Interview mit Mads Nipper, CEO Grundfos Holding A/S
tab: Herr Nipper, mittlerweile stellt niemand mehr die Frage nach dem Sinn der Digitalisierung – es geht nurmehr darum, für wen welche Angebote und Lösungen einen nutzbringenden Vorteil bieten. Wie unterscheidet Grundfos hier den Bedarf des TGA-Planers von anderen Zielgruppen?
Mads Nipper: Der TGA-Planer schätzt jegliche Unterstützung beim Engineering. Mit unseren iSolutions kann der Planer Lösungen entwickeln, um die Gebäudetechnik zu optimieren – mit intelligenten Pumpen, einer Cloud-Verbindung und digitalen Dienstleistungen. Das ermöglicht eine Echtzeit-Überwachung und Fernsteuerung ebenso wie Fehlerprognosen und Systemoptimierungen.
Beispielsweise eine Pumpe in kürzester Zeit in ein Bus-System einzubinden und damit in ein Anlagenkonzept zu integrieren – das ist Aufgabe von Systemintegratoren, die sich mit allen Fragen der EMSR (Elektrisches Messen, Steuern und Regeln) beschäftigen. Mit Hilfe eines EMSR-Auswahl-Tools auf unserer Website findet der Planer das für sein spezifisches Projekt passende Kommunikations-Modul. Besonders attraktiv sind die kostenlos verfügbaren Funktionsblöcke für Siemens S7 als Programmierbeispiel, mit denen der Engineering-Aufwand (Zeit!) deutlich sinkt.
Der Monteur oder Installateur schaut eher auf problemlose Installationsroutinen und digitale Unterstützung bei den Services. „Grundfos Go“ ist als mobiles Fernbedien- und Diagnosegerät so konzipiert, dass es mit allen unseren E-Pumpen kompatibel ist. Informationen wie Betriebspunkt, Drehzahl usw. sind als Live-Einspeisung abrufbar. Alarmmeldungen werden mit eindeutigen Fehlercodes ausgeliefert – bei Wartungs- und Servicearbeiten liefert die protokollierte Pumpenhistorie wertvolle Hinweise.
tab: Sie haben in Bjerringbro ein „Digital Transformation Office“ geschaffen, wo rund 200 Entwickler über neue Geschäftsmodelle nachdenken. Welche Visionen gibt es da?
Mads Nipper: Digitalisierung hat am Ende des Tages das Ziel der „Operational Excellence“: Qualität und Effizienz auf Basis einer stabilen Prozessführung, verbunden mit Anlagenverfügbarkeit und Flexibilität. Dazu beschäftigen sich Top-Leute aus dem Konzern im „Digital Transformation Office“ mit netzwerkfähigen Produkten und smarten Apps ebenso wie mit digitalen Auftrags- und Abwicklungsprozessen sowie digital unterstützten Services.
Mit unserem Pumpen-Know-how und dem Anlagen-Know-how von Betreibern entwickeln wir so interessante technische Lösungen oder auch neuartige Geschäftsmodelle. Ein Beispiel: Unser interner Innovationspreis 2019 ging an die Entwickler einer KI-Steuerung für Mischkreise in Gebäuden. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, Sensoren und Daten aus dem Leitsystem von Gebäuden kann diese Steuerung den Energieverbrauch des Gebäudes reduzieren, ohne den Benutzerkomfort zu beeinträchtigen. Wir sprechen hier von einem Einsparungspotential über 20 %! Das ist für den Planer ebenso interessant wie für den Facility Manager.
Eine bereits heute zentrale Erkenntnis dabei: Alle Projektpartner müssen hergebrachte Management- und Entscheidungsstrukturen vergessen: Was der Kunde den Entwicklern heute ins Lastenheft schreibt, kann schon nach sechs Monaten Makulatur sein! Flexibilität und der Mut zu 80-%-Lösungen sind zwingend bei der Umsetzung der digitalen Transformation.
tab: Vernetzung ist die Basis des Gebäudes 4.0. Sie vernetzen sich mittlerweile auch mit Kooperationspartnern wie Siemens und Augury. Welche Strategie verfolgen Sie damit?
Mads Nipper: Rund um die digitale Transformation ist es eine der größten Herausforderungen für große Unternehmen, dass sie immer versuchen, alles selbst zu machen. Wir hätten uns viel früher Fachwissen außerhalb von Grundfos beschaffen sollen. Denn wenn man einen Technologiepartner ins Boot holt, hat man einen schnelleren Zugang zu neuen Technologien und kann sie besser nutzen.
