Kulturwandel in der Planungspraxis

Integrale Zusammenarbeit für taxonomiegerechte Planung

In dem Büro für Integrale Planung ATP architekten ingenieure wird die BIM-Methodik stringent im Rahmen einer interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen allen Betei-ligten genutzt. Darüber hinaus wird bei allen Projekten der Fokus auf die Aspekte Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung beim Bauen gelegt. Albert Achammer, Architekt ETH und Geschäftsführer von ATP Hamburg, spricht im Interview über Integrale Planung und den aus seiner Sicht längst überfälligen Kulturwandel in Planung und Bau.

tab: Herr Achammer, wie weit ist die Bauwirtschaft beim Thema Nachhaltigkeit?

Albert Achammer: Das Ziel einer weitgehenden Dekarbonisierung der Weltwirtschaft, also eine Verringerung des CO2-Ausstoßes von 80 - 95 % bis 2050, verpflichtet auch und gerade die Baubranche umzudenken und zu neuen, umweltverträglicheren Lösungen zu kommen. Alle Akteure stehen in der Verantwortung, (endlich) neue, innovative Wege im Sinne des Klimaschutzes zu beschreiten. Wir brauchen hier dringend mehr Mut zur Veränderung und Wille zur Zusammenarbeit. Ganz besonders, weil die Bauwirtschaft nicht nur einer der größten Wirtschaftszweige ist, sondern leider auch als eine der größten Verursacherinnen von CO2-Emissionen gilt.

tab: Welchen Beitrag können Planer dabei leisten?

Albert Achammer: Als strategischem Partner des Auftraggebers fällt uns in der Planung eine sehr große Verantwortung zu, denn die Weichen werden gestellt, lange bevor die Bagger auffahren. Als Planer müssen wir daher unsere Auftraggeber darin bestärken, ökonomische Ziele einer Baumaßnahme mit anderen Aspekten der Nachhaltigkeit, wie gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen, eine intakte Umwelt, Vermeidung von Verschwendung und Ressourcenschonung über den gesamten Lebenszyklus zu verschränken. Denn die ökologische und sozio-kulturelle Nachhaltigkeit nimmt schlussendlich direkten Einfluss auf die ökonomische Nachhaltigkeit unserer Gebäude.

tab: Das heißt, es liegt viel Überzeugungsarbeit vor Ihnen?

Albert Achammer: Ich denke nicht. Das Bewusstsein hierfür ist bei den meisten Bauherrn mittlerweile etabliert, die EU-Taxonomie ist spätestens seit vergangenem Jahr in der Immobilienwirtschaft ein bedeutender Faktor geworden. Es geht nun vielmehr um die professionelle Herangehensweise, mit der wir unsere Auftraggeber an die Thematik heranführen und gesamthaft betreuen können. Wir als ATP architekten ingenieure beschäftigen bspw. seit einiger Zeit in enger Zusammenarbeit mit unserer Forschungs- und Sonderplanungsgesellschaft ATP sustain an allen Standorten Experten für Nachhaltigkeit, die in jedem unserer integralen Planungsteams von Beginn an tätig sind. Wir entwickelten spezielle Maßnahmenbündel, mit denen wir unsere Kunden durch die gesamte Planungs- und Bauzeit begleiten.

tab: Wie gelingt die Planung eines nachhaltigen Gebäudes?

Albert Achammer: Wir sind davon überzeugt, dass wir ­Architekten und Ingenieure mit ganzheitlichem Denken und vorausschauendem Planen die gebaute Umwelt positiv beeinflussen können – und vor allem müssen. Daher hat unser Unternehmen über die letzten 45 Jahre eine europäische Form der Integralen Planung entwickelt, bei der alle am Planungsprozess Beteiligten von Beginn an am Projekt arbeiten – auf Augenhöhe, interdisziplinär, simultan und seit 2012 durchgehend digital mit BIM. Wir haben damit beste Erfahrungen gemacht und denken, das ist der Weg in die Zukunft, die unbedingte Voraussetzung für höchste Qualität im gesamten Prozess von Planung, Bau und Betrieb. Nachhaltige Gebäude entstehen somit als Resultat einer wahrlich interdisziplinären Zusammenarbeit.

tab: Wie funktioniert die Integrale Planung in der Praxis?

