Generieren statt Konstruieren!

Im Gespräch mit Jürgen Drolshagen

tab: Herr Drolshagen, bitte stellen Sie kurz Ihr Unternehmen vor.

Jürgen Drolshagen: Die HPI Himmen Ingenieurgesellschaft ist ein inhabergeführtes Unternehmen mit drei Standorten in Köln, Andernach und Erfurt. Aktuell beschäftigen wir 50 Mitarbeiter. Unser Hauptaugen­merk liegt auf der Planung der technischen Ausrüstung von Sonderbauten in den Bereichen Gesundheitswesen, Industrie, Hotels, Bürobau und Schwimmbadtechnik. Wir legen großen Wert auf innovative Energiekonzepte, die maßgeschneidert auf das jeweilige Gebäude passen.

tab: Mit welcher Softwaretechnologie haben Sie bisher gearbeitet?

Jürgen Drolshagen: Bisher haben wir mit einem klassischen CAD-Programm und einem Aufsatz gearbeitet, der Konstruktions- und Berechnungsfunktionen enthielt.

tab: Diese Arbeitsweise war durchaus erfolgreich. Was war der Auslöser, diese zu hinterfragen? 

Jürgen Drolshagen: Es gab mit diesem System Schwierigkeiten, sobald unsere Projekte umfangreicher wurden. So wurde nicht nur die Software­oberfläche immens langsam, sondern auch das Einpflegen von Änderungen war sehr aufwendig. Daher kam uns der Gedanke, dass wir hier besser werden müssen.

Ein neuer Mitarbeiter kannte die Systemlinien-Technologie von seinen vorherigen Arbeitgebern. Er sagte zu mir in Bezug auf die ‚alte‘ Planungssoftware: „Bisher durfte ich Mercedes fahren, jetzt fahr’ ich Trabi.“ Das hat mich natürlich hellhörig gemacht. Ich habe mir dann von mh-software in einer Onlinepräsentation die Systemlinien-Technologie zeigen lassen.

Relativ schnell war mir klar, dass es sich hier um etwas anderes handelt und wir den typischen CAD-Unterbau komplett hinter uns lassen können.


tab: Was sind typische Proble­me aus dem Projektalltag?

Jürgen Drolshagen: Wir dürfen den Neubau des CGM-Tower – ein Hochhaus mit 18 Geschossen, 25.000 m² Bruttogeschossfläche und 88 m Höhe – in Koblenz planerisch begleiten. Technisch sind eine Vollklimatisierung mit RLT-Anlagen sowie Heiz-/Kühldecken vorgesehen. 

In der alten Software wäre bei dieser Projektgröße die Koordination eine echte Herausforderung geworden. Das lag weniger an den unterstützten Dateiformaten – ein Austausch über IFC wäre theoretisch bereits möglich gewesen – als eher an der Geschwindigkeit der Datenverarbeitung. Die Software wäre so langsam geworden, dass wir auf eine echte 3D-Koordination hätten verzichten müssen.

„SyLT“ ist viel schneller als die alten Konstruktionswerkzeuge. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit der Software können wir das komplette Gebäude mit allen Gewerken auf einmal bearbeiten, wodurch die Qualität unserer Koordinationsleistung anstieg. Das ist nicht nur komfortabler: In der Abstimmung mit anderen Planungsbeteiligten tun wir uns jetzt auch viel leichter.

Auch wenn es vorher theoretisch möglich gewesen wäre, jetzt können wir auch in der Praxis tatsächlich in 3D arbeiten, ohne irgendwelche Tricks anzuwenden, wie das Ausblenden einzelner Gewerke oder das Aufteilen in einzelne Bauteile. Somit sinkt die Fehlerwahrscheinlichkeit – die Chance etwas zu übersehen, ist sehr klein.

Zudem können wir jetzt innerhalb unserer Software eine automatische Kollisionsprüfung durchführen, die uns anzeigt, an welchen Stellen wir in unseren eigenen oder mit den fremden Gewerken kollidieren. Auch bekommen wir direkt Stellen angezeigt, an denen ein Durchbruch nötig ist, können die Durchbrüche einfügen und über IFC weitergeben.

Für die Kollisionsprüfung benötigen wir also nicht einmal mehr ein Drittprogramm, sondern können alles innerhalb unseres Systems durchführen.

Da wir jetzt wirklich voll in 3D in einem einzigen Modell arbeiten können, ist es dem Planungspartner viel einfacher zu vermitteln, wieso eine Tür an dieser Stelle nicht sein darf und warum wir in einem Technikraum mehr Platz brauchen. Mit unseren alten Systemen war das eben nur theoretisch möglich, in der Praxis aber nicht anwendbar.

tab: Bitte beschreiben Sie die sich aus der Umstellung ergebende aktuelle Arbeitsweise.

Jürgen Drolshagen: Wir haben keine strikte Trennung der Aufgabenbereiche Planung und Konstruktion. Gerade in Zeiten von BIM verschwimmen die Grenzen zwischen den einzelnen Berufsgruppen immer mehr. Ingenieure und Techniker werden in die Konstruktion eingebunden, Konstrukteure benötigen ein technisches Verständnis und müssen wissen, was Sie da eigentlich modellieren.

