Kommentar
Brauchen wir ein Gesetz für Lohngerechtigkeit?
Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig hat im Dezember 2015 den Entwurf eines Gesetzes für mehr Lohngerechtigkeit vorgelegt. Ausgangslage hierfür war die Auffassung, es gebe in Deutschland eine Entlohnungslücke zwischen Frauen und Männern in einer Größenordnung von etwa 22 %. Das sei diskriminierend, sagte die Ministerin, und müsse deshalb gesetzlich geregelt werden.
22 % Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern?
Ist das wirklich so? Zunächst einmal erklärt das Statistische Bundesamt, dass die Vergütung von Männern und Frauen in unterschiedlichen Berufen und Branchen zugrunde gelegt worden sei und so der rechnerische Wert von 22 % zustande komme. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, ob Frauen für vergleichbare Tätigkeiten tatsächlich schlechter bezahlt werden.
Im Übrigen muss beachtet werden, dass für etwaige branchenübergreifende Lohndifferenzen die Berufswahl und die Erwerbsbiografien von Frauen relevant sind – beispielsweise Teilzeitarbeit, Kinderpausen etc. Werden auch diese Besonderheiten berücksichtigt, so schrumpft die Entgeltlücke von 22 auf 2,3 %. Es ist daher wenig nachvollziehbar, wenn erklärbare Entgeltunterschiede mit Entgeltdiskriminierung gleichgesetzt werden, ein Marktversagen diagnostiziert wird und der Gesetzgeber auf den Plan tritt.
Geplante Regelungen des Gesetzes
Der Gesetzentwurf sieht nun vor, dass ein individueller Auskunftsanspruch besteht, wonach die Kriterien für die Festlegung des eigenen Entgelts und für die Festlegung gleichwertiger Tätigkeit erfragt werden können. Dieser Anspruch bezieht sich auch darauf zu erfahren, wie denn der Verdienst einer Vergleichsgruppe von fünf Beschäftigten des anderen Geschlechts mit gleichwertiger Tätigkeit aussieht – wobei der Begriff „gleichwertige Tätigkeit“ nicht näher beschrieben ist.
Der Gesetzentwurf sieht sodann vor, dass bei Nichterfüllung der Auskunftspflicht oder unvollständiger Auskunft durch den Arbeitgeber eine Benachteiligung mit entsprechender Beweis-lastumkehr vermutet wird. Sofern mehr als fünfhundert Arbeitnehmer beschäftigt werden, ist der Arbeitgeber verpflichtet, verbindliche Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit durchzuführen und darüber Berichte zu verfassen. Dass so etwas höchst bürokratisch wirkt und einen erheblichen Verwaltungsaufwand nach sich zieht, liegt auf der Hand.
Überdies wird sich schwerlich ein Unternehmen finden lassen, das allein wegen des Geschlechts eine geringere Vergütung bezahlt. Sollte es aber wirklich so ein „schwarzes Schaf“ geben, so reichen die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, um diesen Missstand abzustellen.
Eingriff in die Tarifautonomie
Das sich in der „Pipeline“ befindende Gesetz hat allerdings noch eine andere Dimension: Die Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit bezieht sich auch auf tarifliche Entgeltregelungen. Hieraus ergibt sich ein unmittelbarer Eingriff in die Tarifautonomie. Es ist grundgesetzlich geschützt, dass die Lohngestaltung alleinige Aufgabe der Tarifvertragsparteien ist. Auf dieser Ebene wird unmittelbar dafür gesorgt, dass es keine Lohnungerechtigkeit und schon gar keine Diskriminierung bei den Vergütungen gibt.
Eines Lohngerechtigkeitsgesetzes bedarf es also nicht und die Bundesfrauenministerin wäre gut beraten, von weiteren Belastungen für die Unternehmen abzusehen.