Anforderungen an moderne Gebäude

Die Cloud-Plattform als Standardgewerk der TGA

„Brain“, „Building Middleware“, Betriebssystem für Gebäude, „Building Operation“System, Digitalisierungsplattform, Cloud-Plattform für Gebäude, „Smart Building“Plattform, Digitaler Zwilling – im Markt kursieren aktuell vielfältige Wörter und ­Bezeichnungen, aber worüber sprechen wir eigentlich wirklich?

Auf der einen Seite wollen Gebäudebesitzer näher an die Nutzer heranrücken und über die Güte ihrer Immobilien informiert sein. Sie wollen über die tatsächliche Nutzung und Performance ihrer Gebäude Bescheid wissen. Auf der anderen Seite gilt es, Gebäude zu optimieren und die Betriebseffizienz zu steigern. Immobilien sollten nachhaltiger werden, da sie eine wichtige Rolle im Energiesystem der Zukunft spielen. Summa summarum: Die Zukunftsfähigkeit von Immobilien ist entscheidend. Nur so können Gebäudebesitzer flexibel auf zukünftige Anforderungen seitens der Nutzer und Mieter reagieren. All das dient der langfristigen Sicherung der Wertstabilität, dem natürlichen Interesse eines jeden Gebäude- und Liegenschaftsbetreibers (Asset-Owners).

Anforderungen im Detail

Nicht nur durch die Entwicklungen als Folge der Covid-19-Pandemie erhöht sich aktuell der Druck, Flächen effizienter zu nutzen. Informationen über die tatsächliche Nutzung und das Nutzerverhalten ermöglichen eine bessere Auslastung von Flächen.

Die Güte der bereitgestellten Fläche hat einen direkten Einfluss auf erzielbare Kaltmieten. Hierbei kommt den Aspekten gesunde Raumluft und Behaglichkeit eine steigende Bedeutung zu. Gleichzeitig sollen die Kosten und der Energieaufwand für eben diese Bereitstellung möglichst geringgehalten werden. Der erste Schritt muss sein, zu wissen unter welchem Aufwand welche Qualität erzielt wird. Die Betriebseffizienz von Gebäuden ist eine zu ermittelnde und in der Folge zu verbessernde Größe. 

Effizienz steht immer im Spannungsfeld von Nutzen und Aufwand. Ein Ansatz besteht darin, den Ertrag von Immobilien zu steigern. Wertvorschläge von Immobilien sind u.a. Behaglichkeit, gute Raumluftqualität, hygienisch einwandfreies (Warm-)Wasser und weitere Energiedienstleistungen, wie Prozesswärme oder -kälte (z.B. zur Sterilisation in Krankenhäusern oder zur Kühlung von Lebensmitteln). Ein anderer Ansatz ist, den Aufwand zu senken, mit dem der Nutzen erzielt wird. Dieser umfasst insbesondere den Energieverbrauch sowie das Personal und Material zum Betrieb der Immobilie.

Zur Reduktion von Ressourceneinsatz kommt dem Facility Management während des Betriebes eine Schlüsselrolle zu. Es gilt, die Prozesskette mit digitalen Methoden zu optimieren. Beispiele sind prädiktive Instandhaltung, digitale Auftragsverarbeitung und -vergabe, Standardisierung der Leistungsbilder, digitale Checklisten als Hilfsmittel während der Auftragsbearbeitung und als späterer Nachweis und so weiter.

Neben optimierten FM-Prozessen bedarf es der betriebstechnischen Optimierung der Energiesysteme in Gebäuden. Skalierbare Analysen müssen ein Optimierungspotential auto­matisiert erkennen und helfen, dieses zu heben. Fortschrittliche Regelalgorithmen unter Einbeziehung von Wetter- und Nutzungsvorhersagen, Simulationsrechnungen und mathematischer Optimierung müssen den Dauerbetrieb von Gebäuden effizienter gestalten.

Die Reduktion eines ganzheitlich errechneten Primärenergieaufwands im Immobilienbetrieb (also inklusive der Prozesse um eine Immobilie herum) wirkt sich unmittelbar auf die Nachhaltigkeit von Immobilien aus. Dies ist vor dem Hintergrund einer CO2-Bepreisung mit perspektivisch steigenden CO2-Preisen ein nicht zu vernachlässigender Aspekt. Manage-to-Green kann hierbei eine Investmentstrategie für sich darstellen [1]. 

