Urlaubsrecht – BAG folgt fragwürdigerEntscheidung des EuGH
Sind Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum erkrankt, stellt sich regelmäßig die Frage nach der Gewährung des Urlaubs, der während der Langzeiterkrankung vom Arbeitnehmer nicht genommen werden konnte. Aufgrund der gesetzlichen Regelungen wurde bis zum 31. März des Folgejahres nicht genommener Urlaub auch bei andauernder Langzeiterkrankung nicht mehr berücksichtigt.
Nunmehr hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 20. Januar 2009 entschieden, dass Urlaub nur dann am 31. März des Folgejahres verfallen darf, wenn der Arbeitnehmer auch tatsächlich die Möglichkeit hatte, diesen Urlaub zu nehmen. Wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraumes oder eines Teiles davon krankgeschrieben war und die Arbeitsunfähigkeit bei Ablauf des Übertragungszeitraumes am 31. März fortbesteht, ist nach Auffassung des EuGH ein Verfall des Urlaubs nicht mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie vereinbar.
Die EuGH-Entscheidung ist mit Sinn und Zweck des gemeinschaftsrechtlichen Mindesturlaubs kaum in Einklang zu bringen.
Der Gerichtshof hat zwar recht, dass der Mindesturlaub der Gesundheit des Arbeitnehmers dadurch dienen soll, dass dieser über tatsächliche Ruhezeiten verfügen kann. Warum das aber einem Erlöschen des Urlaubs- und erst recht des Urlaubsabgeltungsanspruchs bei dauerhafter Krankheit während des Urlaubsjahres bzw. bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums entgegenstehen sollte, ist nicht nachvollziehbar. Eine tatsächliche Überbeanspruchung des Arbeitnehmers durch die Arbeit und eine daraus resultierende Beeinträchtigung seiner Gesundheit ist wegen der Abwesenheit von der Arbeit ohnehin nicht zu befürchten.
Das BAG ist nunmehr mit Urteil vom 24. März 2009 (Az.: 9 AZR 983/07) der lebensfremden europäischen Urlaubsrechtssprechung gefolgt.
Dies bedeutet im Ergebnis, dass Urlaubsansprüche im Verhältnis zu privaten Arbeitgebern auch dann nicht verfallen, wenn sie wegen Krankheit im Jahre ihres Entstehens und auch während des Übertragungszeitraums nicht genommen bzw. geltend gemacht werden konnten. Dies bedeutet im Ergebnis, dass, wenn ein Arbeitnehmer beispielsweise drei Jahre lang dauerhaft krank ist, der Arbeitnehmer bei einer Genesung einen „Resturlaubsanspruch“ von mindestens zwölf Wochen – neben seinem neuen Urlaubsanspruch – hat. Falls der Arbeitnehmer ausscheidet, hat er einen entsprechend hohen Urlaubsabgeltungsanspruch.
Personalpolitisch wird die Entscheidung bewirken, dass insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen, die bisher aufgrund sozialer Rücksichtnahme darauf verzichtet haben, Dauerkranken zu kündigen, dazu übergehen werden, sich früher von solchen Mitarbeitern zu trennen als bisher. Die hohen Kosten des Urlaubsabgeltungsanspruchs könnten eine solche Kündigung in der Regel auch rechtfertigen. Ob das vom Gerichtshof bzw. BGH gewollt war?