Kommentar

Digitalisierung der TGA – Chancen und Risiken

Auch wenn es viele nicht hören wollen: Die Digitalisierung ist da und sie macht auch nicht vor unserer Branche halt. Das lässt sich zum einen an der technischen Ausführung der Gewerke - Stichwort „Building Information Modeling (BIM)“ - und selbstverständlich an den TGA Produkten selbst - Stichworte „Smart Home“, „Online-Überwachung“ - festmachen, zum anderen aber auch an Marketing und Vertrieb. Letzteres scheint derzeit für die meisten Betriebe ein Luxus-Problem darzustellen, da sie sich über eine sehr gute bis zu gute Auslastung freuen. Selbstverständlich wird sich diese gute Nachfrage nicht für immer halten – bereits jetzt schmälern die digitalisierten Vertriebskanäle und das geänderte Verhalten der Hersteller den Gewinn des klassischen SHK-Handwerks und auch manches mittelständischen Betriebs.

In der Kombination werden die digitale Technik und Wirtschaft für die TGA-Branche einen Effekt der Konsolidierung und Marktbereinigung mit sich bringen. Jeder verantwortungsvolle Unternehmer tut daher gut daran, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen – getreu dem Motto von John F. Kennedy, das Dach zu reparieren, wenn die Sonne scheint.

 

Das Geschäftsumfeld verändert sich

BIM wird manches bestehende Geschäftsmodell in Gefahr bringen, beispielsweise bei Vergaben niedrig einzusteigen und die erforderlichen Profite über Nachträge zu generieren. BIM schafft eine Transparenz, die planerische und kalkulatorische Lücken und fehlerhafte Ausführung auch im Nachhinein zeigt. Damit werden Nachtragsansprüche erschwert oder unmöglich. Außerdem werden auch Änderungswünsche des Kunden tendenziell weniger, da der Bauherr über zu erwartende Kosten eher und umfassender informiert wird. Er wird sich daher aus Budgetgründen oder bei öffentlichen Projekten aus rechtlichen Gründen zurückhalten.

In Zukunft ist auch zu erwarten, dass die Quersubventionierung des Lohnanteils durch den Einkaufsanteil erschwert wird, da der Kunde auf dem heimischen Sofa die Preise für den vom Betrieb über den Handel angebotenen Wärmeerzeuger mit einem Online-Angebot vergleichen kann. In Kombination mit den Veränderungen des Geschäftsumfeldes durch BIM lässt sich unschwer vorhersagen, dass mancher Betrieb in Schwierigkeiten geraten wird. Dazu kommt die Verdrängung des Geschäfts durch die Verlagerung des Point of Sale von TGA-Ausrüstungen, die manches Geschäft über das Internet an den bisherigen Handwerksbetrieben und mittelständischen Anlagenbauern vorbeischleusen wird.

 

Der Zukunft beruhigt entgegensehen

Mancher wird sich nun fragen: „Wo sollen denn da die Chancen liegen?“ Zunächst liegen sie wie immer dort, wo auch die Risiken zu finden sind. Wer BIM beherrscht, wird in Zukunft einen Wettbewerbsvorteil haben. Dieser wird sich auch über einen längeren Zeitraum zeigen, da es schließlich um die Erfahrung mit dieser Methode gehen wird. Außerdem fordert BIM Arbeitsschritte und deren Strukturierung, die durchaus auch geeignet sind, die eigene Arbeitsweise zu analysieren und zu optimieren. Das macht sich bei allen anderen Projekten bemerkbar.

Ein allgemeiner Vorteil, den die TGA aus der Digitalisierung ziehen kann, ist paradoxerweise der, dass sich die Arbeit als solche nicht komplett automatisieren lässt. Das ist ein Vorteil gegenüber Fabrikations- und Serviceleistungen, die in zehn Jahren vielleicht nicht mehr von Menschen erbracht werden müssen oder können. Das sollten wir nutzen, um junge Menschen an den bisher immer noch zu Unrecht als unattraktiv angesehenen TGA-Beruf heranführen. Während die junge Bankkauffrau oder der junge Zerspanungsmechaniker sich angesichts Online-Banking und 3D-Druck fragen müssen, ob es ihre Berufe in zehn Jahren überhaupt noch geben wird, kann der oder die SHK-Anlagenmechatroniker/in der Digitalisierung beruhigter entgegensehen.

 

 

Der Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder.


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