Das muss auch so sein und wird von uns vorangetrieben, um eine größtmögliche Durchgängigkeit im Projektteam zu gewährleisten. Die Umstellung auf „SyLT“ unterstützt und fordert genau diese Verschmelzung.


tab: Wie beschreiben Sie den Weg dorthin? Sind es kleine Schritte, oder ist es ein radikaler Schnitt?

Jürgen Drolshagen: Schritt für Schritt. Wir haben viel Geld in unsere alte Software investiert, das schmeißen wir nicht von heute auf morgen weg. Natürlich haben wir auch laufende Projekte, die mit dem alten Werkzeug abgeschlossen werden müssen. Daher nimmt so eine Umstellung eine gewisse Zeit in Anspruch. Hauptaugenmerk ist natürlich, die Mitarbeiter auch mitzunehmen – da muss eben überlegt und schrittweise vorgegangen werden.

tab: Welche Probleme gab es bei der Umstellung auf SyLT? Was war am schwierigsten?

Jürgen Drolshagen: Unser altes System war ein Konstruktionsprogramm. Das bedeutet, dass wir einen hohen Detaillierungsgrad, vor allem bei herstellerspezifischen Bauteilen, hatten.

Nehmen wir z.B. eine Brandschutzklappe: Wir konnten sogar das Logo des Herstellers in der Zeichnung erkennen. Das geht in der neuen Software zwar mit ein wenig mehr Aufwand auch, aber wir verzichten inzwischen darauf. Wir hatten durch so eine Detail­verliebtheit früher große Probleme mit der Datenmenge, die dadurch entstand. Natürlich sind solche Details schön für das Auge und machen Eindruck beim Kunden. Allerdings haben wir mit der neuen Technologie so viele Vorteile, dass wir an dieser Stelle bewusst darauf verzichten.

Den Platzbedarf der Bauteile können wir aber auch jetzt korrekt abbilden, somit gibt es koordinativ keine Schwierigkeiten.


tab: Wie war die Reaktion der Mitarbeiter auf den Wechsel? Gab es Bedenken?

Jürgen Drolshagen: Ja, am Anfang haben einige meiner Mitarbeiter Bedenken gehabt. Das ist auch absolut verständlich. Schließlich müssen die Kollegen darauf achten, dass die Qualität Ihrer Arbeit erhalten bleibt. Neuem steht man daher oft skeptisch gegenüber. Das ist menschlich und ganz normal.

Von einem Konstrukteur habe ich anfänglich zur neuen Software eine etwas abwertende Rückmeldung erhalten: „Dies ist ein Berechnungsprogramm, mit dem man ein bisschen zeichnen kann.“ Inzwischen möchte er die neue Lösung nicht mehr aus der Hand geben.


tab: Ist die Einführung einer neuen Software-Technologie Chefsache? Was war Ihre Strategie?

Jürgen Drolshagen: Als Vorgesetzter liegt es in meiner Verant­wor­tung, den Mitarbeitern das bestmögliche Arbeitsmittel an die Hand zu geben und bei der Einführung zu unterstützen. Das ist für die Mitarbeiter und mich eine Win-Win-Situation. Schließlich arbeitet man lieber mit Werkzeugen, die das Leben erleichtern.

Zu Beginn hatten wir einen „Chef-User“ auserkoren, der die anderen mitnehmen sollte. Dieser User kannte die Software bereits sehr gut. Das war natürlich ein glücklicher Umstand für uns.

Mit der Zeit hat sich dieses Wissen dann verbreitet. Immer mehr Mitarbeiter schätzen die Vorteile, eignen sich von selbst weitere Kenntnisse an und nehmen andere mit ins Boot.

tab: Wo sehen Sie aus Manage­mentsicht die größten Unterschiede?

Jürgen Drolshagen: Unsere Ingenieure sind mehr in die Konstruktion eingebunden. Das planerische Know-how fließt jetzt direkt in das Modell ein. Somit muss ich bei Besprechungen nur dieses Modell mitnehmen und kann das mit einem Viewer direkt beim Kunden zeigen. 

Einerseits lässt sich das Modell gut für die Akquise nutzen, andererseits werden so Projektbesprechungen viel einfacher, da wir uns nicht mehr durch Pläne oder PDF-Dateien klicken müssen, sondern über das Modell die Geometrie und alle technischen Daten auf einen Blick zu sehen sind.

Zusammenfassend können wir feststellen, der vollständigen Digitalisierung bei der Planung jetzt einen großen Schritt nähergekommen zu sein.


tab: Was wünschen Sie sich in Zukunft von der Softwareindustrie?

Jürgen Drolshagen: Ich würde mich freuen, wenn zukünftig alle Planungspartner in der Lage sind, sich über IFC aus­zu­tau­schen. Zwar unterstützt inzwischen fast jede Software IFC, allerdings habe ich trotzdem den Eindruck, dass es noch Probleme beim Austausch untereinander gibt. Das fängt schon bei so „simplen“ Themen wie dem Finden von gemeinsamen Projektkoordinaten an.

Open BIM ist der Weg in die Zukunft. Daher würde ich Anstrengungen aller Softwarehäuser begrüßen, dieses Thema noch weiter zu verfeinern.


tab: Herr Drolshagen, vielen Dank für Ihre Zeit.

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