Neue Blaupausen finden
Integraler Systemansatz zur Gebäude-EnergieversorgungDer Gebäudesektor hinkt hinter den gesetzlich vorgelegten Zielen zur CO2-Reduktion hinterher. Der Handlungsdruck steigt damit. Vor diesem Hintergrund erprobt das Forschungsprojekt RENBuild einen integralen Einsatz verschiedener Techniken, um neue Lösungen aufzuzeigen. Im Mittelpunkt stehen dabei Sole-Wasser-Wärmepumpen, PVT-Kollektoren und Latentwärmespeicher.
Nachdem der Prüfbericht des Expertenrates für Klimafragen für das Jahr 2022 dem Gebäudesektor das dritte Jahr in Folge eine Verfehlung der gesetzlich festgelegten Ziele zur Reduktion der CO2-Emissionen bescheinigte, ist klar, dass der Transformationsdruck hin zur angepeilten Klimaneutralität im Jahr 2045 in diesem Sektor immer weiter zunimmt. Es werden kurzfristig gangbare Lösungen benötigt, um - neben der Steigerung der Energieeffizienz – die Energieversorgung von Gebäuden auf regenerative Systeme umzustellen bzw. diese im Neubau zu etablieren. Für gewerbliche Immobilien, wie Bürogebäude, beinhaltet die Energieversorgung in der Regel die Bereiche Wärme, Kälte, Strom und Frischluft. Abgesehen davon, dass hier noch große Potentiale bei der Nutzung regenerativer Energie bestehen, hemmt auch die häufig vorzufindende Gewerketrennung einen effizienten Betrieb.
Blick auf das Forschungsprojekt
Das Konsortium des Forschungsprojekts RENBuild, bestehend aus neun Projektpartnern aus Industrie und Forschung unter der Leitung des Center for Applied Energy Research e. V. (CAE) in Würzburg, hat sich daher zum Ziel gesetzt, ein integrales Gesamtsystem zur regenerativen Versorgung von Gebäuden mit Wärme, Kälte, Strom und Frischluft zu entwickeln, welches die genannten Bereiche zusammendenkt und damit auch Synergien erschließt. Das vom BMWK geförderte Projekt startete am 1. Januar 2020 und soll Ende 2023 beendet sein.
Zentrale Komponenten des Systems sind eine reversible, multivalente Sole-Wasser-Wärmepumpe, welche über PVT-Kollektoren mit Umweltwärme bzw. -kälte und regenerativem Strom versorgt wird. Um die regenerativen Potentiale bestmöglich zu nutzen, werden hybride Latentwärmespeicher mit hoher Speicherkapazität eingesetzt, um die Diskrepanz zwischen Energieangebot und -bedarf bestmöglich zu überbrücken. Diese Speicher beinhalten neben Wasser spezielle Speicherelemente, welche den Phasenwechsel zwischen fest und flüssig für die Energiespeicherung nutzen. Dadurch ist die Speicherkapazität etwa um den Faktor 2,5 höher als bei einem vergleichbaren Wasserspeicher. Synergien lassen sich immer dann nutzen, wenn die beim Wärmepumpenbetrieb erzeugte Wärme und Kälte gleichzeitig genutzt bzw. gespeichert werden können, z. B. wenn die Wärmepumpe Warmwasser bereitet und quellenseitig dafür den Kältespeicher nutzt und somit kühlt.
Aktueller Stand
In den ersten beiden Projektjahren wurden insbesondere die Einzelkomponenten weiterentwickelt und auf den Systemansatz optimiert sowie über Simulation und praktische Tests an einer Versuchsanlage am CAE für unterschiedliche Systemsetups samt Regelstrategien getestet und evaluiert. Anschließend wurde bzw. wird das RENBuild-System in zwei Neubauten integriert und ausgiebig getestet. Seit März 2023 läuft das System in einem Musterwohngebäude des Projektpartners Hanse Haus im regulären Betrieb, für Herbst 2023 ist die Integration in einen Bürogeschossneubau des Projektpartners Renz Solutions GmbH in Aidlingen geplant. Das Bürogeschoss soll dabei über dezentrale Lüftungsgeräte, sogenannte Klima Komfort Module (KKM) von Renz Solutions, klimatisiert und mit der benötigten Frischluft versorgt werden. Die KKM können dabei weitere Aufgaben wie Luftdesinfektion und –filterung übernehmen. Da gerade bei mehrgeschossigen Bürogebäuden die Dachfläche relativ zur Geschossfläche begrenzt ist, müssen für die PVT-Kollektoren ggf. weitere Flächen erschlossen werden. Hierfür kommt in erster Linie die Fassade in Frage. Allerdings ist die Fassade ebenso für die Integration der KKM interessant. Im Rahmen des Projektes werden daher Lösungen für die Fassadenintegration der PVT-Kollektoren sowie der KKM entwickelt und am Demonstrationsgebäude installiert. Durch diese Möglichkeit könnte zukünftig ein wichtiger Teil der TGA im Fassadenbereich samt regenerativer Energiegewinnung platzsparend und mit verhältnismäßig geringem Installationsaufwand untergebracht werden.
Simulationen ermöglichen Prognosen
Bislang stehen für das Bürogebäude noch keine Messdaten zur Verfügung. Über detaillierte Systemsimulationen in der Software „Trnsys“ wurde das Anlagenverhalten theoretisch untersucht, was auch eine Prognose von erreichbaren Systemkennzahlen ermöglicht.
Die Simulation bildet ein Stockwerk eines generischen Bürogebäudes mit einer Grundfläche von 316 m² ab. Das Geschoss wurde für die Simulation in drei thermische Zonen unterteilt und beinhaltet in Nord-Südausrichtung zwei Großraumbüros und einen unklimatisierten Mittelgang. Hier die wichtigsten Eingangsdaten für die „Trnsys“-Systemsimulationen für das Bürogebäude: Um das RENBuild-System zu bewerten und dabei auch den vor Ort mittels PVT-Kollektoren erzeugten Strom zu berücksichtigen, wird die Kenngröße „Systemjahresarbeitszahl (SJAZ)“ folgendermaßen definiert:
Die SJAZ setzt also die Nutzenergie im Gebäude in das Verhältnis zum aus dem öffentlichen Netz bezogenen Strom für Wärmepumpe, Umwälzpumpen und KKM. Somit sind sowohl Speicherverluste als auch benötigte Hilfsenergie berücksichtigt. Als Ergebnis der Simulationen ergeben sich für das RENBuild-System SJAZ von 7,4 und 8,7 für 30 bzw. 40 PVT-Kollektoren pro Geschoss ohne Stromspeicher. Mit 10 kWh Batteriespeicher erhöhen sich die SJAZ auf 8,6 bzw. 10,6. Je nach Setup ergeben sich dabei Autarkiegrade für den Gesamtstrombedarf (RENBuild-System plus Gebäude) im Bereich von 53 % bis 71 %. Werden entsprechend der Simulation pro Geschoss 30 bzw. 40 PVT-Kollektoren eingesetzt, können über die verfügbare Dachfläche bei einer Vollbelegung mit 120 Kollektoren vier bzw. drei Bürogeschosse versorgt werden. Dies entspricht einem Verhältnis Kollektorfläche zu Geschossfläche von 16,1 % bzw. 21,5 %. Eine höhere Geschossanzahl ließe sich dann ohne nennenswerte Effizienzeinbußen durch die Erschließung der Fassade realisieren.