Wärme aus der Grundwasserreinigung
Ökologische und wirtschaftliche ChancenInnovative Konzepte zur Wärmeerzeugung sind für die Wärmewende im eng bebauten urbanen Raum notwendig. Dieser Artikel zeigt mögliche Synergien durch eine thermische Nutzung von Grundwasser aus Grundwasserreinigungsanlagen in Berlin und die resultierenden ökologischen und wirtschaftlichen Chancen.
Das Grundwasser im Berliner Untergrund birgt ein enormes energetisches Potential. Durch Wärmepumpen kann es zu Zwecken der Wärmeversorgung nutzbar gemacht werden und so eine klimafreundliche Wärmequelle darstellen. Für die Erschließung müssen jedoch zunächst Brunnen, Leitungen, Pumpen und teilweise auch Wasseraufbereitungsanlagen gebaut werden. Dies alles erfordert entsprechende Investitionen und Betriebsaufwand und beinhaltet ein – geringes – Restrisiko im Hinblick auf tatsächlich erzielbare Fördermengen und Grundwasserbeschaffenheit.
Es gibt allerdings Standorte an denen Grundwasser bereits gefördert und sogar vorgereinigt wird und an der Oberfläche gesichert verfügbar ist: Anlagen zur Reinigung von belastetem Grundwasser. Könnten hier Wärmenutzungskonzepte ähnlich etabliert werden, wie z. B. mittlerweile im öffentlichen Abwassersystem? Vor diesem Hintergrund untersucht das Ingenieurbüro Team für Technik nach positiven Erfahrungen mit einer bereits umgesetzten Anlage in München [1] das Potential solcher Anlagen für die Berliner Gegebenheiten. Hierzu entstand u.a. eine Masterarbeit [2]. Das Prinzip dabei ist einfach: Wasser aus bestehenden Grundwasserreinigungsanlagen (GWRA) wird nach der Reinigung zusätzlich thermisch genutzt, als Wärmquelle für eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe, die wiederum Verbraucher mit Wärme versorgt.
Altlastensanierung in Berlin
Die nachhaltige Beseitigung schädlicher Bodenverunreinigungen ist neben der Gefahrenabwehr im Hinblick auf den Trinkwasserschutz und zur Sicherung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse ein Schwerpunktthema des Umweltschutzes in Berlin.
Die erfolgreiche Sanierung von Boden und Grundwasser stellt die Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser sicher und gewährleistet eine dauerhafte Verfügbarkeit der Flächen zur Nutzung für Gewerbe, Industrie, Wohnungsbau oder Naherholungsraum. Somit tragen die Aktivitäten der Altlastensanierung auch zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung bei.
Durch die Industrialisierung seit Mitte des 19. Jahrhunderts – Berlin war einmal eine der größten Industriestädte Europas – existieren eine Vielzahl ehemaliger Gewerbe- und Industriestandorte sowie Altablagerungen, auf denen im Laufe der Zeit durch den unsachgemäßen Umgang mit umweltgefährdenden Stoffen, Havarien und/oder Kriegseinwirkungen zum Teil erhebliche Boden- und Grundwasserverunreinigungen stattgefunden haben.
Derzeit sind im Land Berlin 11.128 schädliche Bodenveränderungen, Verdachtsflächen, Altlasten oder altlastenverdächtige Flächen (Stand Februar 2020) im Bodenbelastungskataster erfasst. Darunter befinden sich 9.436 Branchenstandorte und 1.692 Sonstige Flächen. Diese verteilen sich auf Altablagerungen, Unfälle und Abwasserverwertungsflächen.
Schwerpunkte der Altlastensanierung der letzten Jahrzehnte in Berlin waren zum einen Maßnahmen zur akuten Gefahrenabwehr zum Schutz der Trinkwasserversorgung und zum anderen Sanierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Baumaßnahmen für Gewerbe- und Industrieansiedlungen. Im Rahmen des Freistellungsverfahrens nach Umweltrahmengesetz – und hier insbesondere im ökologischen Großprojekt „Industriegebiet Spree“ Berlin (Stadtbezirke Treptow-Köpenick und Lichtenberg) – können beide Ziele auf ideale Weise miteinander verbunden werden.
Vorrangige Ziele sind auch zukünftig:
Messprogramme im Grundwasser.
