Kostenvorschuss trotz Minderung

Das aktuelle Baurechtsurteil

Im vorliegenden Fall schließt die Erklärung der Minderung des Vergütungsanspruchs eines Bauvertrags durch die Auftraggeber einen Kostenvorschussanspruch der Auftraggeber wegen des Mangels, auf den die Minderung gestützt worden ist, nicht aus. Hierbei handelt es sich um eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.08.2024 (Az.: VII ZR 68/22). Die Entscheidung scheint auf den ersten Blick verwunderlich, müsste eine erklärte Minderung doch bereits dazu führen, dass die Besteller nicht den vollständigen Werklohn zu zahlen haben und es ihnen mithin verwehrt sein müsste, wegen des gleichen Mangels auch noch einen Kostenvorschuss zu fordern.

Sachverhalt

Dr. Michael Kunzmann, RA und Fachanwalt für Versicherungsrecht, Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB.
Bild: medlay, Jörg Kersten

Dr. Michael Kunzmann, RA und Fachanwalt für Versicherungsrecht, Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB.
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Die Beklagten beauftragen die Klägerin mit der Errichtung eines Einfamilienhauses. Nach der Abnahme des Hauses stellte die Klägerin die Schlussrechnung, aus der sich zu ihren Gunsten eine Restforderung ergab, die sie im vorliegenden Rechtsstreit eingeklagt hat. Die Beklagten haben in dem Rechtsstreit Widerklage erhoben, die Minderung des Werklohns der Klägerin erklärt und beantragt, die Klägerin zur Rückzahlung überzahlter Vergütung zu verurteilen. Die Beklagten haben zur Begründung geltend gemacht, aufgrund von Schallschutzmängeln betreffend „Lüfter“, „Abwasseranlage“ und „Trittschall“ bestände ein merkantiler Minderwert, um den sie die Werkforderung mindern könnten.

Das zunächst zuständige Landgericht Lüneburg (Az.: 6 O 4/16) hat Beweis erhoben mit dem Ergebnis, dass die von den Beklagten geltend gemachten Mängel keinen Einfluss auf den Verkehrswert des Grundstücks hätten und ein merkantiler Minderwert nicht vorläge.

Gegen das landgerichtliche Urteil haben die Beklagten Berufung beim OLG Celle (Az.: 14 U 105/21) eingelegt und zur Begründung zunächst weiterhin auf eine weitere Zahlungspflicht der Klägerin aufgrund einer Verkehrswertminderung auf der Grundlage der gerügten Schallschutzmängel beharrt. Nach Hinweis des zuständigen Senats, dass er hinsichtlich der Feststellung des Landgerichts zu einer Verkehrsminderung des Grundstücks im Hinblick auf die gerügten Schallschutzmängeln keine Zweifel an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts habe, haben die Beklagten ihre Begründung umgestellt und geltend gemacht, ein Anspruch würde ihnen als Kostenvorschuss und nicht aufgrund der Minderung zustehen. Der in der zweiten Instanz zuständige Senat hat dies bestätigt. Gegen das zweitinstanzliche Urteil vom 09.03.2022 hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Entscheidung

Der BGH hat der Berufung der Klägerin nicht stattgegeben. Vielmehr hat er das Urteil des Oberlandesgerichts Celle bestätigt. Er hat mit Urteil vom 22.08.2024 ausdrücklich festgestellt, dass die Beklagten / also die Besteller, nicht gehindert sind, ihr Begehren von einem Minderungsanspruch auf einen Kostenvorschussanspruch umzustellen. Insbesondere sei ein Kostenvorschussanspruch nicht bereits deswegen ausgeschlossen, weil die Beklagten wegen der Mängel, die zu diesen Ansprüchen führen, zunächst die Minderung der Vergütung erklärt haben. Eine entsprechende gesetzliche Regelung, die dies vorsähe, sei nicht existent. Mit der Erklärung, die Vergütung zu mindern, bringe der Besteller zum Ausdruck, keine Beseitigung des Mangels durch den Unternehmer zu wollen. Es entspräche deshalb der Rechtsprechung des BGH, dass mit der Erklärung der Minderung der Nacherfüllungsanspruch ausgeschlossen sei. Zudem bringe der Besteller zum Ausdruck, dass Werk trotz des Mangels behalten zu wollen, so dass nach der Rechtsprechung des BGH ein Rücktritt vom Vertrag wegen des Mangels, auf den die Minderung gestützt wird, grundsätzlich ausgeschlossen ist. Das Gleiche gilt für einen (großen) Schadenersatzanspruch anstatt der Leistung, mit dem die Rückgängigmachung des Vertrages verlangt würde.

Dagegen sei der Besteller nach erklärter Minderung der Vergütung nicht gehindert, Schadenersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadenersatzes geltend zu machen. Ausgehend von dieser Rechtsprechung könne der Besteller auch nach erklärter Minderung den Mangel beseitigen und die dafür getätigten Aufwendungen als Schadensersatz statt der Leistung vom Unternehmer erstattet verlangen. Dies sei dem Besteller weder nach der Gesetzessystematik noch aufgrund der Gestaltungswirkung der Minderung verwehrt. Denn sowohl Minderung als auch Schadenersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadenersatzes seien ihrem Inhalt nach darauf gerichtet, dass verletzte Leistungsinteresse des Bestellers, der das mangelhafte Werk behalte, auszugleichen. Diese Mängelrechte schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich. Ein (kleiner) Schadenersatzanspruch, anstatt der Leistung, könne also auch nach erklärter Minderung – über den Betrag der durch die Minderung ersparten Vergütung hinausgehenden – in aufgewandten Mangelbeseitigungskosten, die der Besteller bei verständiger Würdigung für erforderlich halten durfte, bestehen.

Praxishinweis

Mit seiner Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass es dem Besteller möglich ist, einen Kostenvorschuss trotz erklärter Minderung geltend zu machen. Es ist allerdings zu beachten, dass es sich bei dem Fall, über den der BGH zu entscheiden hatten, um einen solchen handelt, in dem die Besteller ihr Klagebegehren auf einen Kostenvorschuss umgestellt haben, nachdem gutachterlich festgestellt worden ist, dass ein Anspruch auf Minderung gerade nicht besteht, da der gerichtlich bestellte Sachverständige festgestellt hat, dass ein Minderwert des Grundstücks aufgrund des gegenständlichen Mangels nicht vorlag.

Mithin ist es einem Besteller gerade nicht möglich, wegen des gleichen Mangels die Minderung des Werklohnanspruchs zu erklären und zusätzlich (im Wege der Addition) einen Vorschussanspruch geltend zu machen. Ein entsprechender Betrag darf nicht doppelt geltend gemacht werden.

Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Mit 18 Rechtsanwälten, davon sechs Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Sozietät Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Sozietät hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Architekten und Ingenieure, ausführende Unternehmen und Bauherren in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.

www.schluender.info

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