Kommentar

Die deutsche Ratspräsidentschaft und der europäische Grüne Deal

Die Bundesrepublik Deutschland wird am 1. Juli 2020 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Die vorangegangene kroatische Ratspräsidentschaft hatte anfangs den europäischen Grünen Deal als eines der wichtigsten Themen bezeichnet – neben dem Brexit und den Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union.

Auch die deutsche Ratspräsidentschaft sollte im Geiste eines „nachhaltigen Europa“ eine „ambitionierte Klimaschutzpolitik“ verfolgen: die Implementierung des Grünen Deals sollte umfassend begleitet werden, die Beratungen des europäischen Klimaschutzgesetzes sollten vorangebracht und der nationale Klimabeitrag (NDC) der EU sollte anspruchsvoll erhöht werden. Während der deutschen Ratspräsidentschaft sollte die EU bei der COP26 in Glasgow als ehrgeiziger und handlungsfähiger Akteur auftreten. So lauteten die Pläne noch Mitte März 2020 – wenige Tage nachdem die WHO den COVID-19-Ausbruch zur Pandemie erklärte.

Anfang April beschlossen die zuständigen UN-Gremien, die für den November 2020 geplante COP26 auf das Jahr 2021 zu verschieben. Ebenfalls Anfang April mahnte der Ständige Vertreter Deutschlands bei der Europäischen Union, dass die deutsche Ratspräsidentschaft aufgrund der Pandemie nicht wie vorgesehen stattfinden könne: Der Erfolg der deutschen Ratspräsidentschaft werde vor allem an der Handlungsfähigkeit der europäischen Institutionen, dem Krisenmanagement, dem Exit und dem wirtschaftlichen Wiederaufbau gemessen – eventuell sogar daran, die EU-Integration aufrechtzuerhalten. Themen, die gestern noch hohe Priorität hatten, würden zwangsläufig überlagert oder in den Hintergrund treten.

Neue Prioritäten der EU-Kommission

Einen Teil der angekündigten Initiativen zum Grünen Deal hatte die EU-Kommission bereits vorgelegt: den Investitionsplan und den „Just Transition Fund“ als wichtigste Finanzierungsinstrumente, den Entwurf des Europäischen Klimaschutzgesetzes, die Industriestrategie, die Strategie für kleine und mittlere Unternehmen und einen Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft. Entsprechend dem ursprünglichen Zeitplan sollen im 3. Quartal 2020 die „Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen“ und im September 2020 der „Plan für die Klimaziele 2030“ vorgelegt werden. Bis Juni 2020 wollte die Kommission die Nationalen Energie- und Klimapläne (NECP) auswerten, um die Ambitionssteigerung für den „Plan für die Klimaziele 2030“ abschätzen zu können. Da aber u.a. Deutschland seinen NECP bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe der tab noch immer nicht vorgelegt hat, ist der Zeitplan der Kommission wohl nicht zu halten. Seit Monaten schiebt die Bundesregierung den deutschen NECP als Vorhaben vor sich her – kein gutes Omen für eine „ambitionierte Klimaschutzpolitik“ während der deutschen Ratspräsidentschaft.

Die „Renovierungswelle“ soll nicht verschoben werden; die Kommission will sie im 3. Quartal 2020 vorstellen. Durch die Renovierungswelle sollen u.a. die Renovierungsquote von Gebäuden erhöht und die laufenden Energiekosten der Gebäude gesenkt werden. Die Kommission sieht in der Renovierungswelle ein Schlüsselelement für den Wiederaufbauplan nach der Corona-Krise, da sie zur Stimulierung der Wirtschaftstätigkeit, zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Minderung der CO2-Emissionen beitragen könne.

Andere zum Grünen Deal gehörende Initiativen der Kommission sollen später im Jahr 2020 oder erst 2021 vorgelegt werden, u.a. der „Europäische Klimapakt“, das „Achte Umweltaktionsprogramm“ und die „Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien“.

Erwartungen an die deutsche Ratspräsidentschaft

Die Erwartungen an die deutsche Ratspräsidentschaft sind groß: Die Bewältigung der Corona-Krise und die Verabschiedung des Mehrjährigen Finanzrahmens werden oberste Priorität genießen. Gelingt es der deutschen Ratspräsidentschaft, im Zusammenspiel mit der Kommission den Grünen Deal intelligent mit Konjunktur- und Investitionsimpulsen zu verzahnen, dann könnte der Grüne Deal zu einer Wachstumsstrategie für ganz Europa werden – und der Klimaschutz zu einem Konjunkturschub.

Der Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder.

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