Aktueller Stand und Ausblick
Seit Januar 2010 müssen in Neubauten und bei Totalsanierungen „intelligente“ Zähler für das Smart Metering eingebaut werden. Mit dem Ziel der Transparenz für die Kunden – wie viel Energie (Strom, Gas, Wasser) wird wann und wo benötigt – sollen diese mehr Informationen über die Energieflüsse in den eigenen vier Wänden erhalten.
Letztendlich soll damit der Energieverbrauch in Gebäuden reduziert werden. Dr. Arne Kähler, Bereichsleiter Forschung & Entwicklung des Energiemanagers Techem, stellte sich den Fragen der tab-Redaktion.
tab: In der öffentlichen Wahrnehmung hat sich seit der Verkündung der Einführung der Smart Meter (der „intelligenten“ Zähler) eher wenig getan. Man liest zwar von einigen Pilotprojekten, der große Durchbruch scheint aber noch weit entfernt. Wie gestaltet sich die Einführung des Smart Metering aus Ihrer Sicht?
Dr. Arne Kähler: Smart Metering rückte vor fünf Jahren durch die Veröffentlichung der EU-Dienstleistungsrichtlinie über Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen in den Fokus der Öffentlichkeit.
Mit dieser Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates soll die Effizienz der Endenergienutzung in den Mitgliedstaaten mittels hoher Verbrauchstransparenz verbessert werden. Der deutsche Weg bestand dabei in der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes und der Messzugangsverordnung, mit dem Ziel einer Marktöffnung im Strom- und Gasbereich. Erreichen wollte man das unter anderem durch die Etablierung von Messstellenbetrieb und Messdienstleistung durch Dritte. Allerdings blieben die Bereiche der Wärmeerzeugung mit Öl und Fernwärme sowie der Wärmeverteilung im Gebäude dabei außen vor. Aber genau hier steckt der „schlafende Riese“, denn rund 87 % der Endenergie im Gebäudebereich werden für Wärme aufgewendet.
Hohe Kosten für elektronische Strom- und Gaszähler sowie die begrenzten Einflussmöglichkeiten des Endnutzers haben sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit ausgewirkt. Das zeigen heute viele Pilotprojekte, die sich ausschließlich auf die Verbrauchstransparenz von Strom und Gas konzentrieren.
Wir sind sicher, dass sich mit „intelligenter“ Zählertechnik, die spartenübergreifend neben einer Darstellung der Verbrauchswerte auch für die Optimierung des Anlagenbetriebs und für das Netzlastmanagement genutzt wird, deutlich höhere Einspareffekte erreichen lassen.
tab: Gibt es technische Probleme bei der Installation der Systeme? Wann sollte ein Funksystem und wann ein leitungsführendes System gewählt werden?
Dr. Arne Kähler: Eine wichtige technische Voraussetzung für die erfolgreiche Penetration von Smart Metering-Systemen sind einheitliche Schnittstellen für Ablesung und Inbetriebnahme. Daher möchte ich an dieser Stelle gerne die deutsche Open Metering-Initiative erwähnen.
Ihr ist es gelungen mit einer Open Metering Spezifikation auf Basis der anerkannten Norm EN13 757, einheitlich anzuwendende Standards vorzuschreiben. Und das spartenübergreifend – also für Wärme, Gas, Strom und Wasser – für drahtgebundene und funkgestützte Lösungen.
Die vorgesehene OMS-Zertifizierung wird technische Probleme bei der Inbetriebnahme von „Open Metering“-Geräten auf ein Minimum reduzieren. Funksysteme bieten insbesondere im Gebäudebestand Vorteile. Ich denke in diesem Zusammenhang etwa an die vergleichsweise geringen Aufwände für Infrastruktur und Installation.
tab: Für den Kunden am besten nutzbar ist ein einheitliches System bzw. eine einzige Systemoberfläche. Wie können bestehende Messwerterfassungen in ein übergreifendes System integriert werden?
Dr. Arne Kähler: Hier bieten sich webbasierte Portallösungen an, die jedem berechtigten Nutzer leicht bedienbare und übersichtliche Darstellungen über Verbrauch und Trends liefern und darüber hinaus dem Betreiber zuverlässige Statusinformationen bieten.
