Klimatisierung mit natürlichen Kältemitteln

Thomas Spänich, Vorstandsmitglied von eurammon, der europäischen Initiative für natürliche Kältemittel, erläutert im Interview, welche Zukunft natürliche Kältemittel in der Klimatechnik haben.

TAB: Herr Spänich, laut der Deutschen Energie-Agentur entfallen inzwischen rund 20 % des gesamten Energieverbrauches gewerblicher Bauten auf den Einsatz von Lüftungs- und Klimaanlagen. Wie beurteilen Sie die Situation?
 
Thomas Spänich: Moderne Gebäude mit Fassaden aus Glas erwärmen sich im Sommer zum Teil erheblich. Auch der Einsatz von EDV-Geräten und die Büroautomatisierung tragen zur Erwärmung der Gebäude bei. Aus diesem Grund ist heutzutage eine Klimatisierung von gewerblichen Gebäuden auch in unseren Breitengraden nahezu zwingend erforderlich. Vor dem Hintergrund kontinuierlich steigender Energiepreise bietet der Einsatz von natürlichen Kältemitteln die Möglichkeit, diese Räumlichkeiten energieeffizient und umweltfreundlich zu klimatisieren.
 
TAB: Welche natürlichen Kältemittel kommen für den Einsatz in gewerblich genutzten Gebäuden in Frage?
 
Thomas Spänich: Grundsätzlich sind alle natürlichen Kältemittel, also Ammoniak (NH3), Kohlendioxid (CO2) und Kohlenwasserstoffe, für den Einsatz in der Gebäude-Klimatisierung geeignet. Diese werden bereits seit langer Zeit in der industriellen Kälteerzeugung erfolgreich verwendet. In Klimaanlagen kommen sie bislang noch nicht in so großem Maße zum Einsatz. Es gibt jedoch zahlreiche Beispiele aus den vergangenen Jahren, die zeigen, dass sich natürliche Kältemittel sehr gut für diese Projekte eignen.


TAB: Wo werden natürliche Kältemittel im Rahmen der Klimatisierung heute eingesetzt?
 
Thomas Spänich: In Mitteleuropa steht die Klimatisierung von größeren Gebäudekomplexen im Vordergrund. Darunter fallen zum Beispiel Messehallen, Kongresszentren oder Flughafenterminals. Bei so großen Projekten kommen häufig ammoniakbetriebene Kaltwassersätze zum Einsatz. Die Flüssigkeitskühlsätze sind ab kleineren Kälteleistungen von etwa 30 kW erhältlich. Die Klimatisierung erfolgt über einen Verteilerkreislauf, in dem Wasser oder ein anderer Kälteträger verwendet wird. Große Leistungen von über 2000 kW können unter anderem durch mehrere mit Schraubenverdichtern versehene Kühlsätze erreicht werden. Das Terminal 3 des Stuttgarter Flughafens wird beispielsweise seit 2004 mit Ammoniakkühlern klimatisiert.
 
TAB: Wie stellt sich die Situation für kleinere Leistungsbereiche dar?
 
Thomas Spänich: Hier eignen sich vor allem Ammoniak und Kohlendioxid. Sie werden unter anderem zur Büroraumklimatisierung eingesetzt. Jedoch werden die Komponenten für Anlagen mit kleinerer Leistung immer noch in relativ geringen Stückzahlen hergestellt, was sie gegenüber Anlagen mit synthetischen Kältemitteln um etwa 20 % verteuert. Den höheren Kosten steht aber eine gute Energieeffizienz entgegen, so dass sich die Mehrkosten in der Regel nach etwa zwei bis drei Jahren amortisieren. Zum Kühlen von IT- und Serverräumen in Unternehmen kommen auch Kohlenwasserstoffe als Kältemittel zum Einsatz. Die EDV- und Büroräume von Greenpeace in Wien werden zum Beispiel mit Propan gekühlt. Kohlenwasserstoffe unterliegen wegen ihrer Brennbarkeit einer gesetzlichen Füllbeschränkung, weswegen sie bislang nur im kleineren Rahmen eingesetzt werden können. Es wäre aber wünschenswert, die Begrenzung von den jeweils vorherrschenden Bedingungen abhängig zu machen und größere Füllmengen zuzulassen, wenn beispielsweise eine Anlage außerhalb eines Gebäudes aufgestellt wird.
 
TAB: In der Klimatisierung findet CO2 noch nicht besonders lang Verwendung. Was sind die Gründe dafür?
 
