Das aktuelle Baurechtsurteil
Immer diese Abnahmeprotokolle!Zu den Aufgaben von Ingenieuren gehört es oftmals, für die entsprechenden Gewerke das Abnahmeprotokoll vorzubereiten und die Abnahme zu begleiten. Ist der Ingenieur vom Auftraggeber beauftragt, wird er normalerweise die technische Seite durchführen und die eigentliche rechtsgeschäftliche Abnahmeerklärung dem Bauherrn überlassen. Trotzdem gibt es einige Stolpersteine, an denen Streitfälle entstehen. Mit besseren Formularen könnte man hier frühzeitig für Klarheit sorgen. Eine solchen Fall hat letztens der BGH entschieden und dabei auch richtige Grundsätze aufgestellt (Urteil vom 27. September 2018 – VII ZR 45/17).
Zum Fall
Die Leistungen eines Auftragnehmers – im Beispielfall ein Straßenbauer – werden am 12. Juni 2003 abgenommen. In dem Vertrag ist die VOB/B vereinbart, jedoch mit einer abgeänderten Gewährleistungsfrist von fünf Jahren. Im Abnahmeprotokoll ist jedoch vermerkt, dass die Gewährleistung am 12. Juni 2003 beginnt und am 12. Juni 2007 endet. Es kann natürlich nicht anders sein: Im Herbst 2007 werden Mängel festgestellt und gerügt. Es kommt zum Streit. Der Auftragnehmer beruft sich unter Verweis auf das Abnahmeprotokoll auf Verjährung, der Auftraggeber weist auf den Vertrag hin, denn die fünf Jahre sind noch nicht um. Das Oberlandesgericht verurteilt den Auftragnehmer zur Zahlung von rund 600.000 € und ist der Auffassung, dass der Anspruch nicht verjährt ist.
Zur Entscheidung
Der BGH hat diese Entscheidung bestätigt. Er hat klargestellt, dass es bei solchen Abweichungen zwischen der eigentlich vertraglich vereinbarten Gewährleistungsfrist und den Angaben im Abnahmeprotokoll auf den Einzelfall ankommt. Es ist nämlich einerseits denkbar, dass die Parteien tatsächlich eine abweichende Vereinbarung treffen und diese im Protokoll festhalten. Es ist aber mindestens genauso gut denkbar, dass lediglich jemand die richtige Verjährungsfrist nicht „auf dem Schirm“ hatte und eine unrichtige Eintragung in das Abnahmeprotokoll vorgenommen hat.
Wer sich auf eine vom Vertrag abweichende Gewährleistungsfrist – länger oder kürzer – im Abnahmeprotokoll berufen will, muss beweisen, dass es eine abgeänderte Vereinbarung zwischen den Parteien gegeben hat. Normalerweise müsste es dann Zeugen für eine derartige Absprache im Abnahmetermin oder sogar vorangehenden Schriftverkehr geben, außerdem einen vernünftigen Anlass. Im vorliegenden Fall hatte bereits das OLG eine Beweisaufnahme durchgeführt, sich aber nicht die Überzeugung gebildet, dass die Parteien wirklich eine Abweichung vom Vertrag gewollt hatten.
Anders als in vielen anderen Fällen blieb die Angabe im Abnahmeprotokoll diesmal also ohne Wirkung.
Praxishinweis
Freud und Leid liegen manchmal eng beieinander. Vielleicht wird es nach diesem Urteil des BGH etwas seltener, dass Gerichte die Angabe im Abnahmeprotokoll einfach als „letzten Willen“ der Vertragsparteien verstehen. Es besteht aber weiterhin die Gefahr, dass der Architekt oder Ingenieur mit einem Redaktionsversehen Schäden anrichten kann, wenn die Angabe zur Verjährungsfrist später anders verstanden wird. Auch in einigen anderen Punkten kann man im Abnahmeprotokoll etwas falsch machen. Hier sind drei einfache Tipps für alle, die ein Abnahmeprotokoll vorbereiten sollen:
1. Welche Abnahme überhaupt?
Das Wort Abnahme hat mehrere Bedeutungen. Die behördliche Bauabnahme kann man meistens noch ganz gut unterscheiden. Daneben gibt es technische Abnahmen – manchmal auch Vorabnahme genannt – und rechtsgeschäftliche Abnahmen, mit denen das Werk als im Wesentlichen vertragsgerecht vom Auftraggeber bestätigt wird und an der auch sonst einige rechtliche Wirkungen hängen.
Macht der Architekt oder Ingenieur eine rein technische Abnahmebegehung, ohne dass damit schon eine Erklärung des Auftraggebers verbunden sein soll, schreibt er am besten ganz groß „Technische Abnahme“ als Überschrift und stellt in einem Einleitungssatz des Formulars klar, dass die technische Abnahme die spätere rechtsgeschäftliche Abnahme durch den Auftraggeber vorbereiten soll. Dann kann sich auch später niemand in einem Rechtsstreit auf diese vermeintliche „Abnahme“ berufen.
2. Vertragsstrafe
Hat sich der Auftraggeber eine Vertragsstrafe für den Fall von Terminüberschreitungen zusichern lassen, kann es sein, dass diese Vertragsstrafe in ihrer Durchsetzbarkeit von einem sogenannten Vorbehalt bei der Abnahme (!) abhängt. Wer für den Auftragnehmer ein Abnahmeprotokoll vorbereitet, kann sich natürlich genau vorher erkundigen oder aber einfach vorbeugend in sein Formular den Passus aufnehmen: „Die Geltendmachung einer vereinbarten Vertragsstrafe bleibt vorbehalten.“
Trifft dies einmal offensichtlich nicht zu, kann man das ja immer noch streichen. Für alle anderen Fälle braucht man nicht mehr neu nachzudenken.
3. Gewährleistungsfrist
Der Architekt oder Ingenieur möchte in seinem Formular regelmäßig keine neue Vereinbarung über die Gewährleistung treffen, sondern diese noch einmal zur Übersicht festhalten. Natürlich soll er dabei sorgfältig vorgehen. Solange die Frist mit der vertraglichen Frist übereinstimmt, gibt es schließlich keine Probleme. Zur Sicherheit kann man folgende Formulierung aufnehmen: „Die Gewährleistungsfrist bleibt gegenüber dem Vertrag unverändert. Die Gewährleistung beginnt … und endet am …“.
Den besten Tipp für Auftragnehmer im Zusammenhang mit dem Abnahmeprotokoll hatten wir schon vor einigen Monaten in einer ähnlichen Rubrik. Wenn man nicht gerade ausdrücklich mit allen Mängelrügen und den vorgesehenen Beseitigungsfristen einverstanden ist, sollte man das Abnahmeprotokoll über der eigenen Unterschrift mit dem schlichten Zusatz versehen „zur Kenntnis genommen“.
Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
Mit 19 Rechtsanwälten, davon fünf Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Sozietät Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Sozietät hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Architekten und Ingenieure, ausführende Unternehmen und Bauherren in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.