Energieeinsparung durch Gebäudeautomation
Normen und Gesetze geben Orientierung
Den Nachholbedarf in Bezug auf die Gebäudeautomation hat der Gesetzgeber erkannt und er verschärft deswegen regelmäßig seine Anforderungen an Gebäude: Im Gebäudeenergiegesetz (GEG) werden Fragen zum Automationsgrad des Gebäudes gestellt und beeinflussen die Berechnung des Jahres-Primärenergiebedarfs, der im Energieausweis ausgewiesen wird. Parallel erwarten Mitarbeiter in modernen Büros mehr Funktionalität in Bezug auf Beleuchtung, Heizung, Klimatisierung etc.
Dabei sind beide Aspekte – die höhere Energieeffizienz und der höhere Komfort für die Nutzer – nicht separat zu betrachten. Wenn in einem Bürogebäude aus Gründen der Energieeffizienz automatisiert wird, um z. B. Betriebskosten zu senken und in Konsequenz Controller, Sensoren und Aktoren zum Einsatz kommen, dann können diese auch zur Umsetzung von Komfortfunktionen genutzt werden. Eine Entscheidung zugunsten Gebäudeautomation bedeutet somit eine Chance zu höherer Energieeffizienz und gleichzeitig höherem Komfort für die Nutzer. Um diese Chance zu nutzen, ist es im Planungsprozess wichtig, die Bedienung durch den Nutzer und die Auswirkungen auf diesen zu berücksichtigen. Ansonsten wird die Automation in einem Gebäude falsch geplant und ärgert später den Nutzer, statt ihm zu dienen.
Gebäude ganzheitlich optimieren
Zur Senkung des Energiebedarfs in Gebäuden stehen unterschiedliche Maßnahmen zur Verfügung. Zum einen ist das die Optimierung der klassischen Faktoren wie Bauphysik (Dämmzustand von Wänden, Dachgeschoss sowie thermische Isolierung von Bodenplatte bzw. Kellergeschoss, Zustand von Fenstern und Türen etc.) und zum anderen die Anforderung an effiziente Energiebereitstellung bzw. Anlagentechnik (z. B. Nutzung von Fernwärme, Brennwertkesseln, BHKW, Wärmepumpen, Photovoltaik- oder Solarthermie-Anlagen etc.).
Der Energiebedarf für z. B. den Energieausweis wird meist aufgrund von Kennwerten gemäß Datenblättern der Anlagentechnik berechnet. Diese Kennwerte werden üblicherweise im Labor unter Rahmenbedingungen ermittelt, wie sie beim späteren Einsatzfall in der Praxis vermutet werden. Auch geht die Berechnung davon aus, dass der Bau des Gebäudes fachgerecht ausgeführt wird und sich die Anlagentechnik in einem ordnungsgemäßen und regelmäßig gewarteten Zustand befindet. Das alles kann stimmen – muss es aber nicht. Das echte Leben verhält sich oft anders als es Vorschriften, Wartungsanforderungen oder Berechnungsverfahren vorgeben. Es ist in der Praxis sehr wahrscheinlich, dass die echten Energiebedarfswerte für ein Gebäude oder dessen Anlagentechnik anders ausfallen, als es über die Verwendung von Kennwerten berechnet wurde. Deshalb ist es wichtig, den Energiebedarf über Energiemonitoring zu überwachen. Professor Dr. Martin Becker von der Hochschule Biberach bringt das immer wieder mit folgender plakativer Aussage auf den Punkt: „Energieeffizienz, ohne zu messen, kannst Du vergessen“!
Selbst in Gebäuden mit guter Dämmung und effizienter Anlagentechnik kann viel Energie verschwendet werden, wenn die Anlagen ohne Nutzen betrieben werden. Deshalb sollten Heizungsanlagen nur dann betrieben werden, wenn auch konkret Wärmebedarf vorliegt und nicht gemäß Zeitplan bzw. bis ein Pufferspeicher „geladen“ ist. Ähnliches gilt für Klima- und Lüftungsanlagen. Auch die Beleuchtung sollte sich an den Bedarf anpassen, d. h. die Präsenz bzw. den Tageslichteinfall berücksichtigen, denn insbesondere in Nichtwohngebäuden lassen Nutzer die Beleuchtung oft unnötig eingeschaltet. Dieser bedarfsgeführte Anlagenbetrieb wird über die Gebäudeautomation gewährleistet: Die richtigen Sensoren an den wesentlichen Stellen in Verbindung mit Aktoren oder Controllern sind die beste Lösung.
