Potenziale der Tiefengeothermie erforschen

Fraunhofer IEG baut Reallabor für Geothermie im Rheinischen Revier

Mit dem Kohleausstieg gilt es, gleichermaßen neue Wärmequellen für Kommunen und Industrie zu erschließen, als auch den Strukturwandel in den Kohleregionen zu gestalten. Das „Fraunhofer Reallabor für Geothermie, Geotechnologien und Georessourcen - Geo³“ schafft nach eigenen Angaben beides, in dem es in der Städteregion Aachen eine europaweit einzigartige Forschungsinfrastruktur entwickelt. Dies soll das Potenzial der Tiefengeothermie Nordrhein-Westfalens erforschen, indem es an dieser Infrastruktur die Entwicklung innovativer Energietechnologien für die Wärmewende ermöglicht. Aus den Mitteln des Kohleausstieges fördern der Bund und das Land NRW das Projekt der Fraunhofer Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geotechnologien (IEG) mit rund 52 Mio. €.

Mit den nun ausgestellten Bewilligungsbescheiden geht das Projekt Fraunhofer Reallabor von der Planungs- in die Umsetzungsphase. Ziel ist es, eine große Forschungsinfrastruktur für Geothermie zu schaffen, die europaweit einmalig ist. Dazu ist geplant, einerseits den Untergrund in der Städteregion Aachen in den nächsten vier Jahren großflächig geophysikalisch zu charakterisieren und andererseits mit zwei Bohrungen in der Tiefe zu erkunden. Zudem baut die Fraunhofer IEG als zugehörige obertägige Infrastruktur in Weisweiler ein Technikum als Forschungszentrum für Georessourcen und Dekarbonisierung.

Untergrund charakterisieren

Für ein besseres Verständnis der geologischen Situation im tiefen Untergrund möchte die Fraunhofer IEG u. a. das südliche Rheinland mehrere Kilometer tief mit Schallwellen erkunden, ähnlich dem Echolot aus der Seefahrt oder dem Ultraschall in der Medizin. Dazu bringt das Reallabor im Bereich zwischen dem Aachener Autobahnkreuz und Düren für kurze Zeit Messwagen und empfindliche Mikrofone in einer sogenannten „Seismischen Exploration“ zum Einsatz und testet auch neue Erkundungsmethoden für die speziell tiefen Untergrundverhältnisse in ehemaligen Kohleregionen. Die Daten dieser bildgebenden Verfahren verknüpft es mit jenen aus tiefen Erkundungsbohrungen. Diese sollen die thermalwasserführenden Gesteinsschichten in mehreren Kilometern Tiefe für wissenschaftliche Untersuchungen erschließen und wertvolle Informationen etwa über Gesteinsarten, Porosität, Wasserdurchlässigkeit und natürliche Wasservorkommen liefern.

Über Tage – Innovationen für Industrie

Als Bestandteil des Fraunhofer Reallabors entsteht am Standort des Braunkohlekraftwerks Weisweiler ein Technikum als Forschungszentrum für angewandte Georessourcen und Dekarbonisierung. Dort laufen schließlich alle gesammelten Informationen zum Untergrund zusammen. Bereits heute ist in Weisweiler ein Teil des geplanten geophysikalischen Observatoriums in Betrieb, welches die natürliche Seismizität des Untergrunds im südlichen Rheinland wissenschaftlich beobachtet. Das Technikum dient auch als Entwicklungsplattform für Geotechnologien zur klimafreundlichen Energieversorgung. Die Forschungsthemen sollen Aspekte der Anlagentechnik zur Dekarbonisierung von Industrie und Kommunen sein: von Aggregaten zur geothermalen Strom-, Wärme- und Kälteerzeugung, über die Nutzung des Untergrunds als Energiespeicher bis hin zu CO2-armen Betriebsstrategien. So sollen für den flächendeckenden Einsatz marktgerechte, skalierbare und einfach auf neue Standorte übertragbare Technologien entstehen.

Die Fraunhofer IEG will zusammen mit seinen Partnern aus Forschung und Industrie so Innovationen in die europäischen Strukturwandelregionen bringen und die Transformation ‚vom Kohle- zum Wärmebergbau‘ ermöglichen. Die neue Forschungsinfrastruktur steht für weitere Partner der Wissenschaft und auch den Akteuren der Wirtschaft und Kommunen zur Verfügung. Neben der Entwicklung neuer Technologien soll sie perspektivisch auch der Aus- und Weiterbildung von benötigten Fachkräften im Bereich der geothermischen Energiesysteme dienen.