Es ist anzunehmen, dass Nutzeranforderungen an Flächen und deren Bedienbarkeit steigen werden, da Nutzer aus nachfolgenden Generationen digital affiner sind und verschiedene „Smart Building“-Funktionen zu schätzen und würdigen wissen. Die Zukunftsfähigkeit von Immobilien wird also mitunter von deren Konnektivität und dem Vorhandensein notweniger Schnittstellen bestimmt, verbreitet wird zunehmend von „Digital Readiness“ oder „Smart Building Readiness“ gesprochen.

Die übergreifende Anforderung ist die Wertstabilität bzw. der Wertzuwachs von Portfolios. Ich bin überzeugt, dass dieser nur durch eine ganzheitliche Betrachtung der oben genannten Aspekte realisiert werden kann.

 

Von Einzellösungen zu einem Gesamtkonzept

Praktisch alle genannten Herausforderungen können mit verfügbaren Methoden angegangen werden. Um dies deutlich zu machen, möchte ich eine Beispielkette ohne Anspruch auf Vollständigkeit bieten.

- Flächennutzungsanalysen mit „Heat Mapping“ findet sich im Leistungsumfang von Leuchtenherstellern sowie als Retrofit-Angebot von Sensorikherstellern mit ihren Plattformen. 
- Software-Lösungen unterstützen bei der Beurteilung der Performanz von Gebäuden durch Modellieren von Soll-Zustand und Abgleich mit dem Ist-Zustand.
- Durch klassische GA-Systeme und Nutzung derer GLT lassen sich das Betriebsverhalten beobachten und somit Rückschlüsse auf thermischen Komfort und Behaglichkeit ziehen.
- Die Umbrüche im Facility Management lassen sich durch Podcasts, welche den innovativen Rand der Branche beleuchten, gut nachvollziehen. Es gibt mittlerweile Angebote wie „Cleaning on Demand“ oder zustandsbasierte Wartung von RLT-Anlagen. Nachrüstbare Sensorik für Aufzüge macht deren Instandhaltung deutlich effizienter.
- TGA-Fachingenieure, Contractoren und andere Akteure bieten Dienstleistungen zur Energieoptimierung von Gebäuden teilweise in einem Einspar-Contracting-Modell.
- Durch Anbieter wettervorhersagebasierter Regelungen und selbstlernenden Algorithmen der Künstlichen Intelligenz (KI) lässt sich der Dauerbetrieb von Immobilen nachhaltig verbessern.
- Bezüglich der „Environmental, Social and Governance“-Ziele (ESG-Ziele) lassen sich umfangreiche Beratungsangebote der etablierten beratenden Akteure erwerben, welche teilweise mit eigenen Produkten in Richtung der damit verbundenen Herausforderungen gehen.
- Das Angebot von „Smart Building“- und „Smart District“-Apps mit Services wie Zutritt, Locker, People-Finder, Raum- und Arbeitsplatzbuchung, Incident-Management, Community-Anwendungen und vielen weiteren wird immer breiter.

Die einzelnen Lösungen versprechen Abhilfe zu den besagten Punkten und adressieren zum Teil einzelne oder mehrere Herausforderungen. Die Websites von PropTechs verwenden weitestgehend ähnliche Begriffe, welche die Differenzierung zu einer schwierigen Aufgabe machen. Abhilfe wird von Beratungsunternehmen angeboten. Ein „Smart Building“ wird heutzutage einzelfallbasiert projektiert. Letztendlich sind die entstehenden Systeme im Anschluss wiederum eine Einzellösung. Dabei ist die technische Topologie keineswegs standardisiert. Will man seine Portfolios ganzheitlich wertstabil halten, darf nicht nur der Neubau betrachtet werden. Der Blick muss auf den Bestand gerichtet werden, um alle Gebäude fit für die Zukunft und nachhaltiger zu machen.

