40 Jahre Integrale Planung
tab: Viele Probleme des Bauens sind bekannt. So ist beinahe jedes Haus – lassen wir den Fertighausbau und einige Filialisten einmal außer Acht – ein Prototyp. Dementsprechend aufwendig ist es, ein solches Unikat zu erstellen. Üblicherweise wird für dieses Unikat ein individuelles Team zusammengestellt, das diesen in die Realität umsetzen darf. Da wird schon das Aufsetzen eines integralen Planungsteams eine Herausforderung, oder nicht?
Gerald Hulka: In vielen herkömmlichen Fällen ist es tatsächlich so, dass ein individuelles Projektteam zusammengestellt wird, welches sich, im besten Fall, erst am Ende des Projekts gut versteht.
Nicht so im integralen Planungsprozess bei ATP: Der ATP-Gesamtprojektleiter stellt ein interdisziplinäres Planungsteam aus unseren eigenen Architekten und Ingenieuren zusammen, die sich über Jahre kennen und im Regelfall mehrere Projekte gemeinsam erfolgreich realisiert haben. So kann von Anfang an der integrale Planungsprozess ohne Reibungsverlust und ohne divergierende Interessen in Gang gesetzt werden.
tab: Ist dann nicht oft der eher „unwissende“ Bauherr ein Hindernis?
Gerald Hulka: Unsere Aufgabe ist es, den Bauherrn, ob erfahren oder nicht, bei der Hand zu nehmen und ihm in den jeweiligen Projektphasen die richtigen Fragen zu stellen. Besonders vor dem Projektstart ist es entscheidend, den Kernprozess des Bauherrn umfassend zu analysieren.
Wir geben dem Bauherrn Sicherheit, Transparenz und durch die Eliminierung risikoreicher Schnittstellen einen einzigen, kompetenten Ansprechpartner.
tab: So mancher Investor schaut nur darauf, den Preis zu drücken, wie das Gebäude funktioniert, ist zweitrangig. Ist in solchen Fällen ein Projekterfolg im Sinne einer integralen Planung überhaupt möglich?
Gerald Hulka: Unsere Bauherren wissen, dass nur effektive, lebenszyklusorientierte Gebäude Wertschöpfung stiften. Die Frage ist nicht, wie viel man in der Errichtung einsparen kann, sondern wie viel man investieren muss, um die geplante oder eine höhere Produktivität und Rendite im Kerngeschäft zu erreichen.
Es geht daher in allen Fällen darum, die Zielsetzungen des Projektes zu Beginn klar zu formulieren und dann im Rahmen des integralen Planungsprozesses ein Optimum zu erreichen.
Die integrale Planung erhöht die Wertschöpfung signifikant, da sie mit den ganz zu Beginn gemeinsam getroffenen Entscheidungen den größten Hebel hat. Mit nur 2 % Kosten für die Planung beeinflusst der Bauherr somit bis zu 20 % der Baukosten und bis zu 45 % der Lebenszykluskosten seines Gebäudes maßgeblich.
tab: Ihr im Haus verwendeter BIM-Standard ist einer der Grundlagen für die am 1. Juli 2015 veröffentlichte ÖNorm A 6241-1„Technische Zeichnungen für das Bauwesen – Teil 1: CAD-Datenstruktur und Building Information Modeling (BIM) – Level 2“. Inwieweit konnten Sie konkret an der Norm mitarbeiten?
Gerald Hulka: Als integral Planende stehen wir seit jeher vor der Aufgabe, Inhalte aus unterschiedlichen Disziplinen zu erzeugen, darzustellen und eng miteinander abzustimmen. Die hierfür nötigen internen Standards zu Modellinhalten und resultierenden Ergebnisunterlagen nach Planungsphase, die wir für unsere eigene Arbeitsweise definiert haben, sind in Teilen in den Schriftteil der 6241-2 und den sogenannten Merkmalserver eingeflossen.
tab: In Deutschland wird derzeit an einer ähnlichen Norm gearbeitet. Was sollte unbedingt Berücksichtigung finden?
Gerald Hulka: Der österreichische Normungsansatz zu Modellinhalten und Elementeigenschaften ist inhaltlich und strukturell eng an internationalen Datentransferstandards wie dem IFC-Datenformat und dem Building Smart Data Dictionary (BSDD) angelehnt. Schlussendlich erweitert die Ö-Norm diese Standards lediglich um die elementscharfe Vorgabe, in welcher Planungs- oder Lebenszyklusphase welche Informationsdichte in einem Modell enthalten sein muss.
Dieser Ansatz findet breiten internationalen Anklang und könnte somit auch in Deutschland mit seiner ähnlich komplexen Planungstradition echte Mehrwerte liefern. Sollte man hier dennoch einen vollständig eigenen Ansatz verfolgen wollen, wäre zumindest eine Anlehnung an die internationalen Standards (BSDD) für Parameter und Elemente wünschenswert.
tab: Die Standards sind die Basis für die Arbeit an einem gemeinsamen Gebäudemodell. Doch für den Erfolg der Arbeiten müssen die einzelnen Projektpartner sich ständig miteinander austauschen. Wie funktioniert das bei Ihnen?
Gerald Hulka: Wir nutzen unterschiedliche technische Möglichkeiten der modellbasierten Kommunikation. Sie reichen von programminternen Abstimmungsmöglichkeiten über diverse BIM-Viewer bis zu modellbasierten Qualitätsmanagement-Werkzeugen wie „Navisworks“, Tekla-„BIM Sight“ und „Solibri“. Über Formate wie das „BIM Collaboration Format“ (BCF) erreichen wir eine verlässliche Plattform- und disziplinübergreifende Kommunikationsstruktur.
Trotz aller technischen Finessen bleibt jedoch zu erwähnen, dass die direkte Kommunikation innerhalb der Projektteams die wesentliche Zutat für eine erfolgreiche integrale Planung ist.
tab: Da gibt es sicher manchmal auch „sprachliche Probleme“. Der Ingenieur spricht, um es mal bewusst zu verallgemeinern, von Technik, ein Architekt von Design. Wie schaffen Sie es, dass diese unterschiedlichen Ansätze nicht zur „Sprachbarriere“ im Bauprojekt werden?
Gerald Hulka: Die Semantik der Disziplinen setzt sich auch in der BIM-gestützten Arbeitsweise fort, man kann durchaus von einer Verräumlichung dieser Sprachbarriere sprechen. Dies zeigt sich besonders deutlich bei der Datenübergabe von Modellinhalten an Simulationsprogramme aus Statik und Bauphysik.
Gleichzeitig jedoch steigern jederzeit abrufbare und aktuelle 3D-Daten aller Disziplinen das integrale Projektverständnis erheblich.
Der Mehrwert dieser räumlichen visuellen Kontrolle und eine lesbare Datenstruktur ohne Abkürzungen und Kodierung relativieren die semantischen Unterschiede, die Disziplinen verstehen einander schlussendlich besser.
tab: Und dann kommen noch die hohen Anforderungen an die energetischen Werte eines Gebäudes. Wie bekommen Sie das auch noch in Ihren Konzepten unter?
Gerald Hulka: Wir dürfen bei der ganzen Diskussion nicht vergessen, dass es sich bei der BIM-gestützten Arbeitsweise nur um ein Werkzeug handelt.Das Ergebnis der integralen Planung ist ein lebenszyklusorientiertes Gebäude, das von Architekten und Ingenieuren aufgrund ihrer Fachkompetenz und Kreativität geschaffen wird.
tab: Vielen Dank für das
Interview.