Klimaschonendes Gesamtkühlkonzept

Die CI Factory von Engelbert Strauss

Ob der gigantischen Dimensionen der CI Factory von Engelbert Strauss heißt es, einen kühlen Kopf zu bewahren. Der von 2017 bis 2019 neu errichtete Produktionsstandort des Herstellers von Berufsbekleidung, Schuhen und Zubehör in Schlüchtern/Nähe Frankfurt am Main hat eine Betriebsfläche von 90.000 m2, wovon fast 55.000 m2 zu klimatisierende Fläche sind. Um die Anforderungen des Kunden an den Klimakomfort sowie einen möglichst energieeffizienten Betrieb der Gebäudetechnik zu gewährleisten, wurden fünf Kaltwassersätze mit einer Gesamtnennleistung von 3.450 kW verbaut. Diese arbeiten mit dem Kältemittel R1234ze, das ein besonders niedriges Treibhauspotential (GWP-Wert von 7) hat.

Auf der Autobahn A66 bei Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) sieht man die neue CI Factory von Engelbert Strauss in Schlüchtern schon von Weitem. Ein gigantischer Industriebau aus Stahl steht da in der Landschaft mit einer Glasfassade, die zeitweise das größte Fassadenbauprojekt Deutschlands war und mit 22.500 m² größer ist als die Glasfassade der Hamburger Elbphilharmonie. Allein die Hochregallager sind 17 m hoch. Das moderne Bauprojekt von Engelbert Strauss mit einer Investitionssumme im dreistelligen Millionenbereich und einer Betriebsfläche von über 90.000 m² startete mit dem feierlichen Spatenstich im September 2017 und wurde Ende 2019 fertiggestellt. Die CI Factory – errichtet nach der EnEV 2014/2017 – ist neuer hochmoderner Produktionsstandort des 1948 gegründeten Familienunternehmens, das in vierter Generation Arbeitskleidung und Schuhe für gewerbliche Kunden aus Handwerk, Industrie und Dienstleistung in mehr als 30 Ländern fertigt. Hier entstanden bis Ende 2020 350 neue Arbeitsplätze.

 

Personalisierte Arbeitskleidung

Durch modernste Logistik schafft Engelbert Strauss mit der CI Factory ganz neue Möglichkeiten zur Individualisierung von Berufsbekleidung. Dank innovativer automatisierter Fertigungstechnologie im Zusammenspiel mit einer robotergestützten Shuttle-Logistik ist es möglich, aus einer Vielzahl von Komponenten individuelle und gebrandete Firmenschuhe zusammenzustellen. Vollautomatische Shuttles befördern auf insgesamt 13 km Förderstrecke die Produkte vom Wareneingang bis zum direkten Versand oder zur internen Weiterverarbeitung durch verschiedene Produktionsbereiche. In Spitzenzeiten können bis zu 4.000 Sendungen pro Stunde bearbeitet werden. Besonderes Highlight der CI Factory ist eine gläserne Schuhmanufaktur, die in der mehr als 400.000 individuelle Schuhen pro Jahr produziert werden.

 

Maximale Umweltverträglichkeit

Nicht nur bei der Individualisierung seiner Produkte setzte das Unternehmen Engelbert Strauss höchste Ansprüche an Innovation, sondern auch bei der Planung der CI Factory hinsichtlich ihrer Klima- und Umweltfreundlichkeit. So befindet sich auf dem Dach des Logistikzentrums eine Photovoltaikanlage mit einer Nennleistung von 800 kWp, was dem Energiebedarf von 200 Haushalten entspricht. Auch Kühlung und Klimatisierung des Bauvorhabens mussten deshalb ganz im Konsens dieser Prämisse geplant und realisiert werden. Gemeinsam mit dem Anlagenbauer Star Kälte-Service GmbH aus Bruchköbel entschied man sich bei Engelbert Strauss für Kaltwassersätze von Daikin. „Wir sind seit vielen Jahren Fachpartner der Firma Daikin, die im Kaltwasser und VRV Bereich gute Produkte anbietet und eine enge Zusammenarbeit mit uns entwickelt hat. Die hohe Qualität der Systeme in Verbindung mit der Zuverlässigkeit und Expertise der Mitarbeiter von Daikin sind zwei der vielen Gründe, weswegen wir uns entschlossen haben, bei diesem Projekt mit Daikin als Partner zu arbeiten“, so Burkhard Taus, Geschäftsführer der Star Kälte GmbH.