Gesetzliche Vorgaben
Das GEG legt die Mindestanforderungen an Gebäude in Bezug auf den energieeffizienten Betrieb fest. Das sind zunächst die Obergrenzen für Neubaumaßnahmen für den Jahres-Primärenergiebedarf für ein Gebäude sowie für die Wärmeverluste (Transmissionswärmeverluste) durch Bauteile bzw. die gesamte Gebäudehülle. Zusätzlich werden Mindestanforderungen an die Anlagentechnik gestellt. Im Detail schreibt das GEG die Berechnungsmethode für die Ermittlung des Energiebedarfs vor und ist die Grundlage für die Erstellung des Energieausweises.
Die Notwendigkeit zum GEG ergibt sich durch die EPBD (Energy Performance of Buildings Directive). Diese von der EU beschlossene Richtlinie ist der gesetzliche Rahmen für Vorgaben, die von den einzelnen Mitgliedsstaaten in jeweils nationales Recht umzusetzen sind.
Die Bewertungsgrundlagen für den Energiebedarf kommen inhaltlich aus der DIN V 18599. Schon seit der ersten Version wurden dort die Einflüsse von Gebäudezustand und Anlagentechnik berücksichtigt. Im Dezember 2011 wurde diese Norm um einen 11. Teil ergänzt, um dem Einfluss durch die Gebäudeautomation Rechnung zu tragen. Der in diesen 11. Teil geflossene Inhalt stammt größtenteils aus der Europanorm EN 15232. Dieser 11. Teil ist für die Nichtwohngebäude die Grundlage für die Bewertung der Förderfähigkeit gemäß BEG.
In der EPBD wird die Einführung eines „Smart Readiness Indicators“ (SRI) gefordert. Dies ist noch nicht vom GEG übernommen, wird aber wohl in absehbarer Zeit der Fall sein. Ein Großteil der Fragen, die zur Ermittlung des SRI verwendet werden, kommen übrigens aus der EN 15232. Bild 2 visualisiert den Zusammenhang zwischen diesen Normen und Vorschriften.
Verschiedene GA-Effizienzklassen
Die DIN EN 15232 – auch oft verkürzt als EN 15232 bezeichnet – ermöglicht es, das energetische Einsparpotenzial durch Gebäudeautomation zu ermitteln. Sie enthält im Wesentlichen eine Checkliste, die die Gewerke Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung, Verschattung und Managementfunktionen systematisch hinterfragt. Zu ihrem Gebrauch ist kein Fachwissen über spezielle Technologien der Automation erforderlich. Je nach dem Ergebnis werden Gebäude einer von vier Gebäudeautomations-Effizienzklassen zugeordnet:
Klasse A: hoch energieeffizientes Gebäudeautomationssystem (GA-System) und Technisches Gebäudemanagement (TGM)
Klasse B: erweitertes GA-System und einige spezielle TGM-Funktionen
Klasse C: Standard GA-System
Klasse D: GA-System, das nicht energieeffizient ist
Dazu ein Beispiel für die Beleuchtung eines Nichtwohngebäudes: Wird das Licht mit einem manuell bedienbaren Lichtschalter ein- und ausgeschaltet, erfolgt die Zuordnung in die Effizienzklasse D, denn das Licht bleibt in diesem Fall oft unnötig eingeschaltet. Die Möglichkeit, alle Leuchten über ein zentrales Signal auszuschalten, führt zur GA-Effizienzklasse C. Lässt sich das Licht bedarfsgerecht automatisch ein- und ausschalten, erfolgt die Einstufung in die höchste GA-Effizienzklasse A. Da sich diese Varianten theoretisch durchspielen lassen, kann das energetische Einsparpotenzial unterschiedlicher Automationsgrade bereits in der frühen Planungsphase miteinander verglichen werden.
Derzeit wird die EN 15232 auf weltweite Gültigkeit als ISO 52120 umgestellt. Für die englische Variante ist das bereits geschehen; die deutsche Variante, somit im Detail die „DIN EN ISO 52120“, liegt bisher nur im Entwurf vor. Da zwischen beiden Normen nur ganz marginale Unterschiede bestehen, sollte es in dieser Übergangszeit noch erlaubt sein, wahlweise mit der EN 15232 für deutsche Texte und der ISO 52120 für englische Texte zu arbeiten.
