Lösungen für Neubau und Bestand
Abwärmenutzung individuell planenDie Nutzung von Abwärme ist ein wesentlicher Faktor, um die Effizienz eines Gebäudes zu steigern. Im Neubau sind solche Lösungen, etwa durch die Kontrollierte Wohnraumlüftung (KWL), längst Standard. Aber auch im Bestand sind Nachrüstungen möglich, die aufgrund funkbasierter Steuerung den baulichen Aufwand im Rahmen halten. Erfolgen muss eine entsprechende Planung immer individuell, da es keine standardisierten Lösungen gibt.
Anfang Februar 2018 stand in Dortmund die Abwärmerückgewinnung im Mittelpunkt des Geschehens. Die dortigen Deutschen Gasrußwerke stellen ein Vorprodukt für Reifen her – doch nicht nur das, sie produzieren auch jede Menge Abwärme. Die wurde bisher ins städtische Wärmenetz eingespeist oder an der Börse verkauft. Doch es blieb immer noch genug Abwärme übrig. Die wird nun von der Coldstore Group genutzt. Eigentlich braucht man dort jedoch keine Wärme, sondern Tiefkälte für das in der Tiefkühllogistik tätige Unternehmen.
Die benötigte Kälte lässt sich mittels Adsorption aus der überschüssigen Abwärme erzeugen. Möglich macht das E.ON: Die Essener bauen eine Energiezentrale zur Wärmerückgewinnung, in der dann mittels Absorptionstechnik Tiefkälte erzeugt wird. Coldstore siedelt sich wegen der riesigen Potentiale extra in Dortmund an, wo ein 5.000-t-Gefrierhaus mit einer Einfrierkapazität von 300 t in 24 Stunden errichtet wird.
Dieses Großprojekt ist derzeit noch eine Ausnahme. Doch das wird nicht so bleiben, denn die Abwärmerückgewinnung schlägt gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe:
„Unter der Voraussetzung einer luftdichten Gebäudehülle kommen als Technologien zur Nutzung der Abwärme beispielsweise Wärmepumpen infrage. Schätzungen zufolge sind rund 24 % der Wohngebäude in Europa mit einer mechanischen Lüftung ausgestattet, Wärmerückgewinnungstechnologien nutzen jedoch nur 1,5 %“, zeigen die Wissenschaftler Markus Reichart und Alexander Sauer von der Universität Stuttgart das große Potential dieser Technologie auf.
Um deren Nutzung noch eine höhere Effizienz zu verleihen, kann man neben den Wärmeüberträgern, meist Kreuz-Gegenstrom-Wärmetauscher, noch eine Wärmepumpe einschalten. Diese kann ein Vielfaches des Temperaturniveaus der Abwärme erzeugen. Dadurch eignet sie sich auch für die Warmwasserbereitung, was ein herkömmlicher Wärmetauscher nicht könnte.
Selbstredend kann ein solches System auch die Heizung unterstützen. So erfüllt diese Kombination auch die Anforderungen des EEWärmeG sowie der EnEV. Funktionieren kann dies allerdings nur in Gebäuden, die keinen hohen Wärmebedarf haben, ergo gut gedämmt sind. Als Minimum gilt der KfW-55-Standard. Dafür kommen drei grundsätzliche Varianten in Frage (siehe Infokasten 1).
VRF noch junge Technologie
Neben diesen Lösungen wird zunehmend auf die VRF-Technologie gesetzt. Dabei wird Wärme- oder Kälteenergie nicht auf Wasser, sondern von einem Kältemittel auf die Luft übertragen. VRF steht für „Variable Refrigerant Flow“, also „variabler Kältemittelstrom“. Der darin arbeitende Direktverdampfer kommt ohne ein zusätzliches Wärmetransportmedium wie Wasser aus. Technisch gesehen handelt es sich um Luft-/Luft-Wärmepumpen. Neben Kühlen und Heizen können sie zudem noch entfeuchten, was eine der Grundvoraussetzungen für den Einsatz von Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung ist (siehe auch Normen für Lüftungen). Technologisch bedingt eignen sie sich jedoch nur für größere Gebäude, in denen ein hoher Kühl- und Heizbedarf herrscht, etwa Krankenhäuser, Bürogebäude oder Gewerbe.