 

Enge Zusammenarbeit aller Gewerke

Schon frühzeitig hat sich bei diesem Neubauprojekt eine Gruppe von Handwerkern zur Koordination und Planung der HLK-Gewerke zusammengefunden. Über die komplette Bauperiode hat sie gemeinsam mit dem Gewerk Elektro, den Bauherren, dem Betonbauer und dem zuständigen Ingenieurbüro die Bauleitung und Umsetzung der Technischen Gebäudeausrüstung betreut. „Ein Großteil der Probleme und Komplikationen konnten so auf kürzestem Weg behoben werden“, schwärmt Burkhard Taus. „Diese enge Zusammenarbeit aller Gewerke hat einen super Bauablauf ermöglicht, der alle gesteckten Zeitpläne einhalten konnte, was sonst so gut wie nie vorkommt.“

 

Niedrig-GWP-Kältemittel R1234ze

Für eine möglichst niedrige CO2-Bilanz wurde ein klimaschonendes Gesamtkühlkonzept auf Basis des neuen HFO-Kältemittels R1234ze erarbeitet. Dieses Hydrofluorolefin-Kältemittel (HFO) setzt den neuen Maßstab für klimaschonende Betriebsmedien. Denn es ist mit einem um den Faktor 200 geringeren GWP (Global Warming Potential) als herkömmliche Kältemittel viel klimafreundlicher als das bisher häufig eingesetzte Kältemittel R-134a in Kaltwassersätzen und Wärmepumpen mit Monoschraubenverdichter. R1234ze wurde bei Engelbert Strauss daher in allen kältemittelbasierten Maschinen genutzt.

 

KWKK über ein BHKW

Einen Sonderfall stellt die konzeptionierte KWKK (Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung) dar, die über ein Blockheizkraftwerk (BHKW) mit angeschlossenem Absorber realisiert wurde. Hierbei wird die anfallende Abwärme des BHKW durch den Absorber direkt in Kälte umgewandelt. Durch dieses Zusammenspiel kann Wärmeenergie entweder zum Heizen des Gebäudes, als elektrische Energie zum Betreiben der Maschinen oder zur Kühlung für die Automationsrobotik erzeugt werden. Im Zusammenspiel mit den verbauten Freikühlern kann dieses Projekt über den Großteil des Jahres komplett ohne maschinell erzeugte Kompressionskälte betrieben werden.


Effiziente Kühlung per Kaltwassersatz

Das Anlagenkonzept zur Flächenkühlung bzw. -temperierung der CI Factory als besonderes Innovationsprojekt sieht drei verschiedene Arten der Kälteproduktion vor: Neben der Kühlung über Flächenkühlsysteme kommen Kühlung über Lüftung sowie über Umluftkühler zum Einsatz.

Auf dem Dach der CI Factory befindet sich nicht nur die erwähnte Photovoltaikanlage, sondern auch vier speziell für „grüne” Gebäudearchitektur konstruierte, luftgekühlte Kaltwassersätze von Daikin mit einer Leistung von je 820 kW in Kaskade, die für eine effiziente Klimatisierung der Logistik- und Produktionsprozesse sorgen. Die kompakten Kaltwassersätze beanspruchen wenig Raum und bieten dabei höchste Verlässlichkeit sowie Flexibilität und stehen für ein betriebssicheres Prozesskühlungssystem. Ein invertergeregelter stufenloser Monoschraubenverdichter mit variablem Volumenverhältnis (VVR) erlaubt durch neueste Verdichter- und Ventilatorgestaltung moderne Verdichtertechnik mit besonders geräuscharmen Betrieb. 

