Kommentar

Sachgrundlose Befristung mit begrenztem Haltbarkeitsdatum

Das Bundesarbeitsministerium wird in Kürze – wie im Koalitionsvertrag vom 12. März 2018 vereinbart – einen Gesetzentwurf vorlegen, um „den Missbrauch bei den Befristungen“ abzuschaffen. In Zukunft sollen in allen Betrieben mit über 75 Beschäftigten nur noch 2,5 % der Belegschaft sachgrundlos befristet beschäftigt werden dürfen. Diese politische Forderung nach einer „Quasi-Abschaffung“ der sachgrundlosen Befristung wird die deutsche Wirtschaft enorm belasten. Hier soll ein weiteres Flexibilisierungsinstrument genommen werden, das es ermöglicht, Mitarbeiter einfach und rechtssicher für einen angemessenen befristeten Einsatz zu gewinnen. Die Arbeiten an ausländischen Standorten erledigen zu lassen, wäre sicherlich die schlechtere Alternative.

Wichtiges Instrument des deutschen Arbeitsmarktes

Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung trifft insbesondere gerade die Menschen massiv, die es besonders schwer am Arbeitsmarkt haben: Befristete Arbeitsverträge bieten Arbeitssuchenden einen erfolgreichen Weg für den Erst- oder Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt – auch nach langer Arbeitslosigkeit. Zudem bietet die sachgrundlose Befristung Quereinsteigern, Menschen mit atypischen Lebensläufen und Menschen mit Migrationshintergrund Chancen, die ihnen ansonsten verwehrt blieben. 75 % der befristet Beschäftigten bekommen eine Anschlussbeschäftigung und mehr als 40 % werden unmittelbar in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen. Auch deshalb sind sachgrundlose Befristungen ein wichtiger Bestandteil des erfolgreichen deutschen Arbeitsmarktes. Der Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zur befristeten Beschäftigung in Deutschland vom 3. Juli 2018 zeigt, dass nur rund 8 % der Beschäftigten befristete Arbeitsverträge haben. Es gibt in diesem Zusammenhang auch keine dramatische Zunahme oder gar einen Missbrauch dieses Instruments.

Das Gesetzesvorhaben wird damit begründet, den Missbrauch bei Befristungen einzustellen. Missbrauch von Befristungen ist gerichtlich bisher aber vor allem im öffentlichen Dienst festgestellt worden – und zwar ausschließlich im Bereich der Befristung mit Sachgrund. Daher taugt das Missbrauchsargument zumindest nicht für die beabsichtigte Regulierung der sachgrundlosen Befristung.


Folgen der Gesetzesinitiative

Insgesamt zeigt sich, dass ein weitgehender Wegfall des Rechts zur sachgrundlosen Befristung den Unternehmen die betriebswirtschaftlich notwendige Flexibilität nehmen wird. Das bisher angestrebte System einer ausgewogenen Sicherstellung unternehmerischer Flexibilität einerseits und eines möglichst weitgreifenden Arbeitsplatzschutzes andererseits wird aufgegeben. Die vorgesehene Regelung würde eine kaum umsetzbare bürokratische Verwaltung verursachen. Der damit einhergehende Überwachungsaufwand wäre derart groß, dass er einer Abschaffung der sachgrundlosen Befristung gleichkommt.

Der im Koalitionsvertrag genannte Schwellenwert „75 Arbeitnehmer“ erscheint willkürlich und verstößt wohl gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Ein tragfähiger sachlicher Grund ist nicht ersichtlich. Die Begrenzung auf 2,5 % der Belegschaft in Unternehmen mit mehr als 75 Arbeitnehmern greift zudem in die Berufsfreiheit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein. Außerdem ist sie völlig sachfremd, da eine einheitliche Quote nicht auf die vielen unterschiedlichen Befristungsbedarfe in den verschiedenen Branchen angewendet werden kann.

Ein Scheitern wäre kein Schaden

Befristete Beschäftigungsverhältnisse bilden insbesondere vor dem Hintergrund des in der Bundesrepublik Deutschland rigiden Kündigungsschutzes ein wichtiges Instrument. Dieses Instrument würde bei Umsetzung des im Koalitionsvertrag beschriebenen Vorhabens erheblich eingeschränkt. Theoretisch denkbare alternative Flexibilisierungsinstrumente sind oft aus Kostengründen nicht möglich und politisch oft ebenso wenig gewollt – beispielsweise die Zeitarbeit. Sollte die Regierungskoalition tatsächlich ins Straucheln geraten, wäre es um ein Scheitern der im Koalitionsvertrag vorgesehenen „Quasi-Abschaffung“ der sachgrundlosen Befristung nicht schade.

Der Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder.

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