Wie bereits erwähnt, greifen Lösungen zu kurz, die ausschließlich auf Verbrauchstransparenz abzielen.
Für ökonomisch erfolgreiche Anwendungen müssen daher im IT-Systemdesign Themen wie Betriebsoptimierung berücksichtigt werden.
tab: Auf der bekannten Internetplattform Wikipedia finden sich überwiegen kritische Bemerkungen, die u.a. angeben, dass dem Nutzer jährlich zwischen 60 und 240 € berechnet werden, die Einsparungen aber optimistisch gerechnet von 9 bis 42 € liegen würden. Entsteht dadurch ein Akzeptanzproblem?
Dr. Arne Kähler: Diese Rechnung, die in Wikipedia aufgemacht wurde, bezieht sich alleine auf die Stromkosten.
Und wie bereits angesprochen, besteht ein Wirtschaftlichkeitsproblem häufig dann, wenn nur Strom und Gas und ausschließlich die Verbrauchstransparenz in die „Smart Metering“-Lösung einbezogen werden. Wirtschaftlich wesentlich vorteilhafter ist es, wenn die Verbrauchsdarstellung mit einer automatisierten Betriebsführung auf Basis der Verbrauchsdaten kombiniert wird.
So können etwa die für die Verbrauchsabrechnung nach Heizkostenverordnung erforderlichen Ablesesysteme auch für die Ablesung von Zählern für Strom und Gas auf Gebäudeebene mitgenutzt werden. Daraus lassen sich Informationen über den Betrieb der Anlagentechnik gewinnen.
Außerdem zeigt Techem mit seiner funkbasierten Lösung „Techem Smart System“, wie neben der reinen Verbrauchserfassung auch die Heizung intelligent nach Bedarf gesteuert werden kann. Unser Energiesparsystem „adapterm“ ist als gering-investive Maßnahme äußerst wirtschaftlich und reduziert heute in über 80 000 Wohnungen den Wärmeverbrauch durchschnittlich um rund 10 %.
tab: Wie sicher sind diese Systeme gegenüber einer Beeinflussung durch Dritte? Ist beispielsweise mit Hackerangriffen zu rechnen, die aus den Systemdaten die besten Zeiten für einen Einbruch ermitteln können?
Dr. Arne Kähler: Heute verfügbare Systeme zur Fernablesung arbeiten in der Regel entweder mit verschlüsselten oder auch recht komplexen Kanalkodierverfahren, die unseres Erachtens einen ausreichenden Schutz für die Verbrauchsablesung darstellen.
Die oben erwähnte Open Metering-Spezifikation sieht beispielsweise eine geräteindividuelle 128bit-AES-Verschlüsselung in der Feldebene vor.
Sicherlich, infolge der hohen Sensibilität der Öffentlichkeit, aber auch getrieben durch die erkennbare Nutzung von Smart Metering Daten für die Steuerung unserer Versorgungsnetze, ist die Politik bestrebt, die Anforderungen für ein Mehr an Sicherheit zu erhöhen.
Das soll mit Hilfe des in Arbeit befindlichen Schutzprofils für Smart Metering geschehen. Wir sind allerdings der Auffassung, dass dies in Abhängigkeit der Anwendung unterschiedlich definiert werden muss.
So wäre eine Erhöhung des Schutzniveaus für die Ablesung von Verbrauchswerten – insbesondere für Wärme und Wasser – aus unserer Sicht nicht erforderlich.
tab: Welche Maßnahmen – technischer und organisatorischer Art – sollte ein Planer unbedingt berücksichtigen, wenn er auf das Thema „Smart Metering“ angesprochen wird?
Dr. Arne Kähler: Smart Metering sollte nicht auf die Energieformen Strom und Gas und die reine Verbrauchsdarstellung beschränkt werden. Möglichst spartenübergreifende Lösungen zur Verbesserung des Anlagen- und Netzbetriebs für Wärme, Strom, Gas und Wasser, auf Basis anerkannter Kommunikationsstandards, sind das Gebot der Stunde.
tab: Herr Dr. Kähler, vielen Dank für die informativen und aufschlussreichen Antworten.