Populäre Rechtsirrtümer am Bau
Teil 16: Kulanz ist, wenn man´s trotzdem macht!
Rechtliche Bedeutung von Angeboten aus Kulanz
Mittels Kulanz bietet ein Lieferant oder ein Auftragnehmer eine Leistung an, obwohl er sich hierzu nicht verpflichtet fühlt. Das kann beispielsweise der Fall sein zur Pflege einer ständigen Auftragsbeziehung.
Kulanz ist aber nicht dasselbe wie Unverbindlichkeit. Ein unter Hinweis auf Kulanz unterbreitetes Angebot ist nämlich genauso verbindlich und wirksam wie ein sonstiges Angebot. Wenn der Vertragspartner dieses Angebot annimmt, ist man zu dessen Ausführung verpflichtet und könnte bei Verweigerung, weil man es sich inzwischen anders überlegt hat, zu Schadensersatz verurteilt werden.
Wenn ausdrücklich nur auf Kulanzbasis geleistet wird, ist das von den Rechtsfolgen her aber ein wesentlicher Unterschied zu einer schlichten Nachbesserung oder Nachlieferung. Im schlichten Fall gilt: Bessert der Auftragnehmer auf eine Mangelrüge hin den Mangel nach, dann hat er diesen Mangel damit als Faustregel anerkannt. Dies kann zur Folge haben, dass der Auftragnehmer nunmehr plötzlich auch mit Folgeschäden konfrontiert wird. Außerdem führt ein solches Anerkenntnis zum Neubeginn der Verjährung für den betreffenden Mangel: Es können also erneut vier oder fünf Jahre Gewährleistung laufen (vgl. § 212 BGB).
Wer nun vor der Durchführung einer Nachbesserung oder Neulieferung von Material deutlich zum Ausdruck bringt, dazu aus seiner Sicht aber nicht verpflichtet zu sein, der vermeidet diese Folgen des Anerkenntnisses. Insbesondere die Verjährungsfrist für Mängel läuft dann nicht neu (BGH, Az. VII ZR 161/13).
Mögliche Reaktionen des Auftraggebers
Dies bringt uns direkt zu der Frage, ob der Kunde oder Auftraggeber unter diesen Umständen die angebotene Kulanzleistung annehmen sollte. Selbstverständlich sollte er dies dann tun, wenn er sonst große Schwierigkeiten hätte, Rechte durchzusetzen – beispielsweise ist der Gewährleistungszeitraum bereits abgelaufen, ist die Ursache der Mängel sehr ungewiss oder liegt der Fall recht deutlich außerhalb der Garantiebedingungen des Herstellers. Unter diesen Bedingungen ist das Verhalten nämlich das, was Kulanz wirklich meint, nämlich ein Entgegenkommen, auf das man keinen Anspruch hätte.
Verjährungsfristen unbedingt beachten
Bei Fragen der Mängelgewährleistung kann man aber zweimal darüber nachdenken. Nachbesserungen, die unkompliziert und im Erfolg leicht kontrollierbar sind, erscheinen unproblematisch. Das OLG Koblenz hat den Auftraggeber sogar einmal für verpflichtet gehalten, nicht deshalb abzulehnen, weil das Angebot nur „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ unterbreitet wurde. Dabei ging es allerdings konkret um das Tiefersetzen einer Küchenarbeitsplatte um 1 cm, da hat man als Auftraggeber wenig zu befürchten. Haben wir dagegen eine undurchsichtige Mängelsituation mit Schadenspotenzial und befinden wir uns auch noch kurz vor dem Eintritt der regulären Verjährung, muss man sich ein solches Angebot gut überlegen. Denn es besteht die Gefahr, dass nur eine temporäre Besserung geschaffen wird und die Mangelerscheinung dann wieder auftritt. Inzwischen können die werkvertraglichen Ansprüche dann verjährt sein. In solchen Situationen darf man aus unserer Sicht auch einmal darauf bestehen, dass sich der Auftragnehmer ohne Vorbehalt zur Mängelbeseitigung erklärt, ja oder nein.
Fassen wir zusammen: Kulanz ist nicht unverbindlich, und das Angebot einer Kulanzleistung kann rechtliche Vor- und Nachteile haben.
Dr. Harald Scholz, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Hamm.
Bild: medlay, Jörg Kersten
Mit 20 Rechtsanwälten, davon sieben Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Sozietät Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Sozietät hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Architekten und Ingenieure, ausführende Unternehmen und Bauherren in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.