Analyse der LEED-Bewertungssysteme
Die Rolle der Gebäudeautomation bei der LEED-ZertifizierungIn den letzten Jahren erlebt nicht nur Deutschland, sondern die gesamte industrialisierte Welt eine grüne Revolution. Dadurch wird man oft mit der Frage konfrontiert, wie man „grün“ eigentlich messen kann? Gebäude haben sehr komplexe Auswirkung auf die Umwelt. Wäre es dann nicht falsch, nur den Energieverbrauch zu betrachten? Sollte uns nicht auch wichtig sein, welche Lebens- und Arbeitsbedingungen ein Gebäude für seine Nutzer schafft? Als Antwort auf diese Fragen haben Expertengruppen weltweit verschiedene ökologische Baustandards entwickelt, die mehrere Einflussfaktoren eines Gebäudes auf die Umwelt und die Nutzer berücksichtigen.
Einer der Standards, die derzeit versuchen, ökologische Baustandards zu etablieren, ist der 2008 entwickelte DGNB. Es gibt allerdings einen Standard, der sich bereits weltweit verbreitet hat und dieser wurde überraschenderweise bereits 1998 in den USA entwickelt, die nicht gerade als Vorreiter für Energieeinsparung bekannt sind. Dabei handelt es sich um den so genannten LEED-Standard. LEED steht für „Leadership in Energy and Environmental Design“ und ist von der USGBC (United States Green Building Council) entwickelt worden. Zurzeit gibt es LEED-Projekte in mehr als 100 Ländern.
LEED ist eine freiwillige Maßnahme und zertifiziert das gesamte Gebäude. Es gibt keine Produkte, die speziell für LEED zertifiziert sind. Aber gewisse hochwertige Produkte können zur LEED-Zertifizierung beitragen. LEED untergliedert sich in mehrere Bewertungssysteme. Das am weiten verbreitete davon in Deutschland ist „LEED New Construction or Major Renovation”, das – wie der Name schon sagt – sich mit der Zertifizierung von Neubauten oder von bestehenden Gebäuden beschäftigt, die erheblich saniert werden sollen. Ein weiteres Bewertungssystem, das in Zukunft an Bedeutung in Deutschland gewinnen könnte, ist „LEED for Existing Buildings“.
Um eine LEED-Zertifizierung zu erhalten, muss eine bestimmte Punktzahl erzielt werden, die zu einer der vier möglichen Zertifizierungssstufen führt – „Certified“, „Silver“, „Gold“ und „Platinum“ (Bild 2). Es gibt Mindestvoraussetzungen, bezeichnet als „Prerequisites“, die keine Punkte bringen und „Credits”, die unterschiedliche Punkte bringen können und frei miteinander kombinierbar sind. Diese sind in fünf Basiskategorien und zwei Bonuskategorien (außerhalb der USA nur eine Bonuskategorie) gegliedert (Bild 2). Die maximale Punktzahl in der Basiskategorie ist 100, zusammen mit der Bonuskategorie sind insgesamt 106 Punkte möglich. Bild 3 zeigt die fünf Kategorien und ihre Gewichtung in der LEED New Construction und LEED Existing Buildings Zertifizierung. Die Credits bringen immer ganze Punktzahlen, was dazu führt, dass die Voraussetzungen für einen Credit immer vollständig erfüllt sein müssen.
Die Bonuskategorie „Innovation in Operations“ vergibt spezielle Bonuspunkte: für die Hinzuziehung eines Experten – genannt „LEED Approved Professional“ oder „LEED AP“ (ein Punkt), für Innovationen (ein bis fünf Punkte) und „Exemplary Points“ oder Punkte für Übererfüllung von Anforderungen mancher Credits (bis drei Zusatzpunkte). Maximal können sechs Zusatzpunkte erzielt werden. Die Innovationspunkte sind dabei eine gute Möglichkeit, die Basis für weitere Punkte für das Projekt mit innovativen Strategien, wie z. B. Wettervorhersage-Heizungsregelung, VOC Monitoring oder einem Facility Management-Plan zu schaffen. Allerdings ist die Bewertung nur schwer abschätzbar, da jedes Projekt individuell betrachtet wird. Eine innovative Strategie ist auch nur für eine bestimmte Zeit innovativ und kann damit nicht zwangsläufig als Präzedenzfall für weitere zukünftige LEED-Projekte dienen.
Seit August 2009 ist es für nach „LEED New Construction“ zertifizierte Gebäude erforderlich, entweder die Daten des Energie- und Wasserverbrauchs mindestens fünf Jahre lang nach der Zertifizierung zum USGBC zu übermitteln oder alle zwei Jahre nach „LEED Existing Buildings“ neu zu zertifizieren. Die „LEED for Existing Buildings“-Rezertifizierung soll normalerweise spätestens alle fünf Jahren erfolgen.
