Erkenntnisse aus Forschung und Praxis

Raumluftkonditionierung durch Luftionen

Die Gesundheitstechnische Gesellschaft e.V. (GG) stellte Mitte Oktober 2018 mit dem Vortragsblock „Luftionengehalt – Eine Behaglichkeitskenngröße?“ Erkenntnisse aus Forschung und Praxis zur Diskussion. Der Referent Prof. Rüdiger Külpmann, Mitautor der Review zur Anwendung ionisierter Luft im Innenraum, zeigte auf, wie verschiedene Luft­ioni­sa­tions­systeme funktionieren und wies auf wesentliche Prüfkriterien und Entwicklungen der letzten Jahre hin. Beispiele am Luzerner Kantonsspital, Anwendungen im OP-Saal und die Umnutzung eines Büros zum Lehrbetrieb, verdeutlichten, dass die Raumluftqualität durch gezielte Luftionisation bedeutend verbessert und Schad­stoff­belas­tun­gen gesenkt werden können. 

Das Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) an der Hochschule Luzern erforscht die Interaktion zwischen Mensch und Architektur. Bereits im Januar 2013 haben die Wissenschaftler eine Review zur Anwendung ionisierter Luft im Innenraum [1] erstellt. In dieser Review sind die Literaturinformationen zur Wirkung von Luftionisierung mit speziellem Fokus auf die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit des Menschen bei der Ausführung von Büroarbeit in Innenräumen zusammengetragen. Demnach bestehe zwar noch weiterer Forschungsbedarf, jedoch geben die Studien deutliche Hinweise darauf, dass es Zusammenhänge zwischen der Gesundheit, dem Wohlbefinden und der physischen Leistungsfähigkeit mit dem Ionengehalt der Luft sowie dem Verhältnis von negativen zu positiven Ionen gibt. Hinweise im Review und in aktuellen Praxisberichten zeigen, dass ionisierte Luft zu einem hohen Luftqualitätsempfinden beitragen kann. Als Grundlage zur Umsetzung lüftungstechnischer Gesamtkonzepte mit Ionisation sei aber ein neues Verständnis der Fachplaner zwingend erforderlich.

 

Luftionengehalt: Aus Forschung in die Praxis

Auch bei optimal modifizierten RLT-Anlagen fehlt trotz guter Raumluft die Frische der Außenluft. Messungen ergaben, dass der Luftionengehalt der Raumluft niedriger ist als der von Außenluft. Hebt man ihn durch ozonfreie ionisierende Systeme an, wirkt die Luft frischer. Ein entsprechendes Verfahren wurde an der Hochschule Luzern im Labor und bei Langzeitanwendungen überprüft. Die Ergebnisse erlauben die Empfehlung, dass der Luftionengehalt der Raumluft als Behaglichkeitskenngröße untersucht werden sollte. In den beschriebenen Projekten der Vorträge von Prof. Rüdiger Külpmann, Hochschule Luzern, Technik & Architektur (HSLU), lässt sich heute eine aussagekräftige Wirkung der Luftionisation durch eine erhöhte Sauerstoffaufnahme des Menschen ableiten. Die damit zusammenhängenden Vorgänge im menschlichen Organismus führen zur Steigerung von Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit. 

Die Sauerstoffaktivierung der Raumluft könne in zwei grundsätzliche Verfahren unterschieden werden. Als gängigstes Verfahren am Markt haben sich die Korona­entladung, die teilweise auch Ozon erzeugt, und die herkömmliche Luftfilterung bisjetzt etabliert. Durch eine zusätzliche elektrische Ionenaufladung verbinden sich Staubpartikel und Schadstoffe, die sich auf Oberflächen anlagern oder durch Clusterung schneller auf den Boden sinken.

Mit dem als Patent angemeldeten Verfahren zur Herstellung von wieder elektrisch leitfähiger Luft aus der Schweiz lassen sich bei der Raumluftkonditionierung laut Hersteller die positiven Möglichkeiten von herkömmlichen Luftionisationsverfahren ohne Nebenwirkungen erzielen. Bei Probanden in einer Kinderklinik in Davos wurde eine leistungssteigernde Wirkung durch Sauer­stoff­anrei­che­rung im Blut nachgewiesen. Verblüffend dabei ist der Umstand, dass die Sauerstoffanreicherung noch lange nach dem Aufenthalt im aktivierten Raum nachweisbar war; ebenso im Pflegebereich des Spitals Luzern. Durch die geschlossene Fassade ist in den Inten­siv­pflege­zimmern keine Fensterlüftung möglich. Die installierten Geräte konnten dennoch Gerüche und Schadstoffe eliminieren. Ein kombiniertes Außen-/Umluftgerät mit ionisierter Luft ermöglicht es, Luftbelastungen durch Feinstaub, TVOC-Werte und andere Schadstoffe wie Schimmelpilzsporen, Pollen und luftgetragene Partikel bzw. Allergene deutlich zu senken. Das Verfahren wurde auch im OP-Versuchsraum der HSLU getestet. Beim Betrieb des neuen Systems auf dem OP-Tisch wurde eine Senkung der Partikel um 50 % gemessen. Nach einem Monat war die Reduktionswirkung jedoch nicht mehr nachweisbar, weil das System nur mit negativer Ionisierung betrieben wurde und sich der Raum langsam mit negativen Ionen füllte. Diese zeigt die Komplexität der Luftionisierungstechnik und den noch nötigen Forschungsbedarf. 

