Interview mit Lukas Verlage, Geschäftsführer Colt GmbH

Umweltschutz durch technologischen Fortschritt

tab: Colt und Umweltschutz – was fällt Ihnen spontan als erstes hierbei ein?

Lukas Verlage: Kermit der Frosch! Die bekannte Figur aus der Muppet Show war vor rund 15 Jahren ein Anzeigenmotiv von Colt. „Wir sind schon immer grün“ war damals die Aussage in der Werbung und auch unser Credo. Umweltschutz ist bei Colt also kein Thema, mit dem wir uns erst beschäftigen, seit das Thema Klimawandel so prominent in aller Munde ist – das ist seit jeher gelebte Firmenpolitik. Wir können als Beleg hierfür auch noch weiter zurückblicken: Schon in der 1970er Jahren hat Colt das „Sparbuch für Unternehmer“ veröffentlicht, in dem unseren Kunden Tipps zur Ener­gie­einsparung im Gebäude gegeben wurden. 

Damals wie heute ist es unser Anliegen, unseren Kunden zu zeigen, dass Umweltschutz vor allem durch technologischen Fortschritt zu erreichen ist. Das gelingt uns tagtäglich mit den eigenen Produkten; wir beteiligen uns aber auch an Projekten, die eher Leuchtturmcharakter haben und mit denen wir nicht unbedingt Geld verdienen müssen. Ein Beispiel, bei dem wir als Projektpartner ein Denkmal dafür gesetzt haben, was technisch alles möglich ist, ist der „Smog Free Tower“ des niederländischen Künstlers und Öko-Visionärs Daan Roose-gaarde. Dabei handelt es sich um eine Entwicklung, die das Potential hat, das Leben und die Gesundheit der Menschen in smoggeplagten Metropolen entscheidend zu verbessern. Die Konstruktion, deren Prototyp in Rotterdam steht, saugt Luft an und reinigt sie mithilfe einer speziellen Filtertechnologie von gesundheitsgefährdendem Feinstaub. Colt International realisierte das geforderte Design und lieferte die Lamellentechnik für das Projekt.

tab: Dazu passt sicher auch das aufsehenerregende und im wahrsten Sinne des Wortes grüne Gebäude auf der Internationalen Bauausstellung (IBA) in Hamburg 2013, bei dem Colt Projektpartner war. Was ist daraus geworden?

Lukas Verlage: Sie meinen sicher das „BIQ“-Gebäude. Das hat damals wirklich für sehr großes Aufsehen gesorgt. Das Kürzel „BIQ“ steht bei dem fünfgeschossigen Passivhaus für „Bio-intelligentes“ Gebäude. In vertikalen Glaslamellen, die in die Fassaden mit südlicher Ausrichtung integriert sind, werden Mikroalgen gezüchtet, die durch Photosynthese und Solarthermie Biomasse und Wärme produzieren. Über Tag fungieren die Reaktoren wie solarthermische Absorber, durch den Lichteinfall heizen sie sich auf. Im Haustechnikraum wird die Wärme über einen Wärmetauscher abgeleitet und anschließend gespeichert oder unmittelbar zur Brauchwasser­erwär­mung genutzt. Die Temperatur wird über eine angeschlossene Wärmepumpe gesteuert; neben der Warmwasseraufbereitung kann es auch für die Raum- bzw. Luftheizung genutzt werden.

Die entstehende Biomasse wird mit einem Algenabscheider „geerntet“, der Mikroalgen und Kulturmedium trennt: Die Algenbiomasse wird in einem Behälter gesammelt, während das Kulturmedium zurück in den Kreislauf geführt wird. Die Algenbiomasse wiederum wird in einer Kon­ver­sions­appa­ratur zu Methan umgewandelt. Das Biogas wird ins öffentliche Gasnetz eingespeist oder kann für gasbetriebene Autos bzw. BHKW genutzt werden.

Die Algenfassade ist nach wie vor in Betrieb; das „BIQ“-Gebäude ist jedoch leider ein Exot geblieben. Wir wollten aber den Beweis antreten, dass es funktioniert – und das tut es! Man müsste jedoch, um über den Prototypstatus hinauszukommen, noch mehr Entwicklungsarbeit investieren, vor allem, um die Steuerung zu optimieren. Es wäre toll, wenn es hier noch weitergehen würde. Wir müssen nämlich das Gebäude und auch die Gebäudehülle noch in viel stärkerem Maße als bisher als Energielieferant und -speicher nutzen, um die Klimaschutzziele zu erreichen. 


tab: Welche Möglichkeiten haben Sie in diesem Zusammenhang vor allem im Blick?


Lukas Verlage: Die meisten denken dabei leider nur an Photovoltaikanlagen auf dem Dach und vergessen die Möglichkeiten von in die Fassade integrierten PV-Modulen. Hier steckt noch viel Potential drin – vor allem im städtischen Umfeld. Und nur wenige haben thermische Speichermöglichkeiten auf dem Schirm. Trink-, Betriebs- und Heizungswasserspeicher, Eisspeicher aber auch Speicher mit Phasenwechselmaterialien müssten viel stärker zum Einsatz kommen. 

Was man bei der Betrachtung der Gebäudehülle auf keinen Fall vergessen sollte, ist die Verschattung. Die Vermeidung direkter Sonneneinstrahlung ist als Blendschutz zunächst natürlich ein Komfortaspekt. Fast noch wichtiger aber ist die Reduzierung des Eintrags von Wärmelasten, weil man so die Aufheizung des Gebäudes und damit auch die Energie für die Klimatisierung reduzieren kann. Im Bereich Sonnenschutz ist Colt ein Vorreiter, was die Entwicklung innovativer Systeme betrifft. Und wir koppeln sogar mehrere Funktionen in einem System. 