Angesichts gemeinsamer Interessen und komplementären Lösungen arbeiten wir mit Siemens gemeinsam auf das Ziel hin, den Energieverbrauch zu reduzieren. Siemens ist Spezialist in der Automatisierungstechnik, wir in der Pumpentechnik. Wir suchen nach Partnern, die uns mit deren Expertise ergänzen. Deshalb sind wir auch eine vielversprechende Partnerschaft mit Augury eingegangen, einem führenden Anbieter von Diagnoselösungen für mechanische Anlagen, bei denen die KI-Technologie zum Einsatz kommt. Gemeinsam bieten wir unseren aktuellen und potentiellen Kunden durchgehende Diagnosen an und entwickeln zusammen intelligente Diagnosefunktionen für zukünftige Produkte. Mit unseren gemeinsamen Systemen können unsere Kunden die Zustandsüberwachung ihrer Pumpen verbessern, so dass sie ihre Anlagen vorausschauend warten und einen reibungslosen Betrieb sicherstellen können.
tab: Die Welt des Installateurs und des Planers bleibt natürlich prinzipiell analog – was dürfen die Kunden bei der Entwicklung der Hardware, der Pumpe an sich noch erwarten?
Mads Nipper: Jahr für Jahr investieren wir bis zu 5 % unseres Umsatzes in die Forschung und Entwicklung. Deshalb können wir immer wieder beispielgebende Produkte anbieten – für unsere Heizungsumwälzpumpen „Alpha2“, „Alpha3“ und „Magna3“ und zuletzt die Mischkreis-Komplettlösung „Mixit“ ist Grundfos bereits wiederholt als „Bestes Produkt des Jahres“ ausgezeichnet worden.
Im Auftrag des F.A.Z.-Instituts hat das Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos 2019 eine Studie zum Thema „Deutschlands Innovationsführer“ vorgelegt. Tausende Unternehmen wurden dazu unter die (Patent-) Lupe genommen, nur etwa 10 % genügten den Anforderungen der Prüfer. Auch Grundfos darf sich mit der Auszeichnung „Deutschlands Innovationsführer“ schmücken. Das ist eine tolle und verdiente Anerkennung für die Leistungen unserer F&E-Teams in der Materialforschung und Produktentwicklung. Sie sehen: Die Entwicklungen rund um die analoge Pumpe sind noch keinesfalls am Ende!
Zudem entwickelt sich die analoge Grundfos-Pumpe neben den nach wie vor für uns wichtigen kleinen Umwälzpumpen zu immer größeren Leistungen – beispielsweise mit mehrstufigen Hochdruckpumpen der Baureihe „CR“ bis 240 m³/h oder in der Spitze mit bis zu 12.000 m³/h bei einstufigen Kreiselpumpen mit horizontal geteiltem Gehäuse (Split-case-Pumpen): Wir können damit die Nachfrage nach Pumpenleistungen bedienen, die z.B. in großen Umkehrosmose- und Filtrationsanlagen oder in riesigen Wasserwerken oder sehr hohen Gebäuden gefordert werden.
tab: Das Angebot von Grundfos ist in den letzten Jahren stetig gewachsen – sowohl in neue Anwendungen als auch in neue Zielgruppen. Was können wir von Grundfos in dieser Hinsicht in nächster Zeit erwarten?
Mads Nipper: Wir haben uns dafür entschieden, ausgewählte Geschäftsfelder zu priorisieren, in denen das Unternehmen bereits tätig ist bzw. eine realistische Chance hat, die Nummer 1 oder 2 zu werden. Dafür ist Differenzierung durch Innovation die wichtigste Grundlage. Schmalspurlösungen zum niedrigsten Preis bringen uns jedoch nicht dorthin, wo wir hin wollen. Weil aber mit einem zunehmenden Kostendruck zu rechnen ist, sind kontinuierliche Verbesserungen und operative Exzellenz in allen Teilen der Wertschöpfungskette einfach eine Notwendigkeit, um in Innovation und langfristige Differenzierung investieren zu können. Klare Priorität hat die Anwendung und nicht das Produkt – wir sind davon überzeugt, dass systemübergreifende kundenorientierte Lösungen und Optimierungen an Gewicht und Wert gewinnen werden. Das bedeutet selbstverständlich keineswegs die Abkehr vom Qualitätsprodukt – zuverlässige, effiziente und standfeste Pumpen zählen zu den wichtigsten Stärken und Erfolgsfaktoren von Grundfos. Aber im Hinblick auf die zukünftige Wertschöpfung für unsere Hauptkunden wird der Schwerpunkt auf dem Erfolg auf Anwendungsebene liegen.
Unsere Strategie für 2025 wird gerade eingeführt. Neu ist ein noch stärkerer Fokus auf Nachhaltigkeit, die Konzentration auf Geschäfte rund um die Wasseraufbereitung und digitale Lösungen. Und wir leisten Pionierarbeit bei der Lösung der weltweiten Wasser- und Klimaherausforderungen sowie zur Verbesserung der Lebensqualität der Menschen.
tab: Energieeffizienz ist ein wichtiges Stellrad in Sachen Klimawende. Grundfos hat sich dafür schon seit Jahren intensiv stark gemacht. Welches Potential bietet sich da noch?
Mads Nipper: Wir haben bei einer Reihe von Pumpen bereits eine so ausgezeichnete Energieeffizienz erreicht, dass weitere Wirkungsgradverbesserungen beim Motor oder bei der Hydraulik an natürliche Grenzen stoßen.