Albert Achammer: Integrale Planung ist nicht nur eine Arbeitsweise, sondern eine Haltung. Sie beginnt im Kopf. Wir setzen uns von Beginn an zusammen, um alle am Planungsprozess Beteiligten, auch den Kunden und andere Stakeholder, frühzeitig zu integrieren. Da wir in unseren Büros auf integrale Zusammenarbeit setzen, gibt es einen ständigen Wissensaustausch unter unseren Mitarbeitenden, das erleichtert die Kooperation in den Projektteams zusätzlich. Arbeitstechnisch nutzen wir seit Langem die digitale Planung (BIM) und entwickeln die notwendigen Anwendungen mit unseren IT-Experten weiter. Damit sind wir etwa in der Lage, bereits in einer frühen Planungsphase das Gebäude anhand seines „digitalen Zwillings” zu analysieren und zu simulieren, welche Maßnahmen die Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit des Gebäudes signifikant erhöhen. Wir können dem Kunden so schon früh wichtige Entscheidungsgrundlagen liefern, etwa über Einsparungspotenziale über den gesamten Lebenszyklus. Architektur, Tragwerksplanung und Technische Gebäudeausrüstung können damit ihren Entwurfsentscheidungen viel früher belastbare Daten zugrunde legen. Ziel der digitalen integralen Planung ist es, die Qualität des Gebäudes zu steigern und gleichzeitig in allen Prozessen Verschwendung zu reduzieren. Wir wollen den Ressourcenverbrauch drastisch minimieren und streben effektiv die CO2-Neutralität in Errichtung bzw. Betrieb an.

tab: Welche Maßnahmen könnten Branchenkollegen Ihrer Meinung nach zusätzlich unterstützen?

Albert Achammer: Die weltweit voranschreitende Knappheit von wertvollen Baumaterialien zwingt uns, künftig verstärkt in Kreisläufen zu denken. Denn die smarte Wiederverwendung und das Recycling von Bauprodukten sowie Materialien leisten einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen. Gebäude sollen – anstatt zu einer Ansammlung von Altlasten zu werden – als „Rohstofflager” genutzt werden. Die Zukunft liegt sicherlich in rückbaubaren und recyclingfähigen Gebäuden aus umweltverträglichen Materialien.

Effiziente und nachhaltige Bauweise

„B.O.S.S. Border One Stop Shop“ in Hamburg

Das nationale Pilotprojekt „Border One Stop Shop“ (B.O.S.S.) im Hamburger Hafen bündelt künftig Wareneinfuhr- und Zollkontrollen zentral an einem Standort. ATP Hamburg überzeugte mit seiner Ideenskizze für den Neubau an der Finkenwerder Straße und erhielt den Zuschlag im VgV-Verfahren. Die Ideenskizze präsentiert sich als Landmark an einer stadträumlichen Schlüsselposition. Die Kubatur besteht aus einem linearen Sockel und einem darauf liegenden Büro-Volumen. Der Sockel bietet Raum für Kundenbüros sowie den reibungslosen Ablauf der Einfuhrkontrollen, der nahezu „richtungslose“ Würfel darüber schafft Büroflächen für die verschiedenen Behörden.

Über mehrere Geschosse hinweg verbindet im Inneren ein Luftraum die beiden Bereiche. Diese werden durch eine Über-Kopf-Verglasung räumlich getrennt, bleiben aber visuell verbunden. Der lichtdurchflutete Raum bringt Tageslicht in die Kundenhalle im EG und bildet für die Mitarbeiter einen Begegnungs- und Orientierungspunkt auf allen Geschossen.

Der Büro-Würfel ist hauptsächlich als Stahlbeton-Konstruktion, der Sockel in Stahl-Elementbauweise konzipiert. Neben maximaler Flexibilität wird so eine kürzere Bauzeit und ein einfacher Rückbau am Ende des Gebäudelebens erreicht. Hohe Luftdichtheit, eine hochwärmegedämmte Gebäudehülle und wärmebrückenarme Anschlüsse minimieren den Energiebedarf des kompakten Baukörpers zusätzlich. Hinzu kommen ein Gründach zur Steigerung der Biodiversität und Kühlung der PV-Anlage sowie die Verwendung nachhaltiger Materialien.

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