„Aufzüge sind eine zentrale Schnittstelle im Ökosystem Smart City“

Interview zu den Anforderungen wachsender Städte
Prognosen der Vereinten Nationen zufolge werden in den kommenden Jahrzehnten nahezu 60 % der Weltbevölkerung in Städten leben (zum Vergleich: Heute sind es „nur“ 50 %). Dies stellt Städte vor neue, wechselseitig voneinander abhängige Herausforderungen, die nicht zuletzt die Komplexität von Planungsentscheidungen erhöhen. Für die Städte von morgen bedeutet dies mehr hohe Gebäude, die sich zudem in „Smart Citys“ neu erfinden müssen. In intelligenten Städten verschmelzen die physische und die digitale Welt mittels IoT (Internet of Things)-basierter Technologien und ermöglichen so neue Lösungen, die oftmals sofortige Vorteile bieten. Da „smart“ heute mehr denn je auch „nachhaltig“ bedeutet, muss die „Smart City“ Digitalisierung, Inklusion und Effizienz – allem voran Umwelteffizienz – miteinander verbinden. Eine Branche, die von dieser Transformation nicht nur betroffen ist, sondern sie aktiv mitgestalten will, ist die Aufzugindustrie. Wir haben mit Udo Hoffmann, Central Europe Market Group Leader bei Otis, gesprochen.
tab: Herr Hoffmann, welchen Beitrag kann die Aufzugsindustrie zu den „Smart Citys“ von morgen leisten?

Udo Hoffmann: Aufzüge und Fahrtreppen befördern nicht nur Personen und Güter, sondern generieren auch Millionen von Datenpunkten. Der Mehrwert dieser Daten reicht weit über den Aufzugsschacht hinaus. Sie werden eine zunehmend wichtigere Rolle dabei spielen, Städte und Gebäude effizienter und intelligenter zu machen. Davon sind wir bei Otis überzeugt und arbeiten seit Jahren gemeinsam mit Kunden und Fahrgästen an Innovationen, um diese Entwicklung voranzutreiben.

tab: Können Sie uns erläutern, wie Sie das konkret machen?

Udo Hoffmann: Ganz einfach: indem wir unsere Produkte und Services permanent weiterentwickeln und konsequent vernetzen. Ausgestattet mit Sensoren, Kameras und IoT-Infrastruktur eröffnen Aufzüge eine neue Dimension. In unseren neuesten Modellen sind diese Technologien bereits ab Werk integriert, viele bestehende Anlagen lassen sich entsprechend nachrüsten.

Die Ressource Zeit wird immer kostbarer, Vernetzung macht uns schneller: durch vorausschauende Wartung, Realtime-Informationen zum Zustand unserer Aufzüge und digitalen Tools, die wir unseren Monteurinnen und Monteuren an die Hand geben. So können wir beispielsweise zunehmend aus der Ferne auf stehendende Anlagen zugreifen – zum Vorteil der Fahrgäste, denn der Aufzug ist schneller wieder verfügbar.

Wir werden künftig auch immer häufiger präventiv eingreifen können, noch bevor es zu einer Störung kommt. Dabei werden wir auf Vorhersageszenarien auf Basis von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen zurückgreifen. Fortschrittliche Technologien sind nur eine Seite der Medaille. Es braucht auch das Know-how unseres Teams, um zu Warnmeldungen korrekt zu interpretieren, relevante Szenarien zu definieren, notwendige Zugriffe zu programmieren und Programmierschnittstellen (APIs) zu entwickeln. So lassen sich Aufzüge zudem in Gebäudemanagement-Systeme integrieren oder mit Service-Robotern verbinden.

tab: Ziel von „Smart Citys“ ist es, die Lebensqualität der Bewohner zu verbessern, Abläufe effizienter zu machen und die Qualität ihrer Dienstleistungen nachhaltig zu verbessern. Welche Rolle können Aufzüge dabei spielen?