NRW-Masterplan Geothermie

Für das Land Nordrhein-Westfalen ist das Projekt ein wichtiger Schritt im Rahmen der Umsetzung des Masterplans Geothermie. Das Fraunhofer Reallabor kann entscheidend zum Hochlauf der Geothermie in NRW beitragen. Die seismischen Messungen und Tiefbohrungen sollen wichtige Grundlagendaten für anschließende Projekte durch Wärmeversorger liefern. Die Erkenntnisse zu den geologischen Verhältnissen werden als Rohdaten kostenfrei zur Verfügung gestellt und in Form von Leitfäden und Workshops erläutert. Bei positiven Erkundungsergebnissen besteht für die Menschen, Kommunen und Unternehmen in der Region in einigen Jahren die Möglichkeit einer kostengünstigen und regionalen Wärmequelle – Erdwärme.

Tiefengeothermie

Tiefengeothermie nutzt heißes Thermalwasser aus der Tiefe, um etwa Fernwärme und Prozesswärme bereitzustellen. Von klimafreundlicher Energie aus thermalwasserführenden Schichten können viele Anwendungen profitieren, etwa kommunale Wärmenetze, Gewächshäuser oder die Chemieindustrie – aber auch Betriebe der Zucker und Nahrungsmittelherstellung, der Holz und Papierverarbeitung sowie die Metall, Zement und Bauindustrie. In den Metropolen München und Paris tragen bereits heute Geothermie Heizwerke zur kommunalen Wärmeversorgung bei; In den Niederlanden und Belgien versorgen sie Fernwärmesysteme und Gewächshäuser mit Prozesswärme. Die Erdwärme steht nach Bekunden des Fraunhofer Instituts ganzjährig und verlässlich zur Verfügung: sie ist nachhaltig, bezahlbar sowie wetterunabhängig, krisensicher, importunabhängig und nahezu unerschöpflich. Auch hat sie den geringsten Flächenbedarf unter den erneuerbaren Technologien. Diese Wärmequelle gilt es, auch für Nordrhein-Westfalen und andere europäische Regionen zu entwickeln.

Über das „Fraunhofer Reallabor für Geothermie, Geotechnologien und Georessourcen - Geo³“

Die Forschungsplattform »Fraunhofer Reallabor für Geothermie, Geotechnologien und Georessourcen - Geo³« dient der wissenschaftlichen Untersuchung von hydrothermaler Geothermie im Rheinland durch zunächst zwei tiefe Forschungsbohrungen und großflächige geophysikalische Erkundung des Untergrundes in Verbindung mit einem stationären Observatorium in Weisweiler. Mit dem Technikum in Weisweiler entsteht ein Forschungszentrum für Georessourcen und Dekarbonisierung, welches angewandte Forschung zum Untergrund verknüpft mit innovativen Methoden und Energietechnik für die ökonomische, ökologische und sozial nachhaltige Transformation der Kohleregion. Betrieben wird das Reallabor von der Fraunhofer IEG. Assoziierte Partner sind der Energieversorger RWE Power AG, die Aachener Stadtwerke STAWAG sowie die RWTH Aachen und die Ruhr-Universität Bochum.

Das Fraunhofer Reallabor wird in drei Bausteinen finanziert: Über das STARK-Programm fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die personellen und nicht-investiven Maßnahmen mit rund 8,15 Mio. €; weitere 0,815 Mio. € trägt das Land NRW, um den Transformationsprozess in den Kohleregionen zu unterstützen, wie es im Kohleausstieg von 2019 vom Bundestag beschlossen wurde.

Über eine Zuwendung des Landes NRW gemäß dem Investitionsgesetz Kohleregionen (InvKG) erhält das Projekt 36,54 Mio. € für die investiven Maßnahmen zu geophysikalischen Messungen, Forschungsbohrungen und deren infrastrukturelle Anbindung. Die Finanzierung nach InvKG teilt sich auf in einen Bundesanteil (29,6 Mio. €) und einen Landesanteil (6,94 Mio. €).

Für den Aufbau des Technikums in Weisweiler kommen rund 6,5 Mio. € aus der gemeinsamen Förderung der Fraunhofer-Gesellschaft durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW (50 % / 50 %) hinzu. So ergibt sich eine Gesamtförderung von 52,005 Mio. € für die geplante Projektlaufzeit von 4 Jahren.

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