Stufenweise Beauftragung
Welche Version der HOAI gilt?Beim zeitlichen Übergang zu einer neuen HOAI stellt sich für Architekten und Ingenieure die interessante Frage, ob sie von der meist damit einhergehenden „Tariferhöhung“auch bei laufenden Projekten profitieren können. Der BGH hat das für den heute häufig vorkommenden Fall einer stufenweise Beauftragung bejaht, wenn eine Stufe erst nach dem Übergangsstichtag der neuen HOAI abgerufen bzw. endgültig beauftragt worden ist.
Leitsatz
Wird ein Architekt oder Fachplaner stufenweise beauftragt, so kommt die HOAI zur Anwendung, die bei endgültiger Beauftragung der jeweiligen Stufe in Kraft ist.
Sachverhalt
Ein Wasser- und Schifffahrtsamt beauftragt Architekten mit der Planung für ein neues Dienstgebäude. Der Auftrag wird so erteilt, dass zunächst die Leistungsphasen 1 bis 4 („Phase 1“) mit Vertragsabschluss am 26. Mai 2009 auszuführen sind. Die späteren Leistungsphasen 5 bis 8 („Phase 2“) werden optional beauftragt, d.h. die Behörde kann sich noch entscheiden, ob diese Leistungsphasen tatsächlich zur Ausführung kommen; die Architekten verpflichten sich, diese Leistungen auszuführen, wenn sie ihnen innerhalb von 24 Monaten nach Fertigstellung seiner Leistungen der „Phase 1“ übertragen werden. Am 18. August 2009 tritt eine neue HOAI in Kraft. Erst wesentlich danach überträgt die Behörde die Leistungen der „Phase 2“ an die Architekten. Diese verlangen als Honorar in den Leistungsphasen 5 bis 8 die Mindestsätze, wie sie sich aus den Tabellenwerten für die neue HOAI ergeben.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 18. Dezember 2014 (Az. VII ZR 350/131) gibt der Klage der Architekten statt. Es handelt sich rechtlich hinsichtlich der Leistungen der „Phase 2“ um ein bindendes Angebot der Architekten, welches von der Behörde zu einem späteren Zeitpunkt angenommen werden kann. Der Wortlaut der Übergangsregelungen § 55 HOAI 2009 stellt darauf ab, wann die Leistungen vertraglich vereinbart wurden. Damit ist das Zustandekommen des Vertrages gemeint und nicht schon die Honorarabrede für eine spätere Beauftragung.
Kommentar
Der Fall zeigt exemplarisch den Umgang mit den zeitlichen Übergang zwischen verschiedenen Versionen der HOAI auf. Besonders bei der Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand sind solche stufenweisen Beauftragungen inzwischen die Norm. Aus Sicht des Steuerzahlers völlig zu recht, denn dann muss man die Architekten nicht teuer entschädigen, falls das Projekt nicht durchgeführt werden kann. Der Nachteil ist, dass man die Preise aus der Zeit des Vertragsschlusses dann nicht „einfrieren“ kann.
Auf den Übergang zwischen der HOAI 2009 und der HOAI 2013 können die Ausführungen des BGH ohne weiteres übertragen werden. Sie gelten auch für die anderen Leistungsbilder der HOAI, z. B. für die Fachplanerleistungen der TGA.
Ganz so leicht, wie es sich manche Ingenieurbüros nach Bekanntwerden der Entscheidung vorstellen, ist es nicht. Es kann nicht einfach statt der alten Tabelle die neue Tabelle herangezogen werden und ansonsten nach den bisherigen Vertragsgrundlagen verfahren werden. Zunächst erfolgte vielmehr im Grundvertrag durchaus eine verbindliche Honorarabrede auch zu den später optional abzurufenden Leistungen. Durch die geänderte HOAI ändert sich lediglich die Bezugsgröße, um eine etwaige Mindestsatzunterschreitung festzustellen. Man muss Folgendes tun: Man ermittelt das im Vertrag vereinbarte Honorar. Dann vergleicht man dieses Honorar mit dem Mindesthonorar nach der neuen HOAI. Unterschreitet das vereinbarte Honorar die Mindestsätze, ist es entsprechend aufzustocken; ansonsten ist es beizubehalten. Wird in der neuen HOAI ein Leistungsbild z. B. aus der Preisbindung herausgenommen, gilt insoweit das zuvor vereinbarte Honorar auf Basis der alten HOAI weiter. Eine weitere Abgrenzung ist vorzunehmen: Allein dadurch, dass sich die Erbringung der Leistungen bis in einen Zeitraum hinzieht, der nach dem Inkrafttreten der neuen HOAI liegt, ändert sich am vereinbarten Honorar selbstverständlich nichts. Es kommt nach den zuletzt üblichen Übergangsvorschriften nicht auf die Leistungserbringung an, sondern auf den Zeitpunkt des verbindlichen Vertragsschlusses für diese jeweiligen Leistungen. Man kann aber selbstverständlich, falls beide Parteien das wollen, bei einem absehbaren Inkrafttreten einer neuen HOAI vereinbaren, dass die bis zum Stichtag geleisteten Tätigkeiten nach der alten HOAI und die ab diesem Stichtag geleisteten Tätigkeiten nach der neuen HOAI vergütet werden. Ob eine solche Vereinbarung auch in einem Formularvertrag des Architekten oder Ingenieurs vorgesehen werden kann, ist eine noch ungeklärte Frage.
Kanzlei Schlünder Rechtsanwälte
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