Udo Hoffmann: Um wirklich nachhaltig zu sein, müssen Innovationen langfristig nutzbar sein und die Auswirkungen auf die Umwelt minimieren. Wir als Aufzugshersteller können dazu beitragen, weil unsere Produkte eine Schnittstelle im Ökosystem ‚Smart City‘ darstellen. So kann die Analyse von Aufzugsdaten auch für weitere Akteure in der Stadt der Zukunft von Nutzen sein. Dazu zwei Beispiele: Eine Anwendung könnte in nicht allzu ferner Zukunft die Analyse von Fahrgastströmen in Aufzügen sein, vor allem in dicht besiedelten Geschäftsvierteln. Mithilfe solcher Analysen ließen sich beispielsweise das Verkehrsaufkommen auf den Straßen und die Auslastung öffentlicher Verkehrsmittel in Echtzeit besser vorhersagen. Als zweites Beispiel: Wie wäre es, wenn eine Person mit eingeschränkter Mobilität ihren gesamten Weg durch die Stadt barrierefrei planen könnte? Indem auf ihrem Smartphone alle Aufzüge, Fahrtreppen und Fahrsteige sowie alle weiteren Verkehrsmittel in der gesamten Stadt angezeigt werden?

tab: Was ist notwendig, damit all das – und mehr – in der Stadt der Zukunft Realität wird?

Udo Hoffmann: Dafür brauchen wir die Kreativität und Innovationskraft aller Beteiligten. Wir müssen dazu bereit sein, neue Partnerschaften einzugehen, über angestammte Branchengrenzen hinaus. Ich bin überzeugt: Mit vereinten Kräften werden wir unsere Städte noch leichter und besser zugänglich machen und damit für alle Bewohner noch lebens- und liebeswerter. Bei Otis sind wir bereit, Sie in der Stadt der Zukunft noch smarter von A nach B zu bringen – im Aufzug und darüber hinaus. Und wir werden diesen Weg konsequent weiter gehen.

tab: Wie unterstützen Sie die Fachplaner der technischen Gebäudeausrüstung in den Planungsabläufen für die Gebäudeautomation – und wie die technische Gebäudeverwaltung im Betrieb?

Udo Hoffmann: Wir begleiten die technische und technologische Entwicklung in der Baubranche seit Jahrzehnten und haben über die Jahre zahlreiche smarte Lösungen sowohl für die Planungs- als auch für Betriebsphase entwickelt. Speziell an Planer und Architekten richtet sich das Online-Tool ‚Otis Create‘. Damit lassen sich Planungsdateien erstellen, die auf das jeweilige Bauvorhaben zugeschnitten sind, anstatt auf vorhandene Konfigurationen zurückzugreifen. Diese Zeichnungen lassen sich dann in die Gesamtplanung des Gebäudes integrieren. Im Betrieb können Gebäudeverwalter mit unserer browserbasierten Software ‚EMS PanoramaTM‘ wesentliche Aufzugsfunktionen in Echtzeit überwachen, steuern und verwalten.

tab: An welchen Punkten erfolgt heute schon die Einbindung der Aufzugstechnik in „Smart Buildings“?

Udo Hoffmann: Schon jetzt profitieren Fahrgäste beispielsweise von unserer Zielwahlsteuerung ‚CompassTM‘: Sie weist ihnen in Abhängigkeit vom Fahrtziel denjenigen Aufzug zu, der sie am schnellsten auf die gewünschte Etage bringt. Die ‚SmartGrouping™‘-Technologie sorgt insbesondere in stark frequentierten Gebäuden für einen optimalen Verkehrsfluss und verkürzt die Warte- und Fahrzeiten im Vergleich zu herkömmlichen Systemen um die Hälfte. Mit der ‚Otis eCall™‘-App können Fahrgäste den Aufzug direkt von ihrem Smartphone aus rufen. Während der Fahrt ermöglichen vernetzte Displays in der Kabine die Interaktion mit den Fahrgästen: In Zusammenarbeit mit Content-Anbietern lassen sich personalisierte Inhalte – vom Wetterbericht, über den Börsenkurs bis hin zu Veranstaltungstipps – einspielen. Die Aufzugsfahrt wird so kurzweiliger und informativer.

Diese Beispiele zeigen: Die Integration moderner Aufzüge in Gebäude hat bereits begonnen – mithilfe von IoT wird das zweifelsohne noch zunehmen. Wir werden Aufzugsdaten sammeln, die wir vor allem für drei Zwecke nutzen: Erstens die Entwicklung von Leistungsszenarien, zweitens unsere Forschung und Entwicklung. Du drittens, lassen sich die Daten mittels APIs gemeinsam nutzen: indem sie in Managementsysteme auf Gebäude- oder sogar Stadtteile integriert werden.

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