Das weitaus größte Effizienzpotential liegt im Bestand. Bei Gebäuden macht der Betrieb von Umwälzpumpen, die pro Jahr meist auf mehrere Tausend Betriebsstunden kommen, einen beträchtlichen Teil der Energiekosten aus. Um Energieverschwender im Bestand zu identifizieren und das tatsächliche Einsparpotential genau zu beziffern, bieten wir eine Pumpenauditierung für die Anlagenoptimierung an. Kernbestandteil ist eine vergleichende LCC-(Life Cycle Costs-)Analyse, bei der die Lebenszykluskosten von Bestands- und Austauschpumpen gegenübergestellt und Amortisationszeiten für den Austausch berechnet werden. Je nach Bestand, Größe und Komplexität der Anlage stehen dabei unterschiedliche Tools zur Verfügung. Die genaue Ermittlung von Belastungsprofilen hilft außerdem, mit geeigneten Pumpenkonzepten das Ausfallrisiko zu minimieren. In jedem Fall ist das Pump Audit ein entscheidender Schritt, eine Anlage energetisch zu optimieren und Betriebskosten nachhaltig zu senken.
Die Rolle von Pumpen im Kampf gegen den Klimawandel ist sehr konkret mit der Einsparung von Energie und Wasser verbunden: Pumpen sind für 10 % des weltweiten Gesamtverbrauchs an elektrischer Energie verantwortlich und bis zu 90 % der Pumpen sind ineffizient – mit energieeffizienteren Pumpenlösungen kann der elektrische Energieverbrauch um 4 Prozentpunkte reduziert werden. Und da zur Energieerzeugung immer auch Wasser benötigt wird, könnten mit energieeffizienten Pumpen erstaunliche 2 Mrd. m3 Frischwasser eingespart werden. Das ist etwa das Achtfache des jährlichen Wasserverbrauchs von Dänemark.
tab: Grundfos stellt sich auch ethischen Fragen, unterstützt u.a. UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung. Wie kommt ein Maschinenbauer zu einem solchen Engagement?
Mads Nipper: Nachhaltigkeit gewinnt als gesellschaftliches Thema massiv an Bedeutung. Grundfos hat das Thema bereits früh aufgegriffen: Seit 2002 unterstützen wir die Global-Compact-Initiative der Vereinten Nationen und werden dies auch weiterhin tun. Dabei konzentrieren wir uns insbesondere auf das Erreichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung Nr. 6 (Wasser und sanitäre Anlagen) und Nr. 13 (Klimawandel). Wir sind überzeugt, hier einen echten Beitrag leisten zu können.Wir glauben an die Idee von Nachhaltigkeit und sind fest davon überzeugt, dass in Zukunft jedes Unternehmen von Kunden und Betreibern an seinen Nachhaltigkeitszielen gemessen werden wird.
tab: Wasser ist der zweite Schwerpunkt auf Ihrer Nachhaltigkeitsagenda. Was kann Grundfos auf lange Sicht bewirken – für das Unternehmen und für die Welt?
Mads Nipper: Die Vereinten Nationen sehen – auch als Folge des globalen Klimawandels – die Bereitstellung von sauberem Wasser als zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Nicht nur die Wasserwirtschaft, auch die Zivilgesellschaft erwartet von der Industrie, dazu Lösungskonzepte anzubieten. Für einen Pumpenhersteller bedeutet das: Er muss mehr bieten als nur Pumpen. Industrielle Ökologie und eine globale Wirtschaftsethik sind gefragt.
Wir brauchen einen anderen Mindset in Sachen Wasser, insbesondere hinsichtlich dessen finanziellen Werts. Buchstäblich alle müssen hier eine aktive Rolle übernehmen: Die Politik (beispielsweise durch Festlegung von Grenzwerten für Leckagen), die Kommunen (beispielsweise durch Umsetzung der bereits verfügbaren wasser- und energieeffizienten Lösungen), die Unternehmen (sie müssen u.a. Lösungen zur Wasserwiederverwendung Vorrang einräumen). Und wir alle, als Gemeinschaft, müssen bereit sein, einen fairen Preis für Wasser zu zahlen.
tab: Schließen wir doch das Interview mit einem Appell von Ihnen an die Akteure der TGA-Branche zum Thema Klimaschutz!
Mads Nipper: Seit 2005 berechnen wir die Stromeinsparungen, die zurückzuführen sind auf alle in der EU von uns installierten hocheffizienten Umwälzpumpen. 2018 haben wir 7,9 Mrd. kWh eingespart, das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von 4,8 Mio. Einwohnern der EU. Das zeigt doch eindrucksvoll, welchen Beitrag die TGA-Branche allein mit der richtigen Wahl der Pumpe zum Klimaschutz beizusteuern vermag!
Die dänische Firma Grundfos ist mit rund 19.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund 3,6 Mrd. € weltweit führend in der Herstellung von Pumpenlösungen unterwegs und gilt als ein Vorreiter im Bereich Wassertechnik. Wie stellt sich ein Großkonzern wie Grundfos den Herausforderungen der Zukunft im Bereich Umweltschutz und Digitalisierung? Die tab-Redaktion führte hierzu ein Interview mit dem CEO & Group President der Grundfos Holding Mads Nipper.