Thomas Spänich: Die Anwendung von Kohlendioxid war im Rahmen der Klimatisierung lange Zeit nicht möglich. Grund dafür war ein Mangel an Komponenten, die für die höheren Drücke im Betrieb mit Kohlendioxid ausgelegt sein mussten. Zudem galten CO2-Lösungen als weniger energieeffizient als Anwendungen mit synthetischen Kältemitteln. Inzwischen gibt es aber wirtschaftliche Lösungen für Bürogebäude im Leistungsbereich zwischen 50 und 340 kW. Die ABM Amro Bank in London kühlt zum Beispiel ihr Rechenzentrum mit CO2. Langfristig gesehen wird bei kleineren Leistungen bis hin zu 500 kW vermehrt CO2 zum Einsatz kommen. CO2 ist nicht brennbar und chemisch inaktiv. In unbeaufsichtigten Klein- und Kleinstanlagen wird es daher von allen natürlichen Alternativen in der breiten Öffentlichkeit am meisten akzeptiert. Dazu ist noch weitere Entwicklungsarbeit nötig, denn es gibt noch keine Anbieter, die große Stückzahlen produzieren und so für wettbewerbsfähige Preise sorgen. Darüber hinaus wird zurzeit auch vermehrt zum Einsatz von CO2 in Wärmepumpen geforscht. Auch diese Ergebnisse könnten für künftige klimatechnische Lösungen von Bedeutung sein.
 
TAB: Herr Spänich, eurammon setzt sich seit 15 Jahren für die Verwendung natürlicher Kältemittel ein. Wo liegen deren besondere Vorteile?
 
Thomas Spänich: Zum einen sind natürliche Kältemittel preisgünstige und in großen Mengen verfügbare Rohstoffe. Preisunterschiede im Vergleich zu synthetischen Kältemitteln machen sich beispielsweise bei der Erstbefüllung einer Anlage, aber vor allem auch bei Leckageverlusten bemerkbar. Zum anderen sind natürliche Kältemittel äußerst energie-effizient. Ammoniak als Kältemittel besitzt die nachweislich besten thermodynamischen Eigenschaften und benötigt nur einen relativ geringen Aufwand zur Erzeugung von Kälteleistung. Zwar wird die Effizienz einer Klimaanlage stärker durch ihr Gesamtkonzept beeinflusst als durch das genutzte Kältemittel. Allerdings zeigen eine Reihe aktueller Projekte, dass Anlagen gerade dann effizient und umweltschonend arbeiten, wenn sie natürliche Kältemittel einsetzen. Zudem tragen natürliche Kältemittel nicht zum Abbau der Ozonschicht bei und haben keinen oder nur einen vernachlässigbar geringen Einfluss auf den Treibhauseffekt. Daher sind sie unter Klimaaspekten absolut konkurrenzlos.
 
TAB: Was muss geschehen, damit natürliche Kältemittel in Klimasystemen zukünftig noch häufiger zum Einsatz kommen?
 
Thomas Spänich: Anwendungen mit natürlichen Kältemitteln nehmen zwar zu, sind aber immer noch nicht selbstverständlich. Sowohl in der Planung als auch in der Umsetzung und der Handhabung sowie in der Wartung von Klimaanlagen mit natürlichen Kältemitteln bedarf es eines intensivierten Wissensaustausches über die Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten natürlicher Kältemittel und den Umgang mit den Anlagen. Dazu gehört auch, Technologie-Know-how anhand von Beispielprojekten in weniger entwickelte Länder zu bringen, die natürliche Kältemittel bislang kaum einsetzen.
 
TAB: Gibt es Anwendungen mit natürlichen Kältemitteln für gewerbliche Bauten, die Sie für besonders zukunftsweisend halten?
 
Thomas Spänich: Besonders Wärmepumpenanwendungen mit natürlichen Kältemitteln liegen im Trend. Dabei wird die produzierte Abwärme von industriellen Kälteanlagen und Rechenzentren oder das gereinigte Abwasser von Kläranlagen zum Heizen weiterverwendet. Durch die bereits vorhandene Wärme bedarf es für den Aufheizvorgang weniger Energie. Mittlerweile werden so Temperaturen von bis zu 80 °C erreicht. Auch große Energieunternehmen haben diese Technik entdeckt und nutzen Großwärmepumpen. Diese versorgen heute ganze Stadtteile mit heißem Wasser. Konkrete Fallbeispiele haben wir im Internet unter www.eurammon.com zusammengestellt.
 
TAB: Herr Spänich, vielen Dank für die informativen Auskünfte.

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