Vertragstext versus Abnahmeprotokoll – was gilt?

Das aktuelle Baurechtsurteil

Vereinbaren Auftraggeber und Auftragnehmer vertraglich eine verlängerte Gewährleistung mit einer Wartungspflicht, muss dies nicht zwingend eine Wartung durch den Auftragnehmer voraussetzen. Legen die Parteien im Abnahmeprotokoll eine entsprechend lange Gewährleistungsfrist ohne Erwähnung der Wartungspflicht fest, kann dies eine einvernehmliche Vertragsänderung darstellen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.04.2021 - 21 U 50/20).

Sachverhalt

Eine Bauherrin vereinbart mit einem Dachdecker einen Vertrag über die Ausführung von Flachdacharbeiten. § 1 des Vertrages enthält die Vereinbarung, dass die Gewährleistung 10 Jahre betrage, beginnend mit dem Tag der mängelfreien Abnahme, ansonsten gelte VOB/B § 13 sinngemäß. Hierzu sei jedoch eine jährliche Wartung der Flachdächer erforderlich. Der Dachdecker führt die Arbeiten aus. Die Arbeiten werden anschließend abgenommen, worüber man ein Abnahmeprotokoll verfasst. Darin heißt es: „Die Abnahme erfolgte mängelfrei. [...] Die Frist für die Gewährleistung für die abgenommenen Leistungen beginnt am 16.10.2008 und endet am 15.10.2018.“ Nach einer Mangelrüge im Jahr 2013 über Wellenbildungen, die beseitigt werden, kommt es zu weiteren Mängelerscheinungen am Dach. Die Bauherrin sieht sich schließlich gezwungen, im Februar 2018 einen Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung einzuklagen. Der Dachdecker wendet Verjährung ein und verweist darauf, dass kein Wartungsvertrag mit ihm abgeschlossen worden sei, der aber Voraussetzung für die verlängerte Gewährleistung gewesen sei. Bei dem Hinweis im Abnahmeprotokoll, dass die Verjährung am 15.10.2018 ende, handele es sich nur um einen deklaratorischen Hinweis auf die vereinbarte Gewährleistungsfrist.

Dr. Michael Kappelhoff, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht bei Schlünder Rechtsanwälte.
Bild: Kappelhoff

Dr. Michael Kappelhoff, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht bei Schlünder Rechtsanwälte.
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Das Landgericht hält den Verjährungseinwand für erheblich und weist die Klage vollumfänglich ab. Die Gewährleistungsfrist habe 4 Jahre betragen und habe damit bereits 2012 geendet. Für das Eingreifen der in § 1 des Vertrags vereinbarten verlängerten Gewährleistungsfrist von 10 Jahren fehle es an einer jährlichen Wartung der Dachflächen durch die Beklagte. Die vertraglich vereinbarte Bedingung „jährliche Wartung der Flachdächer“ sei einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur die Wartung durch die Beklagte zu einer Verlängerung der Gewährleistungsfrist führe.

Die Parteien hätten im Rahmen der förmlichen Abnahme auch nicht - abweichend vom Bauvertrag - eine bedingungslose Verlängerung der Gewährleistungsfrist bis zum 15.10.2018 vereinbart. Das Abnahmeprotokoll enthalte zwar die Angabe, dass die Frist für die Gewährleistung am 16.10.2008 beginne und am 15.10.2018 ende. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien hiermit von § 1 des Bauvertrags hätten abweichen – und nicht nur Beginn und Ende der Gewährleistungsfrist in der Erwartung, dass die Beklagte die jährlichen Wartungen durchführen wird, ausrechnen – wollen, bestünden jedoch nicht. Die Beklagte hätte keinen Anlass gehabt, im Rahmen der – mängelfreien – Abnahme, ein so erhebliches zusätzliches wirtschaftliches Risiko zu übernehmen.

Entscheidung des OLG Düsseldorf

Die Berufung der klagenden Bauherrin ist nicht erfolgreich. Das Oberlandesgericht Düsseldorf bewertet jedoch einerseits die Wartungspflicht im Vertrag anders als das Landgericht – Anhaltspunkte dafür, dass die 10-jährige Gewährleistungspflicht daran geknüpft werden sollte, dass nur das ausführende Unternehmen mit der jährlichen Wartung der Dächer beauftragt werde, seien nicht erkennbar. Es reiche, wenn überhaupt eine jährliche Wartung durchgeführt werde. Dies sei hier nicht erfolgt, so dass die Bedingung für die 10-jährige Gewährleistung nicht erfüllt gewesen sei und hier die vierjährige Gewährleistungsfrist der laut Vertrag „ansonsten“ geltenden VOB/B gelte.

An diesem Ergebnis ändere auch das Abnahmeprotokoll nichts. Es treffe zwar zu, dass in einem Abnahmeprotokoll grundsätzlich vertragsändernde Abreden zwischen den Parteien getroffen werden können und diese dann auch daran gebunden seien. Hier fehlten aber hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass man mit der Formulierung im Abnahmeprotokoll eine Regelung über die Gewährleistung treffen wollte, die die Regelung des Vertrags abändern sollte.

Praxishinweis

Soll eine verlängerte Gewährleistung an die regelmäßige eigene Wartung des Auftragnehmers gekoppelt werden, muss dies auch deutlich im Vertrag geregelt werden. Die Vorstellung, dass man sich schon später auf einen Wartungsvertrag einigen werde und ansonsten ja nur die VOB-Gewährleistung gelte, hätte hier für den Dachdecker teuer werden können, wenn die Bauherrin eine regelmäßige Wartung hätte nachweisen können. So ist es die Bauherrin, die das Nachsehen hat.

Zudem können kleine Zusätze, Auslassungen oder vermeintliche Umformulierungen im Eifer der Abnahme gewaltige Folgen haben. Hätte das Abnahmeprotokoll nicht nur die konkreten Daten der 10-jährigen Frist angegeben, sondern etwa einen weiteren Zusatz zur Gewährleistung enthalten, den die Gerichte als ausreichenden Anhaltspunkt für eine Vertragsänderung angesehen hätten, wäre der Fall wiederum in die völlig andere Richtung, zugunsten der Bauherrin, „gekippt“.

Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Mit 18 Rechtsanwälten, davon sechs Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Sozietät Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Sozietät hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Architekten und Ingenieure, ausführende Unternehmen und Bauherren in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.

www.schluender.info

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