Das Softwaretool „MindLW 8“
Mindestluftwechsel für die Lüftung berechnen – Teil 1Das Programm „MindLW“ berechnet Luftvolumenströme zur Realisierung eines Lüftungskonzeptes. Die Auslegung kann erfolgen nach der Hygienelüftung, Feuchteschutzlüftung und der Entlüftung von Nassräumen. Neben der vorausgesetzten ventilatorgestützten Lüftung ist die Fensterlüftung (manuell oder automatisiert) als Untersuchungsvariante möglich. Ist der notwendige bzw. erreichbare Luftvolumenstrom bekannt, kann zum Nachweis der Raumluftqualität eine Simulation erfolgen, in der die CO2-Konzentration und die sich näherungsweise einstellende Raumluftfeuchte ermittelt wird.
Grundlage für die Berechnungen sind Normen und Richtlinien für Wohn- und Nichtwohngebäude mit Ergänzungen, welche in der Planungspraxis von Interesse sind bzw. benötigt werden. Dabei wird raumweise vorgegangen. Das Programm „MindLW“ eignet sich sowohl für die fachgerechte Auslegung, als auch für die Begutachtung mittels Parametervariationen.
Dieses Tool ist für „Windows 64 Bit“ kostenfrei unter [1] erhältlich. Dort ist auch eine Info über den grundsätzlichen Umgang mit dem Programm sowie eine kurze Erläuterung der Berechnungsgrößen vorhanden. In einigen Ingenieurbüros ist „MindLW“ in früheren Versionen seit längerer Zeit im Einsatz. Über die Hintergründe zu den verwendeten Algorithmen soll in diesem Beitrag berichtet werden.
Bedarfsgerechte Auslegung anhand der CO2-Konzentration
Mit der DIN EN 16798-1 [2] hat man die Möglichkeit, eine bedarfsgerechte Auslegung nach der CO2-Konzentration sowohl für Wohngebäude als auch für Nichtwohngebäude vorzunehmen, allerdings nur in der stationären Variante. Die CO2-Konzentration ist nicht nur ein Indikator für anthropogene Emissionen, sie wird inzwischen auch als Warnsignal für das Infektionsrisiko durch SARS-CoV-2–Viren verwendet (s.a. CO2-Ampel in Schulen).
Mit „MindLW“ ist zusätzlich auch die Belegungszeit des Raumes vorgebbar. Da hier auch das Raumluftvolumen berücksichtigt wird, ist es möglich, dass für eine relativ kurze Belegungszeit keine Lüftung für anthropogene Emissionen erforderlich ist, z.B. 30 Schüler für 45 min in einer großen Aula.
Eine Lüftungseffektivität wird in „MindLW“ nicht berücksichtigt. D.h., es wird von einer idealen Mischungsströmung ausgegangen. Dafür wird aber das Möblierungsvolumen vom Raumluftvolumen abgezogen, da dieses Volumen nicht am Luftaustausch teilnimmt. Bei der instationären Berechnung mit einer entsprechend kurzen Belegungszeit können dadurch höhere Volumenströme notwendig sein.
Einige Richtlinien verlangen oder empfehlen inzwischen die Einhaltung einer bestimmten maximalen oder mittleren CO2-Konzentration, welche auch über ein Lüftungskonzept zu dokumentieren ist:
Teil I: Bildungseinrichtungen [5].
Die Gesundheitsämter fordern für die Planung der Schullüftung den rechnerischen Nachweis einer mittleren CO2-Konzentration von 1.000 ppm während einer Unterrichtseinheit und die Betrachtung der Raumluftfeuchte. Sie verweisen dabei auf die Kriterien in [5], in denen auch die Praxistauglichkeit der Lüftung für die einzelnen Räume rechnerisch nachzuweisen ist. D.h., es sind Parametervariationen durchzuführen.
Auch die AMEV-Richtlinie verlangt in [3, Abschn. 4.2.1] für Unterrichtsräume, dass nicht nur ein Lüftungskonzept projektspezifisch zu erstellen ist, sondern auch dessen Funktionsfähigkeit zu überprüfen ist.
Die Besonderheiten einer Auslegung nach CO2 sollen hier beispielhaft verdeutlicht werden.
Bild 1 zeigt für einen Raum mit 45 m³ Raumluftvolumen und Belegung mit einer Person in Ruhe, wie sich die Auslegungsvolumenströme verringern können, wenn die Belegungszeit des Raumes berücksichtigt wird und außerdem der Mittelwert der CO2-Konzentration die Auslegungsgrundlage ist.
Legt man nach stationären Verhältnissen aus, dann würde sich für eine maximale CO2-Konzentration von 1.000 ppm ein Volumenstrom von 36 m³/h ergeben. Das entspricht der Personenluftrate nach DIN EN 16798-1 für die Kategorie I. Wird der Raum aber nur für 120 min belegt, könnten 24 m³/h ausreichend sein, da 1.000 ppm in dieser Zeit nicht überschritten werden. Das ergibt eine Einsparung im Volumenstrom von 33 %.
Wird ein Mittelwert der CO2-Konzentration innerhalb des Belegungszeitraumes zugrunde gelegt, wäre für 1000 ppm gar kein Volumenstrom mehr erforderlich, da allein das Raumluftvolumen für diese Belastung ausreichend ist. Allerdings ist vor und nach der Belegung ein Volumenstrom für mindestens einen einfachen Luftwechsel erforderlich, um den Raum vor der Belegung vollständig zu durchlüften bzw. nach der Belegung die verbrauchte Raumluft abzuführen.
