Die Wärmewende braucht mehr Tempo

Solare Basis für Wärmenetze

In einer straff geplanten Bustour konnten sich Medienvertreter Anfang September 2018 über Berliner Wärmenetzprojekte und aktuelle Entwicklungen in der Hauptstadt informieren.

Die Agentur für erneuerbare Energien hatte dazu in Ko­ope­ra­tion mit Solites, Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme und dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie kürzlich gestarteten Fördervorhaben „Solnet 4.0“ [1] zur Marktbereitung für solare Wärmenetze“ eingeladen.

Die Wärmeproduktion beansprucht in Deutschland mehr als die Hälfte des Energiebedarfs. Schon deshalb sei der verstärkte Ausbau erneuerbarer Energien zum Heizen, für Warmwasser und in der Industrie ein Schlüssel für den Erfolg der Energie- und Wärmewende. Für diesen Ausbau der erneuerbaren Energien bieten sich nicht zuletzt in deutschen Großstädten die Wärmenetze an. Sie ermöglichen es, Erneuerbare Energien, Ef­fi­zienz­technologien und Verfahren zur Sektorenkopplung effizient, kostengünstig und zukunftsfähig zu integrieren.

Wie der Umstieg auf dezentral genutzte Erneuerbare Energien in Strukturen, die oft noch immer von Großkraftwerken geprägt sind, funktionieren kann, zeigten beispielhaft einige Berliner Lösungsansätze.


Mehr Wärmeproduktion durch Solarthermie

Dirk Mangold, Institutsleiter Steinbeis Forschungsinstitut Solites, will mit Unterstützung des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Vorhabens „Solnet 4.0“ die Marktbereitung für solare Wärmenetze vorantreiben. Bereits auf den ersten Kilometern der Busfahrt verwies er auf die Notwendigkeit des Ausbaus solarer Wärmenetze als erneuerbare Wärmelösung für Kommunen in Stadt und Land. Ebenso sei die Reduzierung des Wärmebedarfs durch Gebäudesanierung auf dem Weg zur Wärmewende voranzutreiben, so Mangold. Um die Marktbereitung im Bereich solarer Wärmenetze weiter zu fördern, adressiert das Vorhaben „Solnet 4.0“ Hemmnisse und Chancen bei der Umsetzung und Realisierung solarer Wärme­netze. Beispiele für zentrale, noch bestehende Hemmnisse seien die Verfügbarkeit von Freiflächen und damit verbundene Rechtsfragen, Vorbehalte seitens der Unternehmen der Wärme- und Wohnungswirtschaft und fehlende Geschäftsmodelle, mangelnde Bekanntheit sowie öffentliche Wahrnehmung der Technologie.


Wärme vom Dach und aus dem Wald

Angestrebt werden eine Effizienzsteigerung und höhere Anteile an erneuerbaren Energien bei der Wärmeversorgung. Mit der Schaffung einer Plattform für erneuerbare Energien und Ef­fi­zienz­tech­no­lo­gien sollen Wärmenetze aus dem Mix von Biomasseheizwerke, KWK, Solarthermie, Geothermie, lndustrieabwärme, Power-to-Heat, Wärmespeicher und Wärmemanagement auch unter Betrachtung der Flächen­effizienz vernetzt werden.

Diesem Ansatz folgt auch die Berliner Solarthermieanlage von Vattenfall und Arcon-Sunmark. Thomas Jänicke-Klingenberg, Handlungsbevollmächtigter Business Area Heat Vattenfall, nutzt die bis dahin ungenutzte Freifläche von 2.200 m² auf dem Vattenfallgelände hinter dem Heizkraftwerk Köpenick. Am Energiestandort speisen 1.058 m² Solarkollektorfläche und ein Biomethan-BHKW eine jährliche Wärmeproduktion von 75.000.000 kWh in das lokale Vattenfall Wärmenetz. Etwa 10.000 Haushalte in Berlin und Köpenick können an das Wärme­netz andocken.