Checkliste und Online-Bewertungstool
Bild 3 zeigt den Extrakt einer Checkliste auf Basis der EN 15232. Zu jeder Antwortmöglichkeit einer Frage wird bereits angezeigt, zu welcher GA-Effizienzklasse die jeweilige Antwort einen Beitrag leistet. Dabei erlaubt die Checkliste bereits die Auswahl einer Ist- und einer Soll-Variante. D. h. die Checkliste „ermutigt“ bei Antworten, die zu den Klassen D oder C führen, bewusst über Verbesserungsalternativen nachzudenken. Dabei enthält die Checkliste zu jeder Antwortmöglichkeit Vorschläge für die „funktionale Beschreibung“. Diese Texte können genutzt werden, um die Erläuterungsberichte oder Ausschreibungstexte zu ergänzen.
Durch den Vergleich von Ist- und Soll-Ausstattung lässt sich auf Basis dieser Norm abschätzen, wie groß die mögliche Reduktion des Energiebedarfs durch die (weitere) Einführung von Gebäudeautomation ist. Zur Auswertung steht dazu ein kostenloses Online-Tool zur Verfügung. Ohne sich in technischen Details zu verlieren, werden darin Anregungen und Handlungsempfehlungen gegeben, in welchem Rahmen sich die Automatisierung des Gebäudes lohnt. Denn gleichzeitig ermittelt das Programm das Einsparpotenzial bei Umsetzung der Maßnahmen. Diese Ergebnisse können Fachplaner und Architekten diskutieren und ihre Auswertung dem Bauherrn zur Entscheidung vorlegen. Die Checkliste sowie das Tool stehen kostenlos unter www.Gebäude-IQ.de zur Verfügung.
Gebäudeautomation im BEG
Zum 01. Januar 2021 wurde vom BAFA das Förderprogramm BEG (Bundesförderung für effiziente Gebäude) ins Leben gerufen und dieses umfasst auch die Förderfähigkeit von Einzelmaßnahmen der Gebäudeautomation. Im Detail ist der förderfähige Umfang im „Infoblatt zu den förderfähigen Maßnahmen und Leistungen“ beschrieben. Dieses Infoblatt ist u. a. auf der Homepage des BAFA verfügbar, in Bezug auf die Gebäudeautomation sollten die Abschnitte 3.5 sowie 3.6 beachtet werden.
Für Wohngebäude sei auf den Abschnitt 3.5.1 verwiesen. Dort sind einige Maßnahmen des Smart Home beschrieben, die grundsätzlich förderfähig sind. Darunter fallen nicht nur Smarthome-Controller sowie deren Komponenten zur Raumtemperaturregelung, sondern auch Komponenten zur Automation von Verschattung, Lüftung und Beleuchtung (d. h. auch u. a. Luftqualitätssensoren, Fensterkontakte, Präsenzsensoren, Beleuchtungsaktoren etc.). Ergänzend sind auch die in den Abschnitten 3.5.2 (Systemtechnik), 3.5.3 (Schalttechnik, Tür- und Antriebssysteme), 3.5.4 (Elektroarbeiten) und 3.5.5 (Energiemanagement) beschriebenen Maßnahmen förderfähig.
In Bezug auf Nichtwohngebäude wird in Abschnitt 3.6 darauf hingewiesen, dass grundsätzlich alle Maßnahmen förderfähig sind, die zur „Realisierung eines Gebäudeautomatisierungsgrades von mindestens der Klasse B nach DIN V 18599-11“ führen. In der Checkliste gemäß Bild 3 ist die Angabe einer GA-Effizienzklasse unterstrichen, wenn die Frage von der DIN V 18599 übernommen wurde. Das bedeutet:
Wenn in der Checkliste die Angabe der GA-Effizienzklasse unterstrichen ist, führt die Maßnahme zu erhöhter Energieeffizienz und die Maßnahme ist BEG-förderfähig.
Wenn in der Checkliste die Angabe der GA-Effizienzklasse nicht unterstrichen ist, ist die Maßnahme in Bezug auf das BEG nicht förderfähig. Allerdings führt diese zu erhöhter Energieeffizienz und ist somit womöglich trotzdem sinnvoll. (Abschätzung über das erwähnte Online-Tool)
Fazit
Ohne Gebäudeautomation ist ein energieeffizientes Gebäude schwierig zu realisieren. Somit stellt sich nicht die Frage nach dem „ob“, sondern nach dem „wie“. Dies wiederum sollte projektindividuell entschieden werden. Dazu steht mit der EN 15232 bzw. ISO 52120 eine anwendbare Norm zur Verfügung, mit der sich der Grad der Automation erfassen und bewerten lässt. Über darauf basierende Checklisten und andere Tools lassen sich zudem Varianten vergleichen und das energetische Einsparpotenzial konkret berechnen.