Bei einer Reduktion von 64 % gegenüber dem stationären Ergebnis würden sich noch komfortable 800 ppm nach 120 min als Mittelwert einstellen.
Bild 2 zeigt den Einfluss des Raumluftvolumens auf den Auslegungsvolumenstrom. Hier wird für einen Raum mit gleicher Grundfläche und gleicher Belastung und Zielwert 1000 ppm eine höhere Raumhöhe angenommen, was ein 20 % höheres Raumluftvolumen zur Folge hat. Bis zu einer Belegungszeit von 60 min ist allein das Raumluftvolumen für diese Belastung wieder ausreichend. Im Zeitraum 60 bis ca. 300 min übt das Raumluftvolumen einen Einfluss auf den erforderlichen Auslegungsvolumenstrom aus. Bei 120 min ergibt sich eine Reduktion von 28 % bei einer Raumhöhe von 3,00 m gegenüber der Berechnung mit 2,50 m Raumhöhe.
Die Beispiele veranschaulichen den Zusammenhang zwischen Belegungszeit und Belastung im Verhältnis zum Raumluftvolumen, solange man sich rechnerisch im instationären Bereich des CO2-Anstieges befindet. Für eine bedarfsgerechte und projektorientierte Auslegung ist die Kenntnis über die Anzahl der Personen im Raum, deren Aktivität und Aufenthaltsdauer notwendig. Der Bauherr ist nach neuem Bauvertragsrecht verpflichtet, hierüber Auskunft zu erteilen bzw. dies mit dem Planer abzustimmen.
Die Verwendung der in Normen angegebenen Volumenströmen ist hinsichtlich der zugrunde gelegten Randbedingungen zu überprüfen. So finden sich z.B. Angaben, die eine feste Raumhöhe von 2,50 m voraussetzen. In der Heizlastnorm DIN/TS 12831-1 [6, Abschn. 4.11] werden nur für Wohngebäude Standardwerte der Mindestluftwechselzahl empfohlen, die auch nur für eine Raumhöhe von 2,50 bis 3,00 m gelten. Bei gleicher Personenluftrate macht das einen Unterschied von fast 17 % im Volumenstrom aus. In allen anderen Fällen ist der Mindestluftwechsel nach Norm projektspezifisch zu ermitteln. Mit „MindLW“ kann man eine solche Berechnung durchführen und auch die errechnete Luftwechselzahl über die Zwischenablage in ein weiteres Rechenprogramm einsetzen.
Berücksichtigung der Gebäudeemissionen
Weitere Emissionen, welche durch einen Zuluftvolumenstrom abgeführt werden müssen, sind die Schadstoffe aus dem Gebäude selbst. Das sind nicht nur die Baustoffe, sondern auch die vom Nutzer eingebrachten Stoffe, wie z.B. Formaldehyd aus Lacken, Kosmetika, Möbel, usw. In der DIN EN 16798-1 wird der Volumenstrom für die Abfuhr der Gebäudeemissionen zum Volumenstrom für die Personen addiert. Da ein Volumenstrom beide Emissionsarten gleichzeitig abführt, ist diese lineare Addition fragwürdig. Deshalb bietet „MindLW“ die Möglichkeit, eine Maximalwertbildung zwischen Personen- und Gebäudeluftrate vorzunehmen oder auf eine logarithmische Addition auszuweichen.
Bei geringen Differenzen zwischen Personen- und Gebäudeluftrate bewirkt die logarithmische Addition eine Erhöhung im Gesamtvolumenstrom über das Maximum hinaus, wird aber nicht so hoch wie die lineare Addition. Bei großen Differenzen, z.B. durch eine hohe Personenanzahl, errechnet sich das Maximum als Gesamtvolumenstrom.
Während der Nichtbelegungszeiten sollte der Lüftungsbetrieb auf geringer Stufe durchlaufen, um eine langfristige Ausdünstung der Schadstoffe aus den fest eingebauten Materialien zu verkürzen. Das hat nicht nur gesundheitliche Vorteile, sondern spielt auch bei einem späteren Verkauf des Gebäudes eine Rolle, wenn hierzu ein Schadstoffgutachten angefordert wird. Aus dem dauerhaften Volumenstrom während der Nichtbelegungszeiten resultiert zusammen mit der minimalen Personenluftrate von 14,4 m³/(h Pers.) ein Mindestwert, dessen Unterschreitung in „MindLW“ kenntlich gemacht wird.
Der Beitrag wird in der nächs-ten Ausgabe fortgesetzt.
Literatur
[2] DIN EN 16798-1:2021-04: Energetische Bewertung von Gebäuden – Lüftung von Gebäuden – Teil 1: Eingangsparameter für das Innenraumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden bezüglich Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik.
[3] AMEV RLT–Anlagenbau 2018. Hinweise zur Planung und Ausführung von Raumlufttechnischen Anlagen für öffentliche Gebäude. Empfehlung Nr. 140. Stand: 26.06.2018. Arbeitskreis Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen (AMEV).
[4] VDI 6040 Blatt 2:2015-09: Raumlufttechnik – Schulen - Ausführungshinweise (VDI-Lüftungsregeln, VDI-Schulbaurichtlinien).
[5] Anforderungen an Lüftungskonzeptionen in Gebäuden – Teil I: Bildungseinrichtungen. Bundesgesundheitsblatt 2018 · 61:239–248. Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau 2018
[6] DIN/TS 12831-1:2020-04: Verfahren zur Berechnung der Raumheizlast – Teil 1: Nationale Ergänzungen zur DIN EN 12831-1