Kleine und große Selbstversuche für die Energiewende
Die Eigenproduktion von Energie für Industriekomplexe und Privathaushalte ist einfacher als vermutet: Zwei Selbstversuche illustrieren, wie ein Metallbetrieb und eine vierköpfige Familie hauptsächlich Erneuerbare Energien nutzen und überschüssigen Strom ins Netz einspeisen.
Maßnahmen im Unternehmen
Dr.-Ing. Klaus Menge, Vorsitzender des Zentralen Technischen Ausschusses (ZTA) des BTGA e.V.
Bild: Nico Söldner
Selbst energiebewusste Haushalte und produzierende Unternehmen mit hohem Energiebedarf erlangen selten einen Strom-Autarkiegrad von 86 %. In einem Selbstversuch im eigenen Unternehmen erreichen wir die positive Bilanz durch eine Kombination von Maßnahmen: Die Dachfläche der Produktionshalle ist komplett mit Solarmodulen belegt, die rund 600 kWp Leistung erbringen. Der werktägliche Bedarf von etwa 600 bis 650 kWh könnte also theoretisch in wenigen Stunden über Mittag geerntet werden. Um auch frühmorgens eigenen Strom bereitstellen zu können, wurden Batteriemodule mit einer Speicherkapazität von 324 kWh eingebaut. Das liefert an guten Tagen so viel Überschuss, dass im Jahresmittel etwa 77 % des Öko-Stroms in das Netz der E-Netz Südhessen eingespeist werden können.
Bei dieser Maßnahme galt die schnelle Wirtschaftlichkeit nicht als oberstes Gebot. Maßstab für viele Maßnahmen war der effiziente Umgang mit Energie.
Schon vor über zehn Jahren erschloss unser Unternehmen eine Wärmequelle in 800 Meter Tiefe. Die damit primärseitig versorgte Wärmepumpen-Anlage arbeitet mit einer hohen Jahresarbeitszahl. Selbst zum Ende der Heizperiode kommt noch Wasser mit einer Temperatur von ca. 13 °C aus der Tiefe. Da die im Werk (Hallen und Büros) verwendete Deckenstrahlheizung mit niedrigen Vorlauftemperaturen von etwa 35 °C auskommt, kann die Wärmepumpe unter Einsatz einer Kilowattstunde Strom im Jahresmittel bis zu acht Kilowattstunden Wärme erzeugen.
Die Tiefengeothermie stellt die Wärmeversorgung der gesamten Fabrik sicher. Als Redundanz liefert eine Holzhackschnitzelanlage mit bis zu 200 kW Leistung bei Spitzenlastzeiten der Lackieranlage die erforderliche Energie. Brennstoffe dafür sind gehäckselte Restmaterialien, beispielsweise Einwegpaletten oder Holz aus dem familieneigenen Wald. Warmes Leitungswasser wird durch eine Solarthermieanlage erzeugt.
Um den Energiebedarf zu begrenzen, wurden bereits bei der Planung unseres Industrie-Neubaus mit 1.500 m2 Bürofläche und ca. 6.500 m² Produktions- und Lagerhallen Maßnahmen ergriffen. Diese entsprechen dem Passivhausstandard von Wohngebäuden oder übertreffen ihn sogar. Boden und Gebäudehülle sind vollflächig gedämmt, die Fenster dreifach verglast. Für die Fassaden wurde zehnlagiges transparentes Polycarbonat zur optimalen Ausnutzung des Tageslichts verwendet.
Maßnahmen im historischen Wohnhaus
Auch in unserem historischen Wohnhaus haben wir ähnliche Maßnahmen umgesetzt: 26 kW Photovoltaik, 40 kWh Akkuspeicher, Hackschnitzel-Kessel (betrieben mit eigenen Hackschnitzeln), Wärmepumpentrockner, LED-Beleuchtung und dreifach verglaste Fenster etc. liefern selbst in einem 130 Jahre alten Sandstein-Gebäude Spitzenwerte. Biomasse zur Wärmeerzeugung und 93 % elektrische Autarkie trotz E-Mobilität mit eingespeisten 14.000 kWh Strom zeigen, dass auch im Bestands-Wohnbau vieles möglich ist.
Fazit
Mein Wunsch lautet: Mehr Mut und Entschlossenheit auf der
Seite der Bauherren und ein stärkerer Fokus auf der Energieeffizienz – nicht nur auf Payback-Raten. Die verlässliche Technik ist schon heute verfügbar.
Der Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder.