Nachhaltiges Bauen im Fokus

Gebäudezertifizierungen bieten Orientierung

Nachhaltiges Bauen und Sanieren liegen im Trend. Doch der Markt bietet eine unüberschaubare Fülle an Technologien, Materialien und Verfahren, die nicht alle den jeweils individuellen Zielen bei der objektspezifischen Gebäudeplanung dienen können. Investoren, Bauherren, Fachplaner und Architekten benötigen Rahmenbedingungen – die ihnen beispielsweise durch Gebäudezertifizierungen vorgegeben werden. Der Beitrag erläutert die drei möglichen Standards für die Gebäudezertifizierung, vergleicht die Inhalte und bewertet die Nutzbarkeit für unterschiedliche Anforderungen.

Nachhaltiges Bauen steht nicht erst seit den EU-Beschlüssen zur deutlichen Reduzierung der Treibhausgase im Fokus von Bauherren. Gerade im professionellen, gewerblichen oder Wohnungsbau gibt es überzeugende Argumente, die für eine nachhaltige Bauweise und anschließende Zertifizierung sprechen. Das Primärziel einer Gebäudezertifizierungen ist letztlich einfach: Ein Gebäude soll in einer möglichst ganzheitlichen Betrachtung auf den Umgang und den Verbrauch von Energie hin optimiert werden. Gleichzeitig sollen je nach Zertifizierungsverfahren im Umfang abweichende, weitere Bedingungen erfüllt werden. Dabei kann die Frage gestellt werden, ob die zahlreichen gesetzlichen Vorgaben in der EU nicht schon einen genügend engen Rahmen schaffen. Dazu seien beispielhaft die Vorgaben hinsichtlich Erneuerbare Energien Wärmegesetz (EEWärmeG), Energieeinsparverordnung (EnEV) oder Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) genannt. Im Gegensatz zu den Zertifizierungsverfahren haben jedoch alle Vorschriften zum einen eher eng definierte Mikroziele im Hintergrund, zum anderen beschreiben sie Mindeststandards, die als Basis für Neubauten gelten. Eine Differenzierung unter Neubauten, und damit auch ein eventueller Vorteil – z. B. im Wettbewerb um Mieter –, lässt sich dadurch nicht erzielen. Gleichzeitig kann das Gebäude in seiner Nachhaltigkeitsstruktur nicht vollständig erfasst werden.

Erstmals vor rund 17 Jahren wurde in Großbritannien ein System zur Gebäudezertifizierung entwickelt, das über den gesetzlichen Rahmen hinaus das Gebäude in seiner gesamten Struktur betrachtet und bewertet. Bei der britischen „Building Research Establishment Environmental Assesment Method“ (BREEAM) standen kommerziell genutzte Gebäude im Mittelpunkt. BREEAM war dabei von Beginn an als international anerkanntes Zertifizierungsprogramm für nachhaltiges Bauen geplant. Um eine Vorstellung von den Zertifizierungskriterien im Vergleich zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen wie EnEV oder EEWärmeG zu geben, können die Bewertungskriterien und ihre Gewichtung ein erstes Bild vermitteln:

Management – 12 %
Gesundheit und Komfort – 15 %
Energie – 19 %
Wasser – 6 %
Materialien – 12,5 %
Abfall – 7,5 %
Landverbrauch und Ökologie – 10 %
Emissionen – 10 %
Transport – 8 %
Innovation – 10 %

Unter dem Gesichtspunkt Management werden etwa das Projektmanagement und die integrale Planung erfasst. Die Kriterien Gesundheit und Komfort sind auf das Wohlbefinden der Nutzer und den Innenraumkomfort ausgerichtet. Im BREEAM-System werden neben der technischen und baulichen Qualität die Bewirtschaftung und Nutzung des Gebäudes berücksichtigt. Mittlerweile bestehen rund 200 000 Zertifizierungen von Gebäuden nach BREEAM-Standard und mehr als 1 Mio. Registrierungen. 