Die Kosten für eine Altlastenerkundung und -sanierung sind zum Teil erheblich. In der Regel muss der Verursacher bzw. Grundstückseigentümer die Kosten derartiger Maßnahmen tragen. Eine Ausnahme bildet das Freistellungsverfahren, bei dem der Bund und das Land Berlin den Großteil der Finanzierung übernehmen. Ein weiterer Sonderfall sind Gefahrenabwehrmaßnahmen, zu denen kein Sanierungspflichtiger herangezogen werden kann, sei es auf Grund unzureichender Liquidität oder weil die Ursache der Kontamination nicht bekannt ist. In diesen Fällen werden mit Haushaltsmitteln des Landes Ersatzvornahmen durchgeführt.
Im Schwerpunktprojekt der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, Referat II C „Bodenschutz, Boden-, Altlasten- und Grundwassersanierung“, dem Ökologischen Großprojekt „Industriegebiet Spree“ Berlin sind in den letzten 25 Jahren ca. 30 Grundwasserreinigungsanlagen errichtet worden, von denen zwischenzeitlich 20 Anlagen aufgrund von erfolgreichen Sanierungen rückgebaut werden konnten. Bis Ende 2020 wurden knapp ca. 200 Mio. m³ Grundwasser gefördert, gereinigt und primär in die Vorflut eingeleitet. Die Förder- und Reinigungsleistungen der aktuell in Betrieb befindlichen Anlagen belaufen sich auf insgesamt ca. 940 m3/h. Für Gefahrenabwehrmaßnahmen der Senatsverwaltung insgesamt wird mit einem Reinigungsbedarf von rund 10 Mio. m3 an kontaminierten Grundwässern pro Jahr kalkuliert.
Die Reinigung von Grundwasser wird in Berlin mit erheblichem technischem Aufwand, je nach zu reinigenden Schadstoffspektrum betrieben.
Für die Grundwasserreinigung kommen in den meisten Fällen Verfahren zum Einsatz, bei denen kontaminiertes Grundwasser an die Oberfläche gepumpt wird, um in Reinigungsanlagen die Schadstoffe zu entfernen. Danach wird das Wasser in den Untergrund reinfiltriert, in die Regenwasserkanalisation oder in Oberflächengewässer eingeleitet.
Das gereinigte Wasser ist damit direkt zugänglich. Hier ist der erwähnte wesentliche Unterschied zu üblichen Grundwassernutzungen erkennbar. Die Anlagen zur Grundwasserförderung sind bereits genehmigt und gebaut. Für das Wasser sind Fördermenge und Beschaffenheit bekannt. Außerdem ist das Reinwasser von einigen Stoffen befreit, die für Anlagenteile schädlich sein können.
Für Grundwassereigenschaften wie in Berlin – mit erhöhtem Eisen- oder Mangangehalt – gilt zusätzlich: Um mögliche verockerungsbedingte Zusetzungen in der Brunnenanlage aufgrund erhöhter Eisen- oder Mangankonzentrationen im Grundwasser kümmert sich ggf. schon der GWRA-Betreiber im Rahmen seiner Reinigungs- und Regenerationsprozesse. Diesbezügliche Maßnahmen sind ggf. als „Sowieso-Maßnahmen“ der GWRA unabhängig von der Wärmepumpe und belastet deren Betrieb nicht wirtschaftlich. (Am Wärmetauscher kann unter bestimmten Bedingungen möglicherweise zusätzlich Verockerung auftreten. Dort ist sie allerdings wesentlich einfacher handhabbar als im Brunnenrohr.)
Technische und rechtliche Umsetzbarkeit
Die Idee, Grundwasser aus GWRA für Wärmepumpen zu nutzen ist gar nicht so neu. Es gibt in Deutschland bereits umgesetzte Projekte. In Bild 1 ist das Prinzip erklärt: Das Wasser aus der GWRA wird der Wärmepumpe (WP) zugeführt, gibt hier seine Wärme ab und wird anschließend in ein Oberflächengewässer oder einen Schluckbrunnen eingeleitet. Die Wärmepumpe beheizt dann nahegelegene Gebäude.
Aus technischer Sicht steht dem Vorhaben, bis auf die oben erwähnte Thematik der Wasserqualität, nichts im Wege. Die Wärmepumpentechnologie ist – innerhalb geeigneter Temperaturbereiche – ausgereift und kann individuell auf standortspezifische Parameter ausgelegt werden.