Derzeit sind zwei Studien über die Sparsamkeit von LEED-Gebäuden – eine vom New Building Institute und eine vom Institute for Research in Construction – bekannt. Beide bestätigen dieselbe Tendenz – im Durchschnitt sind LEED-Gebäude energieeffizienter und haben einen 1/5 bis 1/3 geringeren Verbrauch im Vergleich zu konventionellen US-Neubauten. Laut der erstgenannten Studie benötigen LEED-Gebäude durchschnittlich 218 kWh/m2 pro Jahr an Primärenergie gegenüber 287 kWh/m2 pro Jahr für nicht-LEED Gebäude. Allerdings gibt es auch negative Abweichungen vom vorausberechneten Gebäudeverbrauch bei 1/4 bis 1/3 der zertifizierten Gebäude – sehr oft bei Kliniken und Laboren. Um negative Überraschungen in Zukunft zu vermeiden, entwickelt der USGBC neue Bewertungssysteme für Gebäude mit spezifischer Nutzung – z. B. „LEED Healthcare“.
LEED ist ein teures Marketingwerkzeug. Die GBCI-Zertifizierungsgebühren selbst belaufen sich bis auf 27 500 US-$ für „LEED New Construction“. Gemäß Schätzungen von US-Managern kann die Zertifizierung und Dokumentation für große Projekte 100 000 bis 200 000 US-$ kosten. Dazu kommen die Kosten für die LEED-bedingten Änderungen. Die Kosten hängen natürlich auch von den gewählten Bewertungskategorien bzw. Credits ab. Je nach Quelle sollen 2 bis 5 % zusätzlich für die Zertifizierungsstufen Certified, Silver und Gold veranschlagt werden. Aus diesem Grund bauen einige Investoren, wie im Fall der Seattle Ballard Library, die Gebäude LEED-ready, aber sparen sich den Zertifizierungsvorgang.
Auf den ersten Blick ist es ungewöhnlich, dass Investoren dennoch auf eine vergleichsweise teuere Zertifizierung setzen. LEED dient Investoren dabei als internationaler Benchmark, um Gebäude und deren Lebenszykluskosten („Life Cycle Costs“) zu vergleichen, was für diese Gruppe von großer Wichtigkeit ist. Ein LEED-Gebäude wird dabei sowohl als effizienter, als auch mit höherem Komfort und z. B. mehr Tageslicht für die Nutzer angesehen. Damit sollen LEED-Gebäude besser verkaufbar und auch zu besseren Konditionen vermietbar sein, so dass sich die anfänglichen Mehrkosten der Zertifizierung schnell amortisieren. Besonders für große Gebäude fallen die Zertifizierungskosten relativ zu den Gesamtkosten gering aus. Dabei verspricht die Zertifizierung durch den besseren Marktwert des Gebäudes, das „grüne“ Image und die besseren Konditionen bei einer Vermietung einen guten Return of Investment.
Da LEED eine US-Zertifizierung ist, muss diese auf Englisch, mit amerikanischen Einheiten und nach den maßgeblichen ASHRAE-Standards (American Society of Heating Refrigeration and Air-Conditioning Engineers) erfolgen. Diese sollen auch für LEED-Projekte im Ausland eingehalten werden. Dadurch sind LEED-Gebäude weltweit vergleichbar. Die wichtigsten US-Normen im Kontext Energieeinsparung und Automatisierung sind die ASHRAE 90.1 (Energieeinsparung und Klima-Anlagenanforderungen); ASHRAE 62.1 (Mindestfrischluftanteil) und ASHRAE 55 (Temperatur- und Feuchtigkeitskomfortzonen für Büroräume). Zusätzlich benötigen alle „EED New Construction“-Gebäude eine Energieverbrauchs-Simulation nach Appendix G von ASHRAE 90.1 mit zugelassenen Simulationsprogrammen. Beispiel für solche Programme sind DOE-2, Trane Trace 700 und Energy Plus.
Einfluss der Gebäudeautomation
Die Gebäudeautomation beeinflusst definitiv die LEED-Zertifizierung, selbst wenn das auf den ersten Blick nicht so aussieht. Allerdings ist der Einfluss der Automationsnutzung auf die Bewertung einiger Credits direkter, auf andere eher indirekter. Bei „LEED New Construction“ gibt es sieben eher unmittelbar beeinflusste Punkte und sieben eher mittelbar beeinflusste Punkte. Dazu kommen die potentiellen Punkte, die unter EA Credit 1 – „Optimize Energy Effenciency Performance“ (max. 20 Punkte) gewonnen werden können. Jede berechnete Energieverbrauchsverbesserung von 2 % nach ASHRAE 90.1, Appendix G, wird bei LEED mit einem Punkt ausgezeichnet (Tabelle 1 dazu finden Sie zum Herunterladen im Anhang). Wenn eine Verbesserung durch die Automation von 10 % angenommen wird, können also fünf Punkte gewonnen werden. Dazu kommen die Punkte, die ggf. durch Wassereinsparung erzielt werden können. Auch dabei können 2 bis 3 Punkte durch die Gebäudeautomation beeinflusst werden, so dass unterm Strich ca. 22 Punkte mittelbar oder unmittelbar von der Nutzung von Gebäudeautomatisierung abhängen. Dazu kommen gegebenenfalls noch die genannten ein bis zwei Innovationspunkte.