Monovalenter Betrieb bedingt möglich
Im Gegensatz zur Wärmeversorgung eines Gebäudes mit üblichen und meist fossil basierten Heiztechnologien hat die Abwärmerückgewinnung noch einen weiteren Vorteil: Ein Schonstein sowie dessen Wartung wäre bei einem monovalenten Betrieb, also nur Heizung und Warmwasserbereitung mittels Abwärme, nicht nötig. Allerdings lässt sich nicht jedes Gebäude komplett auf diese Art wärmen. Der Dämmstandard im Bestand muss sehr hoch sein und im Minimum dem von KfW 40 entsprechen, am besten noch höher. Zu erreichen ist das eigentlich nur im Neubau. Kann die Heizlast mittels Wärmerückgewinnung nicht abgedeckt werden, bedarf es einer zusätzlichen Wärmequelle.
Ein Passivhaus kommt jedoch ohne diese aus. Die genutzte Abwärme entsteht hier durch elektrische Geräte, Sonneneinstrahlung und die Menschen selbst. Mittels Gegenstromwärmetauscher wird sie aufgefangen und über eine Lüftung wieder in das Gebäude zurückgeführt. Ohne diesen technologischen Kniff wäre der Passivhausstandard nicht möglich. Allerdings hat das seinen Preis. Gegenüber dem KfW-55-Standard bedingt ein Passivhaus im Schnitt rund 10 % höhere Baukosten bezogen auf den Quadratmeter.
Abwärme kann aber auch aus der Kanalisation oder aus industriellen Prozessen genutzt werden. So kann die Abwärme aus Serverräumen gleich im Gebäude genutzt werden. Das Startup Cloud & Heat Technologies (vormals AoTerra) aus Dresden hat diese Idee bis zur Geschäftsreife entwickelt. Da die Wärme abgeführt wird, werden die Server gleichzeitig gekühlt, was für deren Funktionsfähigkeit unerlässlich ist. Die Technologie kommt aber ohne Wärmepumpe aus. Es wird letztlich immer Wasser in einen Kreislauf gepumpt, das seine Wärme beim Verbraucher abgibt.
In Frankfurt am Main betreibt das Unternehmen auf diese Weise 84 Server, deren Abwärme in den Wärmekreislauf des Gebäudes eingeht und pro Jahr bis zu 40.000 € an Heizenergie spart. Zusätzlich werden etwa 30.000 € pro Jahr an Kühlkosten durch das direkte, verlustarme Kühlen der Server eingespart.
In Spanien gibt es Lösungen, die in umgekehrter Richtung funktionieren. Hier wird die Wärme, die bei der notwendigen sommerlichen Kühlung eines Gebäudes abgeführt wird, zum Aufheizen des Poolwassers genutzt.
Generell sind Lösungen, die gleichzeitig dem Heizen und Kühlen dienen, sehr effizient. Die Leistungszahl (Coefficient of Performance, COP) liegt bei wärmepumpengestützten Systemen im Winter bei drei und im Sommer bei vier. Zusammengefasst liegt sie bei sieben bis neun.
Drei Varianten der Abwärmerückgewinnung mit Wärmepumpe
Normen für Lüftungen und Wärmerückgewinnung
Für die Abwärmerückgewinnung von Abluft gelten alle wesentlichen Normen für den Lüftungsbau in Neubau und Bestand, insbesondere DIN 1946, Teil 6:
mehrere Stoßlüftungen über 24 Stunden durch den Mieter/Bewohner;
nutzerunabhängige Lüftungseinrichtung;
vier Grundlüftungsprinzipien:
Lüftung zum Feuchteschutz (FL),
Mindestlüftung (ML),
Grundlüftung (GL),
Intensivlüftung (IL).
Darüber hinaus finden noch folgende Normen Anwendung (Auswahl):
Tipp: Die in Mietverträgen häufig benutzte Formulierung der „ausreichenden Lüftung“ ist weder quantifizier- noch qualifizierbar. Die normgerechte nutzerunabhängige Lüftung ist häufig nur durch den Einsatz einer Kontrollierten Wohnraumlüftung (KWL) zu realisieren.
KfW und dena fördern Abwärmenutzung
Das KfW-Effizienzprogramm – Abwärme (294) fördert
Projekte wie folgt:
und Größe des Unternehmens;
zusätzlich Bonus in Höhe von 10 %.
Mehr unter www.kfw.de
Die Deutsche Energie Agentur (dena) fördert zudem zehn Leuchtturmprojekte:
und mittlere Unternehmen und
und große Unternehmen.
Mehr unter www.dena.de