Der Architekt als Rückversicherer der Sonderfachleute?
Das aktuelle BaurechtsurteilBauen wird immer komplizierter und erfordert zunehmend Spezialwissen. Der Architekt als Generalist verlässt sich in der Baupraxis oft auf die eingeschalteten Sonderfachleute. Dabei kann er für deren Fehler haften. Die folgenden Entscheidungen zeigen, dass der Pflichtenkreis des Architekten immer weitergezogen wird. Der Architekt muss vielleicht nicht schlauer sein als die Sonderfachleute, aber stets „mitdenken“. Tut er dies nicht, läuft er Gefahr, – ggf. neben den Sonderfachleuten – in die Haftung genommen zu werden.
Zu den Entscheidungen
Dr. Ingo Schmidt
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Bild: medlay, Jörg Kersten
Das OLG Saarbrücken hat in einer aktuellen Entscheidung (Urteil 27. Januar 2021, 2 U 39/20) gemeint, dass ein Architekt bei der konstruktiven Gebäudeplanung auch die Anforderungen an den Brandschutz berücksichtigen muss; die Einschaltung eines Sonderfachmanns für den Brandschutz durch den Auftraggeber entbinde den Architekten nicht von der Pflicht, sich darüber zu vergewissern, ob der Sonderfachmann entsprechend den örtlichen Gegebenheiten zutreffende bautechnische Vorgaben gemacht habe. Komme der Architekt dieser Pflicht nicht nach und erkenne er infolgedessen eine Unvollständigkeit des Brandschutzkonzepts nicht, könne er sich in Bezug auf einen hieraus resultierenden Schaden nicht auf ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Auftraggebers auf Grund einer Zurechnung des Verschuldens des Sonderfachmanns für den Brandschutz berufen.
Das OLG Frankfurt hat in einer Entscheidung vom 10. November 2015, 15 U 82/15 (der Bundesgerichtshof hat die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) den Architekten für einen ungeeigneten Mörtel (mit)haften lassen, den ein Sonderfachmann, der mit Planung und Erstellung eines Sanierungskonzepts einschließlich der Entwicklung eines Mörtels beauftragt war.
Das OLG Hamm hat in einem Beschluss vom 16. März 2021, 24 U 101/20 festgehalten, dass ein bauüberwachender Architekt den Fachplaner bei der Bauüberwachung überwachen müsse. Dort ging es um das Ineinandersetzen von KG-Rohren in Muffenverbindungen, spezielle Ansaugrohre. Das Verlegen sei zwar eine handwerkliche Selbstverständlichkeit; allerdings könne eine fehlerhafte Verlegung zu gesundheitsgefährdenden Verschmutzungen führen, weshalb ein Architekt in der Leistungsphase 8 im Rahmen seiner Koordinierungspflicht nachprüfen müssen, ob der Fachplaner seinen Pflichten zur Bauüberwachung tatsächlich nachgekommen sei.
Ähnlich hat das OLG Frankfurt unter dem 5. Juli 2021, 29 U 110/20 entschieden, wenn es ausführt, dass der Architekt den Fachplaner fragen müsse, ob dieser die Dichtigkeit von Bodeneinläufen und deren ordnungsgemäßen Einbau tatsächlich geprüft habe. Dies schlussfolgert das OLG Frankfurt aus der Koordinierungspflicht des Architekten, in deren Rahmen sich ein Architekt davon überzeugen muss, dass die Sonderfachleute ordnungsgemäß gearbeitet haben.
Anmerkung
Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an die Architekten stellt, werden zunehmend strenger. Richtig ist, dass der bauleitende Architekt im Schnittstellenbereich verschiedener Gewerke tätig ist. Von ihm zu verlangen, die Sonderfachleute (z.B. TGA-Planer) daraufhin zu überprüfen, ob diese ihren Pflichten nachgekommen sind, wird kritisiert – damit werde der Architekt letztlich zum „Oberüberwacher“. Ob eine solche „Überwachungspflicht“ wirklich aus der Koordinierungspflicht des Architekten folgt, wird letztlich der Bundesgerichtshof klären müssen.
Natürlich kommen die Sonderfachleute, für deren Fehler der Architekt verantwortlich gemacht wird, so nicht einfach aus der Nummer raus. Dass der Architekt mithaftet, ändert ja nichts daran, dass im Pflichtenkreis der Sonderfachleute Fehler passiert sind. Der in die Haftung genommene Architekt bzw. dessen regulierender Berufshaftpflichtversicherer wird – sollte der Fehler des Sonderfachmanns nicht schon dem geschädigten Auftraggeber im Wege des Mitverschuldenseinwands entgegengehalten werden können – daraufhin den Sonderfachmann in Regress nehmen; denn im Innenverhältnis dürfte der Sonderfachmann überwiegend für den Schaden verantwortlich sein, weshalb er den Schaden überwiegend zu erstatten hat. Daneben haftet auch noch der ausführende Werkunternehmer, wenn er den Fehler mit zu vertreten hat, oder wenn er z.B. gegen einen Planungsfehler keine Bedenken angemeldet hat. Wenn aber am Ende mehrere Beteiligte für einen Schaden verantwortlich gemacht werden können, sind jahrelange (Haftungs- und Regress-)Prozesse mit wechselseitig ausgebrachten Streitverkündungen vorgezeichnet. Dies ist die Konsequenz einer Ausweitung der Haftung der am Bau Beteiligten.
Info
Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
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