Eine vollintegrierte BAS (Building Automation System) oder Gebäudeautomation ist unbedingt nötig für die LEED-Zertifizierung. Ein EMS (Energie Management System, separat oder bereits im BAS integriert), das den Gebäudeverbrauch speichert und Verbrauchstrends dokumentiert, ist auch für die LEED-Zertifizierung wichtig. Dazu kommen die typischen Enthalpiesensoren, CO2-Sensoren, Bewegungsmelder, Einzelraumregler, Sonnenpositions-Sensoren, Lichtintensitätsfühler, Beleuchtung- und Jalousiensteuerung etc.
LEED erfordert auch, dass nachts die Lichtstärken und Verschattungen gesteuert werden, um die „Lichtverschmutzung“ zu minimieren. Die Erfassung des Wasser-, Strom- und Heizungsverbrauchs soll mindestens zwölf Monate lang nach der Zertifizierung gemessen und analysiert werden. Um präzise Information zu erhalten, ist eine genügende Anzahl von Sensoren an den relevanten Stellen im Gebäude vorzusehen.
In der Kategorie „Water Efficiency“ können Punkte durch die optimierte Nutzung von Frisch- und Grauwasser erlangt werden. Mittels einer Wettervorhersage-Bewässerungssteuerung, kombiniert mit Erdfeuchtigkeits- und Sonnenintensitäts-Sensoren und Grauwassertanküberwachung können intelligente Strategien zur Wassereinsparung für die Außenanlagen entwickelt werden.
Die Kategorie „Indoor Environmental Quality“ beschäftigt sich mit der Qualität des Raumkomforts. Eine Gebäudeautomation, die immer für den erforderlichen Frischluftanteil sorgt, Temperatur und Feuchtigkeit regelt und die CO2-Konzentration überwacht, kann mittels einer guten Klimaanlage (HVAC – Heating, Ventilation and Air-Conditioning) zur Erfüllung der Anforderungen genutzt werden. Für Räume, in denen Rauchen erlaubt ist, soll ein geringer Unterdruck erzeugt werden, um die Ausbreitung des Rauchs in andere Räume zu unterbinden. Die Klimaanlage soll auch in der Lage sein, die Gebäude mit Frischluft zu spülen, um die Schadstoffkonzentration, insb. bei Neubauten, zu senken. Um Energie zu sparen können Bewegungsmelder benutzt werden, um die Klimaanlage in den Besprechungsräumen auszuschalten, die gerade nicht genutzt werden.
Gebäudeautomatisierung wird auch für die (Tages-)lichtsteuerung benötigt. Dabei kommen z. B. Lichtintensitäts- und Sonnenpositionssensoren, genauso wie Jalousiensteuerungen zum Einsatz. Zusätzlich ist die Nutzung eines Beleuchtungssteuerungssystems wie DALI (Digital Addressable Lighting Interface) möglich, um die Flexibilität der Raumnutzung zu sichern. Bewegungsmelder können benutzt werden, um in nicht genutzten Räumen die Licht- und Klimatisierung zusätzlich zu koordinieren.
Um ein Gebäude für „LEED for Existing Buildings“ vorzubereiten, ist es erforderlich, die Verbrauchsdaten von Wasser (Bewässerung, Trinkwasser etc.) und Energie (z. B. EDV, Klimaanlage, Beleuchtung) getrennt zu erfassen.
Bei „LEED for Existing Buildings“ ist der tatsächliche Energieverbrauch des Gebäudes maßgeblich. Aus diesem Grund gibt es zwölf Punkte, die unmittelbar von der Automatisierung beeinflusst sind. Die Summe der mittelbar und unmittelbar beeinflussten Punkte liegt insgesamt zwischen 22 und 25 (Tabelle 2 dazu finden Sie zum Herunterladen im Anhang).
Fazit
Die Gebäudeautomation trägt definitiv zu einer LEED-Zertifizierung bei. Am Ende zählen die Energieeinsparung und der Komfortgewinn, der damit geschaffen und eindrucksvoll und transparent durch eine LEED-Zertifizierung belegt werden kann.
Zum Beitrag
Die Grundlagen für den folgenden Beitrag entstanden im Rahmen der Master-Arbeit der Autorin an der Hochschule Offenburg im Studiengang „Energy Conversion and Management”. Die Arbeit wurde bei der Firma Sauter Cumulus GmbH in Freiburg unter der wissenschaftlichen Aufsicht von Prof. Elmar Bollin angefertigt. Für die Arbeit wurde der VDMA AMG-Förderpreis 2010 vergeben.