EnEV einhalten – Vertrag, Gesetz oder anerk. Regel der Technik?

Das aktuelle Baurechtsurteil

Die Gemengelage zwischen vertraglichen Zusagen, gesetzlichen Vorgaben und den anerkannten Regeln der Technik als Orientierungsmaßstab für Planungen ist nicht immer leicht zu entwirren. Ein plastisches Beispiel bildet ein Fall des Oberlandesgerichts Stuttgart, der sich mit den Anforderungen an Fußbodenheizungen in Wohnungen unter Heranziehung der EnEV 2009/2013 zu befassen hatte.

Sachverhalt

Dr. Harald Scholz
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Hamm
Bild: medlay, Jörg Kersten

Dr. Harald Scholz
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Hamm
Bild: medlay, Jörg Kersten
Ein Erwerber kaufte im Jahr 2014 eine Eigentumswohnung vom Bauträger. Er beanstandet nun, dass in den Nebenräumen Flur und Diele keine eigenen Heizschlangen verlegt sind, sondern nur sogenannte Anbindeleitungen. Außerdem ist die Beheizung in diesen Räumen und in einem Abstellraum nicht gesondert regelbar. In der Baubeschreibung hieß es: „Alle Wohnungen sind mit einer Fußbodenheizung ausgestattet. Regelung raumweise über Thermostaten“. In der Baubeschreibung ist eine Ausführung der Haustechnik entsprechend der EnEV 2009 vorgesehen. Der Erwerber verlangt gut 50.000 € Kostenvorschuss für eine Nachrüstung.

 

Entscheidung

Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 30 April 2020 (AZ.: 13 U 261/18) dem Erwerber Recht gegeben. Nach der Baubeschreibung ist eine raumweise Regelung versprochen worden. Dass davon Räume ausgenommen sein sollten, kann nicht festgestellt werden. Auch wenn Nebenräume nur über eine Anbindeleitung mitgeheizt werden, handelt es sich um eine „heizungstechnische Anlage mit Wasser als Wärmeträger“ im Sinne der EnEV 2009. Der Verstoß gegen die EnEV 2009 soll gleichzeitig ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik sein. Die Ausführung der Fußbodenheizung entspreche nicht vom Erwerber zu erwartenden Beschaffenheit.

Es müssten zur Mangelbeseitigung also eigene Heizkreise in diesen Räumen geschaffen werden, die regelbar sind. Es liege kein „unverhältnismäßiger Aufwand“ vor: Gegenüber dem geschuldeten Maß liege eine Funktionseinschränkung vor, bei der die Kosten in aller Regel im Verhältnis zum erreichbaren Vorteil stehen. Die Abweichung war vermutlich vorsätzlich und das Bauamt verlangte in einem Raum eine Nachrüstung. 


Praxishinweis

Das Urteil wertet sorgfältig die Vertragsunterlagen aus. Schon danach war der Fall zu lösen. Denn die zugesagte raumweise Regelung gab es nicht, und die ebenfalls als Ausführungsgrundlage genannte EnEV 2009 war nicht eingehalten.

Auch wenn der Vertrag an dieser Stelle nichts ausgesagt hätte, konnte man den Mangel auf die Abweichung von der EnEV 2009 stützen. Jeder Erwerber darf davon ausgehen, dass das Haus nach den gültigen Bauvorschriften zum Zeitpunkt der Baugenehmigung errichtet wird. Dazu gehörte die EnEV 2009 allemal. Abweichungen sind ein Verstoß gegen die gewöhnliche und nach dem Vertrag vorausgesetzte Eignung.

Nicht überzeugend ist der Hinweis auf die anerkannten Regeln der Technik. Auch deren Einhaltung darf zwar erwartet werden. Es handelt sich aber um eine andere Kategorie. Den anerkannten Regeln der Technik entspricht eine Bauweise, die nach Überzeugung der Fachkreise theoretisch und in der Praxis geeignet und bewährt ist. Die EnEV ist dagegen ein Gesetz, das den politischen Gestaltungswillen des Gesetzgebers umsetzt, gerade vom bis dahin Üblichen abzuweichen. Die anerkannten Regeln der Technik müssen grundsätzlich bei Abnahme des Werks eingehalten sein – wenn die EnEV darunterfiele, hätte sich der Bauträger auf die seit der EnEV 2013 geltende Ausnahme für Kleinräume unter 6 m² berufen könne.

Für den Planer haustechnischer Anlagen ist der Unterschied wichtig, wenn sich eine neuere Gesetzesversion ergibt – wie jetzt mit dem Übergang von der EnEV zum GEG. Ist das Gebäude, für das eine Fachplanung zu erstellen ist, noch unter der alten Rechtslage genehmigt, dann ist die Planung an dieser Rechtslage auszurichten. Was der Bauträger darüber hinaus seinen Kunden versprochen hat, ist nochmals eine andere Frage. Das muss der Planer rechtzeitig ermitteln.

Info

Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Mit 19 Rechtsanwälten, davon sechs Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Sozietät Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Sozietät hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Architekten und Ingenieure, ausführende Unternehmen und Bauherren in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.

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