Vor ca. 15 Jahren entwickelte sich in den USA die „Leadership in Energy and Environmental Design“-Zertifizierung (LEED). Hier werden Standards für umweltfreundliches, ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen nach US-amerikanischen Normen erfasst, und ein Gebäude über den gesamten Lebenszyklus hin beurteilt. Bewertet werden in einem Punktesystem und je nach erreichtem Stand die Klassifizierungen Certified/Silver/Gold und Platinum vergeben. Die primären Bewertungskriterien lauten:

Nachhaltige Standortentwicklung – 26 %
Energie und Luftqualität – 35 %
Material und Ressourcen – 14 %
Innenraumklima – 15 %
Design und Innovationen – 6 %
Regionale Priorität – 4 %

Die nachhaltige Standortentwicklung beschreibt dabei beispiels­weise die entsprechende Verwendung von Grund und Boden. In der Kategorie Energie und Luftqualität wird in erster Linie der Ener­gie­ver­brauch eines Gebäudes bewertet. Innovative Lö­sun­gen, die zur Senkung des Energieverbrauchs in einem Ge­bäude bei­tragen, fließen entsprechend hoch bewertet mit 35 % in die Gesamtbewertung mit ein. Mit der Kategorie Design und Innovatio­nen lassen sich beim LEED-System zusätzliche Punkte sammeln. Er­fasst werden innovative und nachhaltige Lösungen bei der Konzeption eines Gebäudes. Mit ca. 25 000 Zertifizierungen und 100 000 Registrierungen liegt LEED deutlich hinter BREEAM.

Im Mai 2007 gründeten in Deutschland Architekten, Ingenieure, Wissenschaftler, Bauindustrie und Investoren in Stuttgart die gemeinnützige „Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen“ (DGNB). Diese will Wege und Lösungen aufzeigen sowie fördern, die alle Ziele des nachhaltigen Bauens verwirklichen. Dies betrifft die Planung von Gebäuden ebenso wie deren Ausführung und Nutzung. Seit 2008 vergibt die DGNB ein Qualitätszeichen für besonders umweltfreundliche, gesunde, ressourcensparende und wirtschaftlich effiziente Gebäude. 

Das DGNB-Zertifizierungssystem entstand in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Ein DGNB-Zertifikat weist die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien sowohl gegenüber Eigentümern als auch Nutzern von Gebäuden aus. Doch nicht nur sie können davon profitieren, sondern vor allem die deutsche bzw. europäische Bauwirtschaft, deren Umweltkompetenz im internationalen Vergleich sehr hoch ist. Diese Stärke soll mit dem neuen Qualitätszeichen gewürdigt und wirtschaftlich gefördert werden. Im Mittelpunkt des Zertifizierungssystems, das auf deutschen Umweltstandards und Umweltzielen basiert, stehen fünf übergeordnete Schutzziele. Je nach prozentualer Zielerreichung werden DGNB-Zertifikate in den Kategorien Gold, Silber und Bronze vergeben:

Ökologische Qualität – 22,5 %
Ökonomische Qualität – 22,5 %
Soziokulturelle und funktionale Qualität – 22,5 %
Technische Qualität – 22,5 %
Prozessqualität – 10 %

Dabei fallen unter die ökologische Qualität beispielsweise Faktoren wie das Treibhaus- oder Ozonschicht-Zerstörungspotential eingesetzter Materialien. Die ökonomische Qualität enthält Fakten zu den Lebenszykluskosten oder der Wertstabilität. Unter die soziokulturelle und funktionale Qualität werden Fakten wie der thermische Komfort im Winter und Sommer, die Innenraumhygiene aber z. B. auch die Anzahl von verfügbaren Fahrradstellplätzen bei einem Gebäude zusammengefasst. Interessant ist, dass das DGNB-System im Bestand von Büro- und Verwaltungsgebäuden auch die Gebäudebewirtschaftung betrachtet. Hier werden bei der Bewertung nicht nur der berechnete Energiebedarf eines Gebäudes, sondern auch der reale Verbrauch berücksichtigt.