 

Umnutzungskonzepte nicht ohne Prüfung der Lüftungstechnik

Ein im Sommer vom TÜV Rheinland erstellter Messbericht zum „Am Kranzler Eck“ zur Umnutzung von Büros zum Unterrichtsbetrieb zeigte auf, wie sich ionisierte Lüftung auf die Raumluftqualität auswirken kann. Die vorhandene RLT-Anlage wurde mit GSB-Ionisierungsmodulen vom Typ „LH MAG 1000“ und Deckengeräten ergänzt. Zur Entfernung von Staub, Gerüchen, und Bakterien werden fünf Umluftgeräte mit einer Luftrate von je 250 m³/h (hier ausschließlich Sekundärluft gemäß DIN ISO 16798-3) mit Ionen- und Ozonerzeuger sowie MS- und Aktivkohlefilter verwendet. Die TVOC-Konzentration (Total Volatile Organic Compounds) war über den Messzeitraum im Raum mit 30 ppb, entspricht näherungsweise 0,07 mg/m³, noch deutlich unterhalb des in der VDI 6022-3 empfohlenen Grenzwertes von 60 ppb.

„Das gesamte Gebäude ist für einen Bürobetrieb mit überschaubaren bzw. auf die Räumlichkeit abgestimmten Personenbestand geplant“, so Eckhard Steinicke, Steinicke Handelsgesellschaft, der am Projekt „Am Kranzler Eck“ beteiligt ist. Mit der Umnutzung zum Schulungsbetrieb findet auch eine Verdichtung der Flächennutzung durch die Zunahme der Personen statt. Mit der vorhandenen ausgelegten Technik konnten im Unterrichtsbetrieb die höheren Wärme-, Kühl- und Stofflasten im Innenraum nicht aufbereitet werden. „Es bestand die Herausforderung, die bestehende RLT-Anlage für das neue Nutzungskonzept kostengünstig und ohne hohen Bauaufwand zu ertüchtigen und so auf den Mehrbedarf auszurichten“, beschreibt Eckhard Steinicke die ingenieurtechnische Herausforderung. Dazu wurden u.a. in den Bodenauslässen GSB-Ionisierungsmodule vom Typ „LH MAG 1000“ installiert. Diese reichern den Luftsauerstoff mit negativ geladenen Ionen an und aktivieren diesen. „Dieser aktivierte Sauerstoff bindet in der Luft befindliche kleine Schmutzpartikel, um die entstandenen größeren Agglomerate effektiver aus der Luft durch Gravitation oder Filtration entfernen zu können“, so Eckhard Steinicke. Erstaunlich ist das TÜV-Testergebnis im Projekt „Am Kranzler Eck“ bezüglich der CO2-Konzentration in den Zimmern. „Demnach liegt die maximale Konzentration nach Beginn der Veranstaltung im Raum bei knapp 1.000 ppm. Dieser Wert bleibt bei unveränderter Außenluftrate über die Dauer der Veranstaltung konstant. Theoretisch werden durch 35 Personen rund 910 l CO2/h ausgeatmet. Bei einem Zielwert von 1.000 ppm im Raum wäre rechnerisch eine Mindestaußenluftrate von 1.750 m³/h vorzusehen. Der Zielwert von 1.000 ppm im Raum wird aber mit dem Istwert von 805 m³/h gehalten, also um mehr als 50 % unterschritten! Dieses Ergebnis ist sehr erstaunlich und bedarf einer wissenschaftlich vertieften Untersuchung“, so Prof. Rüdiger Külpmann.

 

Uwe Manzke, Freier Journalist, IWP Wissenschaftsredaktion, 10207 Berlin

Quellen

[1] Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V.: Pressekonferenz zum 12. Kongress für Krankenhaushygiene [2] Dr. Jan Eckert, Sibylla Amstutz, Prof. Dr. Peter Schwehr; Hochschule Luzern – Technik & Architektur, Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP)  Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Külpmann, Prof. Kurt Hildebrand; Hochschule Luzern – Technik & Architektur, Abteilung Gebäudetechnik
Rüdiger Külpmann, Hochschule Luzern, Technik & Architektur: „Geregelte Luftionisierung zur Erzielung von elektrisch wieder leitfähiger Luft ist eine wichtige Ergänzung für ein gesundes Raumklima und sollte damit eine neue Behaglichkeitskenngröße werden.“
Info

Außenluftmengenreduzierung und Raumluftqualität

Energetische Optimierungen von Gebäuden führen in der Regel zur Minimierung der Außenluftmenge. Für die Raumluftqualität entstehen dadurch Nachteile. Die Folge: Steigende Feinstaub- bzw. Schadstoffbelastungen und das Einatmen von Staub am Arbeitsplatz sind immer noch eine der Hauptursachen für berufsbedingte Atemwegserkrankungen. Die Europäische Stiftung für Allergieforschung (ECARF) plädiert daher für eine Grundlagenstudie zu Allergien in Deutschland.

Ebenso beschreibt der Bericht des Arbeitsmedizinischen Kolloquium 2018 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) eine Zunahme. Demnach sind 357 allergische Atemwegserkrankungen aus dem Jahr 2016 als anerkannte Berufskrankheit (BK) aufgenommen worden. Die Ergebnisse einer Untersuchung [2] durch die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene aus dem Jahr 2014 warnte ebenfalls vor einer Zunahme von Infektionen durch mangelhafte Hygieneprozesse in Kliniken. Demnach sei von jährlich 900.000 Infektionen bundesweit und 30.000 bis 40.000 Todesfällen auszugehen. Am häufigsten seien bei den Betroffenen Atemwegs- und Harnwegs­infekte, aber auch Wundinfektionen oder Sepsis aufgetreten. Auslöser könnten ebenso eingebrachte Keime von Patienten oder Besuchern sein.

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