Zeitreise durch die Entwässerungstechnik
Die Entwässerungstechnik erhält als Teil der Technischen Gebäudeausrüstung oft weniger Aufmerksamkeit als andere Bereiche. Man braucht eine Heizung, damit es in den Häusern warm ist, Trinkwasser, um zu waschen, duschen und kochen und Frischluft, damit es in den Häusern auch an warmen Tagen behaglich ist und Strom, ohne den keine elektrischen Geräte funktionieren. Wie wichtig die Entwässerung ist, merkt der Nutzer meist erst dann, wenn Wasser im Keller steht. Dabei gibt es Unternehmen, die sich seit langer Zeit für die Entwässerung einsetzen. Die Kessel AG ist in diesem Bereich bereits seit 50 Jahren aktiv; mit Erfolg wie Alexander Kessel im Gespräch mit der tab-Redaktion berichtet.
tab: Herr Kessel, zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zum Firmenjubiläum. War der Erfolg Ihres Unternehmens in einem nicht gerade im Blickfeld des Interesses stehenden Segments wie der Entwässerungstechnik vor 50 Jahren abzusehen?
Alexander Kessel: Vor 50 Jahren haben wir ja nicht direkt mit der Entwässerungstechnik begonnen. Zunächst hat mein Onkel, Bernhard Kessel, einen Werkzeugbau aufgebaut und wenig später dann auch erste Kunststoffteile produziert. Darunter waren dann auch Reinigungsrohre, die an große Rohrhersteller geliefert wurden. Bernhard Kessel hat diese dann weiter entwickelt und mit einer Rückstauklappe ausgestattet. Das war der erste Schritt in Richtung Entwässerungstechnik. Das Erfolgsrezept damals war der neue Werkstoff Kunststoff. Nach und nach stellte Kessel Teile, die es zuvor nur aus Guss gegeben hatte, aus Kunststoff her. Diese waren für den Verarbeiter wesentlich leichter zu handhaben und einfacher einzubauen. Generell standen immer der leichte Einbau, die einfache Wartung und die Funktionalität unserer Produkte im Vordergrund. Wir haben uns immer als Problemlöser und starken Partner der Handwerker verstanden, daraus ist auch unser Produkt-Baukastensystem hervorgegangen.
tab: Das Thema Entwässerung umfasst einen weiten Bereich. Welche Bereiche sind besonders interessant oder wichtig? Wo müsste insbesondere bei den Planern noch Fachwissen vermittelt werden?
Alexander Kessel: Für uns spielen natürlich vor allem die Bereiche der Entwässerung eine wesentliche Rolle, in denen wir mit unseren Produkten vertreten sind. So natürlich auch unsere größte Produktgruppe, die Abläufe. Dabei spielt das Thema Barrierefreiheit eine immer wichtigere Rolle. Hier gibt es vor allem im Bereich Verbundabdichtungen noch häufig Aufklärungsbedarf bei Planern. Deshalb sind wir auch in den entsprechenden Arbeitskreisen aktiv und haben an der Erstellung eines neuen Leitfadens mitgearbeitet.
Unsere zweitgrößte Produktgruppe sind Rückstauverschlüsse. Hier werden in Zukunft sicher Hybridlösungen wie unsere Rückstauhebeanlage „Ecolift“ eine noch wichtigere Rolle spielen. Denn immer noch werden häufig Hebeanlagen eingebaut, obwohl Gefälle zum Kanal besteht. Der „Ecolift“ nutzt im Normalbetrieb das natürliche Gefälle zum Kanal und entsorgt nur bei Rückstau mittels Druckleitung über die Rückstauebene. Damit ist er wesentlich stromsparender als eine herkömmliche Hebeanlage.
Für Gebäude, bei denen kein Gefälle zum Kanal vorhanden ist, sind Hebeanlagen natürlich auch in Zukunft die einzige Lösung. Mit unseren neuen XL-Hebeanlagen haben wir uns deshalb auch in dieser Produktsparte weiterentwickelt und bieten jetzt auch Anlagen für den Gewerbebereich an.
tab: Wo besteht noch technischer Nachholbedarf? Gibt es besondere Problembereiche in der Entwässerung?
Alexander Kessel: Ja, es gibt tatsächlich noch viele Felder, in denen wir forschen. Und auch in den nächsten Jahren werden wir Produkte und Lösungen anbieten.
tab: Ihr Unternehmenssitz ist in Lenting bei Ingolstadt. Wie wichtig ist Ihnen der Standort Deutschland?
Alexander Kessel: Als Arbeitgeber am Standort Deutschland, aber vor allem hier in Lenting und Kösching, übernehmen wir Verantwortung für die Region und unsere Mitarbeiter. Außerdem hat sich gezeigt, dass die Produktion in Deutschland besser und gewinnbringender ist. Daher produziert Kessel weiterhin in Lenting. Hier bilden wir auch seit 30 Jahren in jedem Jahr rund 15 neue Auszubildende in insgesamt elf Berufen aus. So können wir aktiv dem Fachkräftemangel im eigenen Land entgegenwirken und den Standort für uns und andere Unternehmen dauerhaft attraktiv machen.
tab: Lassen Sie uns eine kleinen Ausblick in die Zukunft wagen? Wo wird die Entwässerungstechnik in 50 Jahren stehen? Welche Ziele haben Sie sich für Ihr Unternehmen gesetzt?
Alexander Kessel: Das Thema Entwässerungstechnik wird auch in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen und vermutlich sogar noch weiter an Bedeutung gewinnen.
In Anbetracht der schweren Überschwemmungen in diesem Jahr und der immer häufiger werdenden starken Regenfälle wird der Rückstauschutz für viele Bauherren in Zukunft unerlässlich. Die technische Entwicklung in der Entwässerungstechnik war in den letzten Jahrzehnten enorm dynamisch, sowohl was den Werkstoff als auch die Technologie angeht. Früher waren die meisten Produkte noch aus Guss oder Beton und jetzt hat sich Kunststoff in allen Bereichen als Werkstoff etabliert. Heute wird bereits wieder an neuen Materialien gearbeitet. So haben wir vor wenigen Jahren beispielsweise den neuen Hochleistungsverbundwerkstoff Ecoguss entwickelt.
Auch ökologische Aspekte werden in der Entwässerungstechnik der Zukunft sicher eine wichtige Rolle spielen. In Anbetracht der steigenden Energiekosten werden stromsparende Produkte sicher noch stärker nachgefragt.
tab: Herr Kessel, vielen Dank für das Interview und Ihre Einschätzungen zum Entwässerungsmarkt.