Die Nutzung von Grundwasser ist rechtlich betrachtet aus gutem Grund ein sensibles Thema. Hier soll Grundwasser für den Betrieb von Wärmepumpen ausgekühlt werden – ein Eingriff in seine Temperatur. Ob und in welchem Rahmen diese Nutzung in Berlin gestattet ist, ist natürlich entscheidend für die Umsetzbarkeit. Hier ergibt sich eine Herausforderung: Da ein solches Projekt in Berlin bisher nicht umgesetzt wurde, gibt es noch keine etablierte Handhabung in der Verwaltungspraxis. Um dennoch eine vorläufige Aussage über die genehmigungsrechtliche Umsetzbarkeit zu ermöglichen, wurden zunächst die Vorgaben für die Nutzung von Geothermie in Berlin – z.B. zur zulässigen Auskühlung – herangezogen. Mögliche rechtliche Vorteile für GWRA-Wärmepumpen sind dabei berücksichtigt: Beispielsweise kann in Trinkwasserschutzgebieten die Nachrüstung von Wärmepumpen zu bestehenden GWRA zulässig sein, während dies Wärmepumpen mit eigener Grundwasserförderung oder Erdsonden nicht sind. Auf dieser Basis wurden mögliche Anforderungen mit der zuständigen Behörde diskutiert. Auf Basis der ersten Diskussionsergebnisse scheint eine weitere Genehmigung über die bestehende der GWRA hinaus nicht erforderlich zu sein. Allerdings ist diese Aussage noch vorläufig, so dass die zuständigen Behörden immer frühzeitig ins Projekt eingebunden werden sollten.
Eine Fallstudie in Berlin
Um das Konzept zu konkretisieren, wurde für eine reale GWRA im Berliner Stadtteil Niederschöneweide eine Fallstudie erarbeitet. Die Studie untersucht die Möglichkeit, zwei in der Nähe der GWRA in Planung befindliche Gebäude durch Wärmepumpen zu beheizen. Dabei soll das Reinwasser aus der GWRA als Wärmequelle für zwei Wärmepumpen dienen.
In den geplanten Gebäuden sind aus technischen Gründen zwei verschiedene Übergabetechnologien für die Beheizung mit jeweils unterschiedlichen Vorlauftemperaturen vorgesehen: Im Hochtemperaturkreis 70 °C, im Niedertemperaturkreis 40 °C. Aus diesem Grund wurden zwei Heizkreise mit unterschiedlichen Temperaturniveaus und dazu passend zwei Wärmepumpen mit jeweils etwa 190 kW Heizleistung ausgelegt. Ein Absicherungskonzept, z.B. für die Rückspülzeiten der GWRA, wurde erstellt.
Der Heizwärmebedarf der beiden Gebäude beläuft sich auf ca. 700 MWh jährlich. Die benötigte Energie der Wärmepumpen wurde mit Wetterdaten eines Testreferenzjahres im Zusammenhang mit den Anlagenkennwerten für jede Stunde eines Jahres ermittelt (Bild 2).
Diese ersten Berechnungen ergeben, dass GWRA und Wärmepumpen den Bedarf decken können. Der größte Anteil (587 MWh) wird dabei dem Grundwasser entzogen. Außerdem werden 114 MWh bzw. 19 MWh elektrische Energie für den Betrieb der Wärmepumpen bzw. Grundwasserpumpen benötigt. Die Wärmepumpe, die den Heizkreis mit der niedrigeren Vorlauftemperatur versorgt, erreicht danach eine Jahresarbeitszahl von 6,0, die zweite Wärmepumpe eine JAZ von 4,7.
Das Konzept wurde in einem Variantenvergleich einer Beheizung durch Fernwärme gegenübergestellt (Bild 3). Hierbei wurden Kosten und CO2-Emissionen betrachtet.
Der Vergleich zeigt, dass die Gesamtkosten über 20 Jahre bei beiden Varianten in der Fallstudie ähnlich sind. Allerdings setzen sich die Kosten unterschiedlich zusammen: Bei der Versorgung durch Fernwärme entfällt der größte Teil der Kosten auf die Energiebezugskosten, die Investition ist eher gering. Bei der Verwendung von Wärmepumpen sind die Investitionen höher. Die thermische Energie aus dem Grundwasser steht allerdings kostenfrei zur Verfügung. Deshalb fallen im Betrieb lediglich Stromkosten an.
Bei Berücksichtigung des während der Projektlaufzeit aktuellen Förderprogramms „Heizen mit Erneuerbaren Energien“ des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mit Fördersätzen bis zu 35 % waren die Gesamtkosten der GWRA-Wärmepumpe in der Fallstudie über 20 Jahre deutlich niedriger als die der Fernwärmeversorgung. Dieses Förderprogramm ist mittlerweile ausgelaufen. Aktuelle Förderprogramme können je nach individueller Situation ähnlich oder noch wirtschaftlicher sein.
