Energieplanung KI-basiert erstellen

Berechnungssoftware bringt neuen Praxis-Ansatz

In der modernen Energiesystemplanung ist die frühe Projektphase von entscheidender Bedeutung. Hier wird die Basis für die nachhaltige Nutzung und den langfristigen Betrieb des Gebäudes über die kommenden Jahrzehnte geschaffen. Die KI-basierte Energieberechnungssoftware „berta & rudi“ bringt hier einen neuen Ansatz, der intelligente Technologien für maßgeschneiderte Energiekonzepte nutzt.

Die Anforderungen an Energiesysteme sind so vielfältig wie nie zuvor: Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit, Flexibilität und die Unabhängigkeit von schwankenden Märkten stehen oft gleichzeitig im Fokus. Die große Auswahl an Technologien – von Wärmepumpen und Photovoltaik bis hin zu Fernwärme und Speichern macht die Planung komplex. Hinzu kommen Faktoren wie Gesetzes­änderungen, Berichtspflichten, und volatile Energiepreise, die die Planungsarbeit zusätzlich erschweren.

Bereits in der Anfangsphase scheitern deshalb viele Projekte an scheinbar simplen, jedoch schwer zu beantwortenden Fragen:

Wie hoch ist der Energiebedarf eines Gebäudes tatsächlich?

Lohnt sich der Einsatz erneuerbarer Energien wie einer PV-Anlage oder einer Wärmepumpe?

Sind bestehende Energieerzeuger langfristig nutzbar?

Wie können Energiekonzepte für zukünftige Flächenerweiterungen flexibel gestaltet werden?

Umdenken in der Planung

Diese Komplexität erfordert ein Umdenken in der Planung. Standardlösungen reichen oft nicht mehr aus; stattdessen müssen individuelle Konzepte entwickelt werden, die auf die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Liegenschaft zugeschnitten sind. Die Software „berta & rudi“ will hier die Energiesystemplanung revolutionieren, indem sie schnelle, fundierte und individuelle Konzepte liefert. Dabei ergänzen sich die beiden Algorithmen:

„berta“ erstellt präzise Energieprognosen mithilfe von künstlicher Intelligenz.

„rudi“ nutzt numerische Optimierungsverfahren, um auf Basis der Lastprofile energetisch optimierte Lösungen und konkrete Vorschläge zu generieren.

Mit nur wenigen Eingaben und in vier Schritten liefert die Software Ergebnisse in verschiedenen Varianten für jegliche Art von Gebäuden. Auch Sanierungsprojekte können mit „berta & rudi“ gerechnet werden. Dabei wird stets der Dialog zwischen Software und Planer in den Vordergrund gestellt, sodass Lösungen jederzeit iterativ verbessert werden können.

Praxisbeispiel Krankenhaus

Die Arbeitsweise der Software wird besonders deutlich, wenn man die Anwendung anhand einer konkreten Energieberechnung betrachtet. Als Beispiel dient im Folgenden die Planung eines Energiekonzepts für ein Krankenhaus. In vier Schritten soll das System Entscheidungen ermöglichen zu finden, die nachfolgend beispielhaft erläutert werden.

1. Verortung und Objektbeschreibung

Die Energieprognose erfolgt auf Basis weniger Informationen zum Gebäude, zur Liegenschaft oder zum Quartier, wie Standortadresse, Nutzfläche, Nutzungsart und Bauart des Gebäudes. Energieprognosen für Gebäude sind immer dann erforderlich, wenn eine unzureichende Datengrundlage vorliegt – etwa wenn hochauflösende Informationen zum Stromverbrauch bereits vorliegen, vergleichbare Daten für Kälte, Wärme oder Dampf jedoch noch fehlen. In diesem Fall wird ein Krankenhaus mit einer Grundstücksfläche von 50.000 m2 am Standort Berlin berechnet.

Durch die Angabe des Standorts Berlin werden lokale Einflüsse wie Wetter- und Klimadaten – etwa Strahlung, Feuchtigkeit, Windgeschwindigkeiten und Temperaturen – automatisch in die Berechnungen integriert, um präzise und realitätsnahe Ergebnisse zu gewährleisten. Die ermittelten Bedarfe am Standort werden anschließend übersichtlich sowohl in Tabellen als auch in Diagrammen präsentiert.  Sollten bereits Wetterdaten (bspw. aus einer eigenen Wetterstation) vorliegen, können diese zur weiteren Berechnung importiert werden.

Zunächst wird ein neues Gebäude angelegt und ein Nutzungstyp – im Beispiel ein Krankenhaus – ausgewählt. Anschließend werden das Baujahr, die bebaute Fläche sowie die Anzahl der Stockwerke eingetragen. Durch die Klassifizierung des Gebäudetyps erkennt das System automatisch die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Gebäude. Mithilfe der Eingabe von Kenndaten wie Nutzungstyp, Baujahr und Größe des Gebäudes sowie der Einbeziehung externer Faktoren wie Wetter- und Klimadaten, erstellt die KI eine präzise, hochauflösende Prognose. Je detaillierter die Informationen vorliegen, etwa zum Sanierungszustand, zur Effizienzklasse oder zum Fensterflächenanteil, desto genauer wird die Prognose.

