Nur ein ordnungsgemäßer Bedenkenhinweis schützt vor Haftung

Das aktuelle Baurechtsurteil

Die Wünsche des Auftraggebers und die technische Realisierbarkeit stehen sich oftmals in einem Spannungsverhältnis gegenüber. Dementsprechend steht der Bau- oder Werkunternehmer vor der Herausforderung, den Kunden zufrieden zu stellen und dennoch ein funktionierendes Werk zu übergeben. Sind die Wünsche des Auftraggebers bereits sehr konkret und stehen teilweise oder komplett im Widerspruch zum Werkerfolg, kann dies durchaus zu Konflikten führen.

Problemdarstellung

Jochen Zilius,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Bau- und Architektenrecht
Bild: medlay, Jörg Kersten

Jochen Zilius,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Bau- und Architektenrecht
Bild: medlay, Jörg Kersten
Ein Bau- oder Werkunternehmer steht oftmals im Spannungsverhältnis zwischen den Wünschen des Auftraggebers und der technischen Realisierbarkeit. Hat der Auftraggeber etwa bereits konkrete Vorstellungen von dem herzustellenden Werk, stellt eine Ausführungsplanung zur Verfügung oder geben bauseitige Bedingungen die Ausführung vor, wird ein Fachunternehmer selbstverständlich immer versuchen, seinen Vertragspartner zufriedenzustellen. Allzu kritiklos sollte dies aber nicht geschehen, weil sich der Werkerfolg letztlich (auch) am sog. funktionalen Leistungs-/Mangelbegriff bemisst. Danach muss sich das Werk – unabhängig von der konkreten Beschaffenheitsvereinbarung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer – regelmäßig für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder alternativ für die gewöhnliche Verwendung eignen; das Werk muss also funktionieren. Erfüllt es seine Funktion nicht, liegt regelmäßig ein Werkmangel vor, der die bekannten Gewährleistungsansprüche auslöst. Der Unternehmer kann sich in diesen Fällen regelmäßig nur durch Erklärung eines inhaltlich erschöpfenden Bedenkenhinweises von der eigenen Mängelhaftung befreien. An einen solchen, zur vollständigen Entlastung des Unternehmers führenden Bedenkenhinweis stellt die Rechtsprechung jedoch hohe Anforderungen, wie ein Urteil des OLG Brandenburg (20. Mai 2020 – 11 U 74/18) zeigt.

 

Sachverhalt

Dort forderte die Klägerin Schadensersatz von der Beklagten, einem Sanitärunternehmer, den die Klägerin mit der Installation von Rohrleitungslüftungen beauftragte. Bei Ausführungsbeginn verlangte der Architekt des Bauherrn indes, die Rohrbelüfter so anzubringen, dass sie in die Wände der einzelnen Bäder eingebaut werden können. Die Beklagte wies mündlich darauf hin, dass diese Ausführungsvariante nicht funktionieren werde, führte die Leistungen letztlich jedoch wunschgemäß aus. Nach Fertigstellung kam es zu Geruchsbildung in den Wohnungen, weil die Abwasseranschlüsse nicht den Regeln der Technik entsprachen.

Die Klägerin nahm daraufhin die Beklagte gerichtlich in Anspruch. Diese bestätigte die Fachwidrigkeit, war aber der Ansicht, sich durch Erteilung des Bedenkenhinweises enthaftet zu haben. Das Landgericht Neuruppin erachtete den Bedenkenhinweis jedoch für nicht ausreichend und hat die Beklagte verurteilt. 

 

Entscheidung

Eine hiergegen eingelegte Anschlussberufung blieb erfolglos! Das OLG Brandenburg hat ausgeführt, an den erforderlichen Bedenkenhinweis des Auftragnehmers seien hohe Anforderungen zu stellen, denn dieser müsse zur rechten Zeit, in der gebotenen Form, mit der notwendigen Klarheit und gegenüber dem richtigen Adressaten erfolgen. Daher habe es der Beklagten oblegen, der Klägerin unverzüglich und zutreffend, inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend auch die nachteiligen Folgen der veränderten Abwasserrohrlüftung und die sich daraus ergebenden Gefahren konkret darzulegen, damit für sie die Tragweite der Nichtbefolgung des Hinweises erkennbar wird. Unzulänglich seien insofern lediglich pauschale Erklärungen, wonach das Werk nicht funktionieren werde. Unerheblich sei zudem, dass die Klägerin selbst Bauunternehmer sei, weil von ihr jedenfalls keine Kenntnisse hinsichtlich möglicher Lüftungsvarianten eines Abwasserohres erwartet werden könnten.

 

Praxistipp

Wie dieser Fall anschaulich zeigt, bedarf die Abfassung eines Bedenkenhinweises größter Sorgfalt und sollte zu Beweiszwecken stets zumindest per E-Mail erfolgen. Im VOB-Vertrag ist gem. § 4 Abs. 3 VOB/B ohnehin die schriftliche Erteilung vorgeschrieben und in aller Regel auch einzuhalten. Der Auftraggeber ist unabhängig von seinen technischen Kenntnissen rechtzeitig und umfassend über die Risiken der beabsichtigten Ausführung zu unterrichten, andernfalls bleibt der Auftragnehmer regelmäßig haftbar.

Info

Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Mit 19 Rechtsanwälten, davon sechs Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Sozietät Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Sozietät hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Architekten und Ingenieure, ausführende Unternehmen und Bauherren in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.

www.schluender.info

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