Die Anordnung der vier Kaltwassersätze (Typ EWAH-TZ-BSS2) im Kaskadenprinzip ergibt ein Vielfaches der Einzelleistung und erlaubt eine besonders bedarfsgerechte Klimatisierung. Je nach Klimatisierungsbedarf aktiviert die Steuerung sämtliche oder nur einen Teil der Kaltwassersätze. Zudem ergeben sich Vorteile durch hohe Wirkungsgrade, weil in einer Kaskade jedes Teilgerät, wenn es aktiv ist, im optimalen Betriebsfenster arbeitet. Zudem lassen sich besonders große Leistungsspektren mit standardisierten Geräten abdecken. Das ist gegenüber einer Sonderanfertigung sowohl bei der Anfangsinvestition als auch bei der Wartung und bei den Ersatzteilkosten sehr vorteilhaft.


Energieverteilzentrale mit komplexer Schichtwasserverteilung

Die unterschiedlichen Verbraucher des erzeugten Kaltwassers benötigen, über das komplette Gebäude betrachtet, stark abweichende Vorlauftemperaturen. Die Lüftungstechnik beispielsweise benötigt eine Wasservor-/rücklauf-Temperatur von 8/14 °C, während die Serveranlagen mit einem Temperaturniveau von 16/22 °C betrieben werden. Da die Kältemaschinen jedoch lediglich Wasser mit 6 bis 8 °C erzeugen, hat man sich bei Star Kälte für eine komplexe Schichtwasserverteilung mittels eines „Zortström“-Verteilers von Zortea entschieden. Diese patentierte Energieverteilzentrale bietet eine sichere, einfache und effiziente Lösung für das Sammeln, Verteilen und Puffern von unterschiedlichen Volumen mit unterschiedlichen Temperaturen. Wärmeerzeuger und Verbraucher können hydraulisch entkoppelt und nach Temperaturen getrennt verbunden werden. So kann eine maximale Verfügbarkeit jeglicher geforderter Temperaturen zu jeder Zeit gewährleistet werden.

Ein weiterer luftgekühlter Kaltwassersatz (Typ EWAH-TZ-BSS1) von Daikin mit 170 kW steht in Redundanz zur Kühlung der Serverräume zur Verfügung. Dieser wird im Notfall über eine Notstromversorgung gespeist, wodurch ein kompletter Ausfall der Kälteerzeugung so gut wie ausgeschlossen ist.

Zudem sind im Pförtnerhaus und Server zwei Split-Klimageräte mit dem Kältemittel R-32 von Daikin verbaut, die sich durch niedrige Geräuschpegel und einen äußerst geringen Energieverbrauch auszeichnen. Mit einer Entscheidung für eine Anlage mit R-32 verringern sich dank des niedrigen GWP des Kältemittels die Auswirkungen auf die Umwelt auf 68 % im Vergleich zu Anlagen mit R-410A. Dank der hohen Energieeffizienz sinkt der Energieverbrauch unmittelbar. Entsprechend kommen zwei Split-Innengeräte, eines als Wandmontage und das andere als Deckenkassette, zum Einsatz, die sich durch ihr schlankes, unaufdringliches Design auszeichnen. Ihr „3D-Luftstrom“ kombiniert vertikales und horizontales automatisches Schwenken damit der kühle/warme Luftstrom auch bis in alle Ecken größerer Räume zirkuliert.