Ein Beispiel hierfür ist die EWE-Arena in Oldenburg. Dort haben wir erfolgreich unter Beweis gestellt, dass Energieeinsparung vor allem eins ist: ingenieurtechnisches Know-how. 

Bei der Mehrzweckhalle in Oldenburg „umkreist“ ein sechs Meter hoher Wandschirm mit integrierten PV-Modulen die Glasfassade. Der Wandschirm folgt dem Sonnenstand, so dass die PV-Module von der Sonne immer direkt angestrahlt werden und somit den besten Ertrag liefern. Gleichzeitig sorgt der Schirm für optimalen Blendschutz, während ansonsten das natürliche Tageslicht ungehindert einfallen kann. Nur 3 % des durch die PV-Anlage erzeugten Stroms wird für den Antrieb des Wandschirms benötigt, der Rest wird ertragbringend ins Stromnetz eingespeist – ein tolles Projekt! 

tab: Sie erwähnten anfangs, dass Colt auch mit den eigenen Produkten zum Klimaschutz beiträgt. Welche sind das im Besonderen?

Lukas Verlage: Neben den bereits genannten möchte ich vor allem die „CoolStream“-Serie herausstellen. Der „CoolStream“ ist ein natürliches Kühl- und Lüftungssystem, das nach dem Prinzip der adiabatischen Verdunstung arbeitet. Die Lufttemperatur wird dabei mithilfe von verdunstetem Wasser abgekühlt. 

Adiabatische Kühlung ist eine effiziente und effektive Alternative zu konventioneller Klimatisierung, besonders in Lager- und Produktionsstätten, welche ansonsten allein durch ihre Größe nicht kostenbewusst klimatisiert werden können. Hier können wir schon auf etliche erfolgreiche Referenzen verweisen. Unser Top-Ergebnis war eine Halle, in der wir bei 44 °C Außentemperatur in der Halle auf 26 °C gekommen sind – nur mit Wasser als Kühlmedium!

Der „CoolStream“ arbeitet mit gewöhnlichem Trinkwasser. Zum Schutz vor Verkalkung wird das Wasser regelmäßig gewechselt – dies geschieht im Hintergrund, womit die volle Kühlung weiterhin gewährleistet ist. Wassergekühlten Klimasystemen gehört die Zukunft – davon bin ich überzeugt. Sie sind zwar etwas träger als andere Klimasysteme und nicht in fünf Minuten auf Temperatur, mit der richtigen Steuer- und Regeltechnik lässt sich das aber ohne Probleme in den Griff bekommen.

Dafür sind sie effizienter und haben keine direkten Treibhausgasemissionen, wie z.B. kompressorbetriebene Klimaanlagen mit halogenierten Kohlenwasserstoffen als Kältemitteln. Planer und Betreiber müssen nur umdenken und Klimatechnik als echte Planungsaufgabe verstehen.

tab: Mal abgesehen von den energieeffizienten Produkten aus Ihrem Haus – mit welchen Maßnahmen trägt Colt im eigenen Unternehmen zum Klimaschutz bei?

Lukas Verlage: Umweltschutz ist bei uns, wie anfangs bereits erwähnt, schon seit Jahrzehnten ein wichtiges Thema. Wir haben bereits an zahlreichen Stellschrauben gedreht, um unseren eigenen CO2-Fußabdruck so klein wie möglich zu halten. Alle Maßnahmen aufzuzählen, würde sicher den Rahmen des Interviews sprengen. Aber einige Beispiele sollen unsere Ansätze in diesem Zusammenhang verdeutlichen:

- Schon seit über 30 Jahren setzen wir recyceltes Aluminium in der Produktion ein. 
- Wir haben in den Büros und der Fertigung überall auf LED-Beleuchtung umgestellt. 
- Innerhalb der letzten zwölf Monate haben wir – mit entsprechender Unterstützung durch den Arbeitgeber – schon 25 % unserer Mitarbeiter dazu bewegen können, beim Weg zur Arbeit auf Elektrofahrräder umzusteigen.
- Wir haben unsere Auszubildenden im Haus losgeschickt, um Energieeinsparpotentiale zu entdecken. Das war sehr spannend, weil die jungen Leute mit einem unvoreingenommenen und wachen Blick unterwegs waren und auf ganz neue Ideen gekommen sind.
- Dann haben wir natürlich die Colt-Produkte auch im eigenen Haus eingebaut und das Gebäude verschattet.

Unsere Bemühungen werden übrigens auch von allerhöchster Stelle gewürdigt. So wurden wir in diesem Jahr als einer von wenigen Industrievertretern zur „Woche der Umwelt“ ins Schloss Bellevue eingeladen. 

Die „Woche der Umwelt“ ist eine Fachmesse für innovative Umweltschutztechnologien und -projekte, die vom Bundespräsidenten in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt ausgerichtet wird. Darauf sind wir wirklich stolz. (Anmerkung der Redaktion: Das Interview fand zu einem Zeitpunkt statt, als die Verschiebung der Veranstaltung auf 2021 durch die Coronavirus-Epidemie noch nicht bekannt war.)

tab: Herr Verlage, herzlichen Dank für die interessanten Einblicke in die Projekte für Klimaschutz in Ihrem Unternehmen.

Info

Das Unternehmen Colt

Die Firma Colt ist Spezialist für Lüftungs-, Heizungs-, Klima­technik, vorbeugenden Brandschutz, Sonnenschutz und Tageslichttechnik. Im Gespräch mit der tab-Redaktion zeigt Colt-Geschäftsführer Lukas Verlage auf, wie es in der Gebäudetechnik gelingen kann, Anlagennutzen, Ökologie und Betriebskostenreduzierung buchstäblich unter Dach und Fach zu bringen.

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