. Da die Temperaturdifferenz zwischen innen und außen Einfluss auf den thermisch induzierten Anteil nimmt, sollte man mehrere, vor allem geringe Differenzen für die Überprüfung raumweise untersuchen.
Fazit
Die KNL-Planungshilfe kann ein nützliches Instrument zum Nachweis einer ausreichenden lüftungstechnischen Maßnahme sein. Für eine ingenieurmäßige Nachweisführung mit der KNL-Planungshilfe sind folgende Vorgehensweisen zu empfehlen:
Nutzungseinheiten mit fensterlosen Bädern und Toilettenräumen können ebenfalls mit einer automatisierten Fensterlüftung versorgt werden, wenn bei diesen innenliegenden Räumen die Nachströmung für die ventilatorgestützte Lüftung über verschließbare Zuluftleitungen direkt zum Raum erfolgt [10]. Damit wird zwar mit kalter Außenluft gelüftet, das ist aber bei Lüftung über Fenster in Bädern und Toilettenräumen mit Fenster auch der Fall.
Von Seiten der Automation sollten die maximale Fensteröffnungsfläche begrenzt werden, sonst könnte die Regelung in einen Auf/Zu-Betrieb übergehen. Auch das kann mit der KNL-Planungshilfe ermittelt werden.