Cloud-Plattform als Lösung

Was ist nun das technische Gewerk, das alle Dinge zusammenführt? Nach meiner Überzeugung lässt sich dieses zusammenführende Gewerk als Cloud-Plattform für Gebäude beschreiben. Diese muss zum Standardgewerk der TGA werden und somit Teil eines jeden Gebäudes – im Neubau wie im Bestand gleichermaßen.

Das Gewerk skizzieren wir in Bild 1 und betten es zeitgleich in die Topologie des Gebäudes ein.

Die zu erfüllenden Grunddienste sind zunächst einmal Datenerfassung und Datenhaltung in einem „Data Lake“. In diesem „Datensee“ sind alle technischen Betriebsdaten, Verkehrsdaten und Bewegungsdaten enthalten, die von der TGA erzeugt werden. Als existierender Standard kann die DIN 276 mit ihrer Kostengruppe 400 herangezogen werden. Zudem müssen alle wichtigen Stamm- und Metadaten zur Immobilie vorhanden sein. Weiterhin muss es die Möglichkeit geben, relevante Dokumente, z.B. Revisions-, Hersteller- und Wartungsunterlagen sowie Verträge verfügbar zu machen. Es muss letztlich der Digitale Zwilling einer Immobilie und des ganzen Portfolios zu hinterlegen sein.

Wichtige Grundfunktion der Cloud-Plattform für Gebäude ist die Fähigkeit, allen interessierten Beteiligten („Stakeholdern“) Zugriff auf genau die Daten zu geben, welche sie sehen sollen, dürfen oder müssen. Dabei müssen Datenschutz und -sicherheit vollumfänglich gewährleistet sein. Essentieller Bestandteil der Plattform müssen offene Schnittstellen sein, welche in einer Weise dokumentiert sind, so dass relevante Stakeholder sie ohne Zutun des Anbieters selbstständig integrieren können.


Integration der Daten in die Cloud-Plattform

Dem Gewerk Gebäudeautomation, Kostengruppe 480, komm eine besondere Bedeutung zu. Je nach Ausstattungsgrad des Gebäudes und insbesondere der Gebäudeautomation werden mehr oder weniger die technischen Systeme durch sie zusammengeführt und automatisiert. Die Gebäudeautomation ist also der erste Anknüpfungspunkt zur Datenerhebung. In der Realität ist mir kein Fall bekannt, in der die Gebäudeautomation alle relevanten Gewerke vollumfänglich zusammenführt. Es müssen also durch eine weitere Technik weitere Gewerke lokal integriert werden. Dies kann über IP-technische Integration mittels sogenannter „Edge Devices“ erfolgen oder die Bestandstechnik wird mittels Gateways ertüchtigt Ist auch die Bestandstechnik zu alt, bietet sich das anwendungsfallorientierte Einbringen zusätzlicher Retrofit-Sensorik an – ein technologisch sich schnell entwickelnder Markt. 


Lokale Datenhaltung oder Cloud?

Der richtige Ort für die Daten und Schnittstellenfunktionen ist heute die Cloud. Dies wird verstärkt durch den Aspekt, dass Datenveredelung durch die besten Algorithmen zu erfolgen hat, um maximalen Mehrwert zu generieren. Die Tatsache, dass eine Plattform niemals alle für den jeweiligen Anwendungsfall optimalen Algorithmen beherbergen wird und die jeweils besten Algorithmen sicherlich in verschiedenen weiteren Plattformen stecken macht es ersichtlich, dass die Zukunft einer Cloud-to-Cloud- oder auch Platform-of-Platforms-Topologie gehört. In Bild 1 erklärt dies das Vorhandensein der „Plattformen und digitalen Services Dritter“.

Fazit

Immobilien brauchen eine Cloud-Plattform zur zeitgemäßen Adressierung oben genannter Herausforderungen. Um die Vielzahl der vorhandenen Gebäude im Neubau und im Bestand zu adressieren, bedarf es dringend einer Standardisierung und damit nicht zuletzt der Vergleichbarkeit des Leistungsbildes Cloud-Plattform von unterschiedlichen Anbietern.

Quellen

[1] Jens Böhnlein, Global Head of Asset Management der Commerz Real; „Das neue Manage-to-Core heißt Manage-to-Green“, www.commerzreal.com/comview/das-neue-manage-to-core-heisst-manage-to-green , Aufruf am 30. September 2020
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