Zu den zentralen Informa­tions­grund­lagen gehören Qualitäts- und Gütezertifizierungen für Bauprodukte sowie Umweltdeklarationen auf Basis der internationalen Norm ISO 14025 (EPD). Die Bewertung basiert auf einer Lebenszyklusperspektive für das gesamte Gebäude als wichtiges Grundprinzip effizienten nachhaltigen Bauens. Anhand der Gewichtungsfaktoren ist erkennbar, dass DGNB sowohl den Lebenszyklus eines Gebäudes als auch die soziokulturellen Aspekte als genauso wichtig wie die ökologischen Aspekte bewertet. Bei LEED und BREEAM stehen dagegen ausschließlich ökologische Kriterien im Vordergrund. Mit 539 Zertifizierungen und 308 Registrierungen liegt das DGNB-System weit abgeschlagen hinter BREEAM und LEED. Allerdings ist das System vergleichsweise „jung“. Zudem wird das BREEAM-System in Großbritannien als verpflichtender Standard für alle öffentlichen Gebäude angewendet, was die hohe Zahl an Zertifizierungen erklärt. 

Grundsätzlich ermöglichen alle Bewertungsverfahren einen vereinfachten Vergleich von Gebäuden untereinander – u. a. weil neben den „harten“ auch „weiche“ Faktoren in die Zertifizierung Zugang finden. Das Konzept hinter allen Zertifi­zie­rungs­sys­te­men ist ähnlich: Es steht eine globale Lebenszy­klusplanung des Gebäudes im Vordergrund. Hinter den Be­griffen „Green Building“ oder „Nachhaltiges Bauen“ steckt prin­zipiell nichts anderes als die Absicht, dass die Versorgung eines Gebäudes mit möglichst ge­ringen Betriebs­kosten erfolgt, wenige Reparaturen anfallen und alle darin lebenden bzw. arbeitenden Menschen eine gesunde Atmosphäre genießen können. Dazu spielen auch Bewertungen zur Haltbarkeit, Entsorgung und Grundriss sowie Lage eine weitere Rolle.

Lebenszyklusbetrachtung im Klimabereich

„Die Investitionskosten bei der Planung und Entstehung eines neuen Gebäudes stehen heute nicht mehr alleine im Vordergrund. Vielmehr sind es die Lebenszykluskosten, die einfließen in die Entscheidung für oder gegen eine technische Ausstattung in einem Gebäude“, so Dror Peled, General Marketing Manager bei Mitsubishi Electric, Living Environment Systems.

Beim Energiebedarf von Gebäuden sind es in der Regel die Beheizung, Kühlung und ggf. Lüftung, die den größten Energiebedarf ausmachen. „Hierbei fallen vor allen Dingen auch die Übergangszeiten ins Gewicht, in denen sowohl Heiz- als auch Kühlbedarf besteht. Werden hierfür zwei getrennte Anlagen eingesetzt, so sollten diese idealerweise aufeinander abgestimmt sein“, beschreibt Dror Peled die Voraussetzungen für einen effizienten Anlagenbetrieb. Immer mehr Fachplaner, Architekten und auch Investoren setzen auf eine Lösung auf Basis erneuerbarer Energieträger, die alle Aufgaben zusammen erledigen und Energie im Gebäude in die Bereiche „verschieben“ können, in denen sie benötigt werden.“

Umgesetzt werden diese Forderungen beispielsweise durch die VRF-R2-Technologie. Moderne VRF-Systeme werden aufgrund ihrer Wärmepumpenfunk­tion häufig auch zur Beheizung von Gebäuden genutzt. Sofern eine Wärmerückgewinnungsfunktion vorhanden ist, sind sie in der Lage im Simultanbetrieb zu heizen und zu kühlen. Dabei wird die Wärme aus einem zu kühlenden Raum über die VRF-Klimatechnik einem anderen Raum mit Wärmebedarf zugeführt. Das weltweit patentierte „VRF-R2“-Verfahren ermöglicht hier die Umsetzung als 2-Leiter-System. Möglich wird der Einsatz durch den Transport sowohl vom flüssigen als auch gasförmigen Kältemittel in einer gemeinsamen Leitung. Somit kann die dritte Rohrleitung entfallen. Ein solches System bietet einen sinnvollen und ressourcenschonenden Umgang mit Energie im Gebäude und reduziert gleichzeitig die Installationskosten.