Ein Vorteil der Nutzung von Wärmepumpen ergibt sich außerdem im Hinblick auf die CO2-Emissionen. Im betrachteten Fall ergeben sich bei der Beheizung durch Fernwärme jährliche Emissionen in Höhe von über 90 t CO2. Bei der Nutzung der GWRA-Wärmepumpen fallen lediglich 53 t CO2 pro Jahr an – eine Einsparung von 40 % (Bild 4). Die thermische Nutzung von Grundwasser aus der GWRA könnte somit Ihren Teil zur Erreichung der Klimaziele von Berlin beitragen und zusätzlich auch noch ein wenig der Erwärmung des Grundwassers entgegenwirken.
Ein Exkurs: Die Fallstudie vergleicht die GWRA-Wärmepumpe mit einer Fernwärmeversorgung. Aber welche Einsparungen sind eigentlich gegenüber einer regulären Grundwasser-Wärmepumpe möglich? Zur Orientierung ein Beispiel: Für ein Wärmepumpenprojekt in Hessen mit 600 kW Leistung wurden Grundwassererschließungskosten von gut 200.000 € netto ermittelt. Für Eisen- und Manganausfällung – in Berlin häufig erforderlich – wären ggf. zusätzlich 80.000 € erforderlich.
Potential in Berlin
Welche Schlüsse lassen sich daraus für Berlin ziehen? Im Projekt wurden weitere Anlagen in Berlin identifiziert, die für eine thermische Nutzung geeignet sind. Hierfür sind drei Kriterien maßgeblich:
In Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Umwelt Verkehr und Klimaschutz, die einen großen Teil der Reinigungsprojekte in Berlin beauftragt, wurden bislang 18 Standorte identifiziert, die unter den o.g. Kriterien grundsätzlich in eine engere Auswahl kommen. Allein diese Anlagen haben unter den Ansätzen der Fallstudie eine theoretische Heizleistung von 6,6 MW. Darunter befinden sich einige vielversprechende Standorte für ein Pilotprojekt.
Ausblick auf weitere Potentiale
An einigen dieser Standorte werden im Reinigungsprozess ausgetriebene flüchtige Stoffe einer katalytischen Oxidationsstufe zugeführt. Auf Temperaturniveaus weit im dreistelligen Grad-Celsius-Bereich werden dabei die ausgetriebenen Gase oxidiert. Die dabei freigesetzte Wärme kann bei geeigneten Rahmenbedingungen zusätzlich genutzt werden: Je nach Temperaturniveau, Abgasvolumenstrom und räumlicher Situation kann diese zusätzliche Hochtemperaturwärmequelle ökologisch und wirtschaftlich interessant sein.
Fazit
Die Untersuchung zeigt, dass die Nutzung von thermischer Energie aus Grundwasser aus GWRA in Verbindung mit Wärmepumpen in Berlin umsetzbar ist. Unter den richtigen Voraussetzungen können Gebäude oder andere Wärmeabnehmer ganzjährig versorgt werden. Der Vergleich zeigt, dass die Gesamtkosten unter guten Bedingungen niedriger sein können als die einer Fernwärmeversorgung. Ökologisch betrachtet sind die Wärmepumpen in der betrachteten Fallstudie im Vorteil, da die CO2-Emissionen deutlich geringer ausfallen. Außerdem kann die thermische Nutzung der Erwärmung des Grundwassers, bzw. der Oberflächengewässer ein wenig entgegenwirken und damit ein Beitrag zur langfristigen Sicherstellung der Grundwasserqualität und Ökologie der betroffenen Oberflächengewässer in Berlin leisten.
Im Vergleich zu herkömmlichen Grundwasserwärmepumpenanlagen haben GWRA-Wärmepumpen an geeigneten Standorten mehrere Vorteile, hier nochmals zusammengefasst:
Bei den richtigen Voraussetzungen am Standort einer GWRA lohnt es sich also, eine Wärmeauskopplung zu prüfen.
Quellen
[1] Michael Piller, Maximilian Walch, Tiago Fischer de Avellar Pereira: Gesamtkälteverbund in München – Erweiterung und Anpassung der Kälteerzeugung in tab 12/2020, //bit.ly/2WDI1a3:https://bit.ly/2WDI1a3 [2] Schneble, Niklas: Energetische Nutzung von Grundwasser aus Grundwasserreinigungsanlagen; Masterarbeit, TH Köln; Berlin, 2020