„Das Köpenicker Projekt ist einzigartig“, erklärt Ole Dalby, Geschäftsführer Arcon-Sunmark A/S, Dänemark. „Der städtische Standort allein ist etwas Besonderes, und das Solarwärmesystem ist kompakt und effektiv, so dass die Leistung maximal und die Kosten minimal sind. Berlin und Vattenfall gehen mit einem guten Beispiel voran, das für andere ein Vorbild sein wird, und im Laufe weniger Jahre werden ähnliche Solarwärmesysteme in Großstädten weltweit ein bekanntes Phänomen sein“, beschreibt Dalby, seine Erwartungen.


Energiewende: nicht ohne Wärmewende

Ebenfalls in Köpenick angesiedelt hat der KBB Kollektorbau in den letzten Jahren mit eigenen Entwicklungen und Forschungsarbeiten eine internationale Reputation aufgebaut. „Um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, mussten auch eigene Maschinen entwickelt werden“, berichtet Geschäftsführer Stephan Fintelmann.

„Die Energiewende ist bisher eine Stromwende“, gibt er die einseitige Wahrnehmung der Verbraucher wieder. Mit einem Kollektorwirkungsgrad von bis zu 80 % und einer Systemeffizienz von bis zu 50 % kann der Wärmebedarf durch hochentwickelte Solarthermie effizienter abgedeckt werden.

Seine Kollektoren sind international in Graz, Singapur, aber auch in Châteaubriant in der Region Pay de la Loire im Einsatz. Mit 2.500 m² „K5 Giga+“-Kollektoren aus seinem Haus werden 900 MWh/a solare Ertragsgarantie gegeben. Mit einem Kollektorfeld von 1.100 m² soll ab Herbst 2018 die Stadtwerke Radolfzell eine sommerliche Vollversorgung auf solarer Basis realisieren.

Das Fernwärmeverbundprojekt Adlershof stellte Andreas Reinholz, BTB Blockheizkraftwerks- Träger- und Betreibergesellschaft mbH Berlin, vor. Mit der Besichtigung des Solarthermieprojekts am Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort in Adlershof endete die Bustour. Die Berliner Wohnungsbaugesellschaft Howoge zeigte auf, wie Wärmenetzbetreiber und Wohnungswirtschaft kooperieren können. Die mit Ritter Solar realisierte 620 m² mit Heizungswasser geführte Anlage versorgt fünf Wohngebäude. Überschüsse werden wieder in das BTB-Netz eingespeist.


Quellen

[1] Fördervorhaben Solnet 4.0: Marktbereitung für solare Wärmenetze www.solare-waermenetze.deLaufzeit: 1. August 2017 bis 31. Dezember 2019 [2] Bei ca. 15 % solarem Deckungsanteil am jährlichen Gesamtwärmebedarf, Quelle: Steinbeis Forschungsinstitut Solites
Info

Ausbauziele der Solarthermie

Bis zum Jahr 2050 soll die Wärmeproduktion etwa rund 80 TWh/a in Deutschland betragen, so die Planung zum Ausbaupfad für solare Wärmenetze des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Bei einem angenommen mittelfristigen Solarthermieanteil von 15 % an der Wärmeerzeugung wären dann etwa 12 TWh/a, dies entspricht etwa einer Kollektorfläche von 30 Mio. m² bzw. einer Leistung von 21 GWth, zu realisieren.

Soll der Ausbau gelingen, müssten demnach bis 2050 etwa 1 Mio. m² bzw. 0,7 GWth pro Jahr neu installiert werden. Für die bundesweit notwendigen 30 Mio. m² wären etwa 60 km² Landfläche bzw. Aufstellfläche notwendig. Im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien wie Biomasse und Photovoltaik weist die Solarthemie je m² Boden mit etwa 200 bis 250 kWh/a [2] die effektivste Flächeneffizienz auf.

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