„In Deutschland stehen wir damit erst am Anfang eines Systemwechsels. Wie effizient unsere VRF-R2-Technik die Klimatisierung und Warmwasserversorgung abdecken kann, zeigt sich an den sehr hohen System-COP, die erreicht werden können. Fachplaner entdecken zunehmend die Vorteile einer Komplettversorgung auf Basis der VRF-Technologie wie Energiekostenreduzierung, Platz- und Gewichtsersparnis, höherer Komfort sowie geringere Investitionskosten. Die R2-Technologie wurde speziell für die Ansprüche moderner Gebäudearchitektur und maximaler Effizienz im Umgang mit zur Verfügung stehender Kälte- und Wärmeenergie entwickelt. Daher eignet sich diese Technologie besonders bei Gebäuden, die ein entsprechendes Zertifizierungsverfahren anstreben“, so Dror Peled weiter.

Die Betriebskosten spielen über den Lebenszyklus eines Gebäudes eine mitentscheidende Rolle und führen zum Werterhalt eines Gebäude. So profitieren Eigentümer von zertifizierten Gebäuden von einer leichteren Vermietbarkeit oder auch einem vergleichsweise höheren Wiederverkaufswert. Wie verläuft der Neubau eines Gebäudes, das zertifiziert werden soll? Vergleichsweise einfach, denn alle entsprechenden Kriterien lassen sich durch einen ausgebildeten Dienstleister umsetzen. Dafür kann aus einem umfangreichen Katalog ein geeigneter Partner selektiert werden, der analog zu den Bedingungen des DGNB Beratung in Bezug auf das gewünschte Zertifizierungslabel leistet. Dieser Partner begleitet die beschlossenen Maßnahmen während der Bau- und Zertifizierungsphase. Die eigentliche Zertifizierung erfolgt dann durch einen unabhängigen Sachverständigen. Facility-Management-Unternehmen mit entsprechenden Erfahrungen und Ausbildungen übernehmen diese Aufgabe häufig. Die Kosten für die reine Zertifizierung lassen sich mit ca. 1 % der Baukosten abbilden. Das Potential, Energiekosten über den Lebenszyklus eines Gebäudes einzusparen, lässt sich sowohl anhand der Vergleichsrechnungen für Gebäude als auch aus dem „laufenden Betrieb“ der zertifizierten Gebäude heraus ablesen: Um durchschnittlich 25 bis 30 % können die Energiekosten nach Angaben von Gebäudebetreibern im Vergleich zu nicht zertifizierten, aber nach den geltenden „Energiegesetzen“ erstellten Gebäuden sinken.

Welche Zertifizierung – BREEAM, LEED oder DGNB – ein Investor anstrebt, sollte davon abhängig sein, welche Aussage die Zertifizierung haben soll. Geht es um die reine Senkung der Energiekosten und/oder Instandhaltung oder eher um eine Imageaufwertung? Kriterien wie Nutzungsart, Lebenszyklusphase und auch die Frage, ob es sich um einen Neubau oder ein Gebäude aus dem Baubestand handelt, sind bei der Entscheidung für ein Zertifizierungssystem einzubeziehen. Darüber hinaus spielen Klimazonen, Standortfaktoren und soziale Aspekte eine Rolle. Ein erfahrener Partner sollte hier profunde Beratung leisten und die jeweiligen Vor- und Nachteile der Zertifizierungsverfahren in Bezug auf die objektspezifischen Gegebenheiten bewerten können.

Fazit

Zertifizierungsverfahren bieten eine ideale Grundlage, um ein Gebäude nachhaltig zu planen, zu bauen sowie über den ganzen Lebenszyklus hin betreiben zu können. Anders als die gesetzlichen Rahmenbedingungen betrachten die Zertifizierungsvorgaben neben den „harten“ auch „weiche“ Faktoren, die für einen Investor, einen Mieter oder ein Unternehmen im Lebenszyklus eines Gebäudes eine entscheidende Rolle spielen können. Ganzheitliche Konzepte wie VRF-R2-Anlagen zur gleichzeitigen Wärme- und Kälteversorgung eines Gebäudes auf der Basis erneuerbarer Energieträger greifen diese Aspekte auf und bieten Möglichkeiten, die Gesamteffizienz in einem Gebäude im Rahmen des Lebenszyklus zu steigern.

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