2. Energieprognose durch Berta

Auf Basis dieser Eingaben ermittelt „berta“ mithilfe von KI den Energiebedarf des Gebäudes (Wärme, Kälte, Strom, Wasser, E-Mobilität, Prozessgase und viele weitere Energieträger). Die KI gleicht fehlende oder ungenaue Datengrundlagen aus und ergänzt unvollständige Messdaten. In wenigen Sekunden werden präzise Prognosen in stunden-, tages-, monats-, sowie quartalsgenauer Auflösung geliefert. Es besteht jederzeit die Möglichkeit, vergleichbare Gebäude gegenüberzustellen und zu vergleichen.

3. Berechnung von Varianten und Szenarien

Für die Optimierung und Berechnung von Energiesystemen benötigt „rudi“ die Nutzenergiebedarfe. Diese können entweder von „berta“ bereitgestellt oder auch individuell hochgeladen werden
(z. B. thermische Simulationen oder eigene Verbrauchsmessungen). „rudi“ liefert nun 3 Energiekonzepte mit verschiedenen Optimierungszielen: investitionsoptimiert, gesamtkostenoptimiert und CO2-optimiert. Dafür stehen verschiedenste Energietechnologien zur Verfügung. Diese Vielzahl an Technologien lässt sich in einem Blockschaltbild veranschaulichen und nachvollziehen. Insbesondere potenzielle Wechselwirkungen werden hier deutlich, bspw. Kraft-Wärme-Kälte-Konzepte oder kaskadierende Wärmepumpen mit Zwischenspeicher. Wichtig dabei ist, dass die dargestellten Technologien nicht verwendet werden müssen, sondern nur können. Ob sie Einsatz finden, entscheidet der Algorithmus völlig selbstständig anhand der Auswirkung auf die definierten Zielgrößen.

4. Auswertung - Optimale Energiekonzepte

Der Algorithmus berechnet dann die optimale Lösung, basierend auf den Zielvorgaben. Varianten und Szenarien können in einer Oberfläche hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Amortisation und ökologischer Faktoren im Lebenszyklus miteinander verglichen werden.

Für jede Variante lassen sich die Ergebnisse in einem Sankey Diagramm visualisieren. Die Algorithmen wählen entsprechend der individuellen Zielvorgaben selbstständig aus einer Vielzahl möglicher Energietechnologien aus, die durch die Anwendung vorgeschlagen oder durch den Nutzer zugelassen wurden, und das in Kombination zueinander. Zielvorgaben, bspw. Investitionsoptimierung, CO₂-Optimierung und/oder TCO-Optimierung, können individuell bestimmt werden. Auch komplexe Varianten, bspw. mit Wasserstoffnutzung, Netzreaktivität/-dienlichkeit, Speicheroptimierung, werden einbezogen und, wenn sinnvoll, automatisch ausgewählt.

Praxisorientierte Anwendung

Die Stärke von „berta & rudi“ liegt in der breiten Anwendbarkeit. Die Algorithmen berücksichtigen verschiedene Energiequellen und Technologien, darunter:

Erneuerbare Energien wie Solar-, Windkraft- und Geothermieanlagen.

Klassische Systeme wie Gasheizungen und Fernwärme.

Zukunftsweisende Speicherlösungen wie Eisspeicher oder Batteriespeicher.

Zusätzlich wird auf Basis aktueller Marktdaten (dynamische Preise) und gesetzlicher Rahmenbedingungen gearbeitet. Dadurch können Auswirkungen von Preisänderungen oder Förderungen direkt simuliert werden. Zudem können die neuen Konzepte direkt mit dem Bestandskonzept gegenübergestellt und verglichen werden.

Ein Fazit

„berta & rudi“ stehen stellvertretend für eine neue Ära in der Energiekonzeptplanung. Sie zeigen, wie KI und moderne Algorithmen Prozesse nicht nur beschleunigen, sondern auch verbessern können. Doch bei aller Digitalisierung bleibt die fachliche und menschliche Kompetenz unerlässlich. Der Erfolg liegt in der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine – einer Partnerschaft, die Inspiration, Kreativität und Präzision in den Mittelpunkt stellt.

Für die Zukunft der Energiekonzepte bedeutet dies: Weniger Zeit für zeitraubende Routineaufgaben, mehr Raum für innovative Ideen und nachhaltige Lösungen.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 05/2024

Konzepte zur Abwärmenutzung

Potenziale und Hürden der Nutzung von Rechenzentrumsabwärme

Rechenzentren sind ein wesentlicher Bestandteil der heutigen digitalen Welt. Sie erzeugen Abwärme, die bislang kaum genutzt wird. Doch nun müssen die Betreiber aktiv werden. Möglichkeiten zur...

mehr
Ausgabe 11/2016 Simulation gebäudetechnischer Energiesysteme im Fokus

1. SIGES erfolgreich verlaufen

Anfang September 2016 fand die 1. Internationale Konferenz zur Simulation gebäudetechnischer Energiesysteme, SIGES 2016, statt und konnte rund 100 Teilnehmer aus Industrie und Lehre an der Zürcher...

mehr
Ausgabe 01/2012 TGA Fachforen 2011

„Intelligente Energiekonzepte“ und „Wassermanagement“

Sie kennen die tab als „Das Fachmedium der TGA-Branche“ mit einem umfangreichen Online-Portal, Newslettern und natürlich mit monatlich erscheinenden Fachzeitschriften. Mittlerweile hat sich die tab...

mehr