Kommentar

Das Tarifeinheitsgesetz – ein wirkungsloses Gesetz?

Der vergangene Sommer bot einige heiße Tage – allerdings nicht nur beim Wetter, sondern auch an der Streikfront. Die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) hatte wieder einmal zum Arbeitskampf gerufen und zahlreiche Lokführer beteiligten sich. Eigenartig – denn die wechselseitigen Positionen der Bahn und der GdL lagen nicht sehr weit auseinander. Aber es sollte nicht mehr verhandelt, sondern lieber gestreikt werden.

Den Bahnreisenden bzw. denen, die auf das Verkehrsmittel Bahn angewiesen waren, missfiel das selbstverständlich. Es ging verkehrstechnisch einiges durcheinander und der ein oder andere glaubte sich daran zu erinnern, dass es doch da etwas gab, das eigentlich solche Streiks von kleinen Gewerkschaften eindämmen sollte. Ja – richtig: das Tarifeinheitsgesetz! Es wurde im Jahr 2015 beschlossen und sollte die Grundregel „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“ festigen. Demzufolge wäre es bei der Bahn eigentlich so, dass allein die Tarifverträge gelten müssten, die mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) abgeschlossen wurden.

 

Auslöser für den Streik

Die EVG hat in den meisten Betrieben der Bahn mehr Mitglieder als die GdL und sie ist größer. Dennoch konkurriert die GdL mit der EVG. Im Lichte der grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie ist das kein ungewöhnlicher Umstand, allerdings sollte mit dem Tarifeinheitsgesetz die Macht kleiner Spartengewerkschaften begrenzt werden. Der Tarifvertrag, den eine größere Gewerkschaft für eine größere Anzahl von Mitarbeitern schließt, sollte in einem Betrieb dann Vorrang haben. Die GdL hat in der Vergangenheit versucht, das Tarifeinheitsgesetz zu kippen. Mit ihrem Ansinnen ist sie allerdings vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Im Nachgang wurde allerdings mit dem Management der Bahn eine Grundlagenvereinbarung getroffen, die der GdL garantierte, dass ihre Tarifverträge bis zum Ende des Jahres 2020 Gültigkeit behalten. Diese Vereinbarung war ausgelaufen und die GdL befürchtete, dass ihr Einfluss nunmehr erheblich eingeschränkt wird und sie damit letztlich auch in ihrer Existenz bedroht ist. Vor diesem Hintergrund erschienen die eingeleiteten Streiks in einem anderen Lichte. Es entstand mehr und mehr der Eindruck, dass die in den Tarifverhandlungen erhobenen Forderungen und die von der Bahn angebotenen Lösungen nicht die einzigen Punkte waren, die den Streik auslösten.

 

Keinen Missbrauch des Streikrechts zulassen

Das Streikrecht ist als Ausfluss der grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie ein hohes Gut: Es wird sozusagen als Ultima Ratio üblicherweise dann ausgeübt, wenn Tarifverhandlungen mehr oder weniger gescheitert sind. Deshalb ist es bedenklich, wenn der Anschein entsteht, dass das Streikrecht für gewerkschaftspolitische Machtpolitik missbraucht wird. Es erscheint geboten, die Anwendung des Tarifeinheitsgesetzes mehr in den Fokus zu nehmen, um möglichst zu verhindern, dass durch Streikmaßnahmen einer Spartengewerkschaft die halbe Bundesrepublik Deutschland lahmgelegt wird.

Der Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder.

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