 

Klimatisierung der Räume über Zwischendeckengeräte

Die eleganten Euroraster-Zwischendeckengeräte von Daikin sind hocheffiziente Innengeräte, die sich nahtlos in die Decken einfügen und die Kaltwassersätze in ein effizientes und dabei geräuscharmes Klimasystem verwandeln. Sie sorgen durch zuverlässige und regelbare Klimatisierung für hohen Komfort. Integrierte Frischluftzufuhr macht zusätzliche Lüftung überflüssig. Insgesamt wurden im gesamten Gebäude auf allen Ebenen 82 Euroraster-Zwischendeckengeräte verbaut. 21 davon ermöglichen als 2-Leiter-Geräte entweder nur Kühlen oder nur Heizen. Weitere 61 Stück können als 4-Leiter-Geräte sowohl kühlen als auch heizen. Bei sämtlichen Innengeräten wurde als spezielle Lösung die Euroraster-VRV-Blende verbaut. Integrierte Inverter-Verdichter passen die Verdichterdrehzahl kontinuierlich an den tatsächlichen Bedarf an. So sind weniger energieverbrauchende Starts und Stopps nötig, was den Energieverbrauch um bis zu 30 % senkt und zu stabileren Raumtemperaturen beiträgt. Das Daikin-Konzept wurde im Bürobereich als preiswertere Alternative zur Flächenheizung gewählt, vorrangig in den Räumen, in denen Rasterdecken verbaut sind.

 

Komplette Steuerung und Automatisierung über die hausinterne IT

Die Anforderung der Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik und IT an die Steuerung der Klimaanlage war eine besondere Herausforderung. Es sollte ein Kühlkonzept mit einer Regelschematik/-logik entworfen werden, die allen Anforderungen des aktuellen Standes der Technik auf regeltechnischer Ebene entspricht. Alle Daten sollten per BACnet-IP ausgelesen und die Betriebsmodi umgestellt werden können. Die Vorgabe des Sollwertes sollte über eine Spannungsvorgabe erfolgen. Um diese Anforderungen umsetzen zu können, wurde die Steuerung der kältemittelbasierten Geräte umgebaut und auf eine Kaltwasserkassette montiert. Das ermöglichte – neben weiterer Anpassungen an der Programmierung – die Umsetzung des geforderten Konzepts und letztlich auch die erfolgreiche Inbetriebnahme.

Die Innengeräte werden mittels der Daikin-BACnet-Schnittstelle DMS502A51 an die bauseitige GLT zur Überwachung der Geräte angebunden. Zur Steuerung der Geräte stehen bauseitige Fernbedienungen bereit, die über eine Zusatzplatine mittels 0-bis-10-V-Steuerung auf die Geräte zugreifen.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 03/2022

Hallenkühlung mit R-32-Kaltwassersatz

Energieeffiziente und umweltfreundliche Klimatisierungslösung

Das Rosenheimer Unternehmen Heinzinger electronic GmbH entwickelt, fertigt und vertreibt mit gut 100 Mitarbeitern Leistungskomponenten der Elektromobilität, Hochvolt-Batterien im EV- und HEV-Bereich,...

mehr
Ausgabe 10/2018

Kälte mit Wasser (R718)

Natürliches Sicherheitskältemittel mit Zukunft

Gesetzliche Verordnungen zwingen Hersteller und Betreiber zum Handeln Emissionsminderung in der Kältetechnik heißt sowohl die indirekten Emissionen, die durch den Stromverbrauch entstehen, zu...

mehr
Ausgabe 10/2016 Mit Monoschraubenverdichter

Kaltwassersätze

Daikin bringt mit der wassergekühlten „EWWD-VZ“-Serie eine neue Generation von Kaltwassersätzen auf den Markt. Die Serie erreicht Energieeffizienzwerte von ESEER bis zu 8,3 im Teillastbetrieb und...

mehr
Ausgabe 10/2018 Mit Low-GWP-Kältemittel R513A

Kaltwassersatz

„Aquarius Plus“ sind wassergekühlte Kältemaschinen mit halbhermetischen Schraubenverdichtern und nominellen Kälteleistungen von 377 bis 1.931 kW, die auch als Wärmepumpen und...

mehr
Ausgabe 04/2017

Kälte aus Wärme

Industriekühlung mit Adsorptionskältemaschinen

Die in der Lutherstadt Wittenberg und Berlin ansässige Cleantech-Firma InvenSor GmbH entwickelt und produziert seit 2006 innovative Adsorptionskältemaschinen (AdKM) für den Leis­tungs­bereich von...

mehr