Die tab vor Ort: Zukunft Bau

Wissensschwarm im Netzwerk nutzen

Hohe Baukosten, fehlende Ressourcen und Handwerker, unzureichende politische und ordnungsrechtliche Wegbegleitung bremsen den Bestandsbau aus, so das Fazit des diesjährigen hybriden Zukunft Bau Kongresses. Die tab-Redaktion war vor Ort und nahm Einblicke für die TGA-Branche auf.

Gemeinsam mit dem deutschen Bundesbauministerium veranstaltete das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung den Kongress unter dem Titel „Bauwende: klimabewusst erhalten, erneuern, bauen“. Den rund 3.500 online zugeschalteten Teilnehmern zeigten die Referenten im geschichtsträchtigen Plenarsaal des ehemaligen Behnisch-Baus des Bundestages in Bonn (WCCB) am 18. und 19. November 2021 Trends aus Forschung und Praxis.

Kongress Zukunft Bau läutet die Bauwende am ehemaligen Sitz der Bundesregierung in Bonn ein.
Foto: IWP Uwe Manzke

Kongress Zukunft Bau läutet die Bauwende am ehemaligen Sitz der Bundesregierung in Bonn ein.
Foto: IWP Uwe Manzke

Bestandsimmobilie wird zur Materialmine

„Bauwirtschaft neu denken“, fordert Thomas Rau, Rau Architekten. Um der Ressourcenverschwendung entgegenzuwirken, müsse die Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) als eine wirtschaftliche, juristische und kulturelle, bewusste Verbindung von Wertschöpfungs- und Werterhaltungskette begriffen werden. Dazu erfolgte die Erfassung der verwendeten Rohstoffe bzw. Bauteile im Neubau bisher in einem Kataster für Materialien. Im Jahr 2017 resultierte aus den Ideen, die Thomas Rau und Sabine Oberhuber in ihrem Buch „Material Matters“, veröffentlicht in Deutschland im Jahr 2018, dargelegt hatten, die Gründung von „Madaster“.

Kerstin Müller, baubüro in situ (CH): „Wir planen vor Ort. Mit den Menschen, mit dem Bestand, mit der Umwelt.“
Foto: IWP Uwe Manzke

Kerstin Müller, baubüro in situ (CH): „Wir planen vor Ort. Mit den Menschen, mit dem Bestand, mit der Umwelt.“
Foto: IWP Uwe Manzke

„Ab 2022 wird die Erfassung in den Niederlanden in einer Madasterplattform verpflichtend zusammengefasst. Deutschland zog im Koalitionsvertrag im November 2021 nach und hatte die Erfassung unter der Regel 3004/3005 ebenfalls aufgenommen“, so Thomas Rau. Als ein weltweites Online-Register für Produkte und Materialien in der gebauten Umgebung, können Eigentümer und Verwalter von Immobilien und Infrastruktur über die Madasterplattform jederzeit einen webbasierten Material-Passport ihrer Gebäude und aller bei ihnen registrierten Materialien und Produkte anfertigen lassen. Dieser „Madaster-Material“-Passport gibt Einblick in die Sachwerte des eingetragenen Eigentums und zeigt den aktuellen Rohstoff-Restwert der Gebäude.

Baukonzepte im Bestand

Mit einem weiter so im Neubau sind die Klimaschutzziele nicht zu erreichen. Die Baukonzepte der Zukunft sind Umbau, Umnutzung, Modulation und Zirkulation, ist sich auch Kerstin Müller, Architektin, baubüro in situ (CH), sicher: „Baurohstoffe werden immer knapper, deshalb sollten bestehende Immobilien nicht abgerissen werden, sondern als Mine bzw. Lager für Bauteile genutzt werden, so die GEAK-Expertin [1]. „Bei allen Projekten wie der Umnutzung des Lysbüchelareal und der Markthalle Basel sowie dem Umbau der Hotel-Klinik Schützen Rheinfelden waren auch lüftungstechnische Maßnahmen und eine Neukonfiguration der TGA erforderlich, die eine etwas andere Herangehensweise bei Planung und Durchführung abverlangen. So auch bei der EMPA, wo Bestandteile bereits genutzter Wärmetauscher eingesetzt werden konnten.“

Elisabeth Broermann, Architects for Future, setzt sich für einen nachhaltigen Wandel der Baubranche ein.
Foto: IWP Uwe Manzke

Elisabeth Broermann, Architects for Future, setzt sich für einen nachhaltigen Wandel der Baubranche ein.
Foto: IWP Uwe Manzke

Seit 2019 setzt sich der Verein Architects for Future mit derzeit 35 ehrenamtlichen Vereinsmitgliedern für ein Umdenken in der Bauwirtschaft ein. Weitere etwa 1.000 Unterstützer aller Gewerke, darunter auch TGA-Fachplaner, ergänzen das breit aufgestellte Portfolio in der Projektentwicklung. „Deutschland ist fertig gebaut. Wir müssen den ressourcenschonenden Bestandsbau mit nachhaltigen Baustoffen vorantreiben. Der Zuspruch aus der Bau- und Immobilienbranche ist riesig. Unsere beim Bundestag eingereichte Petition „Bauwende jetzt!“ erreichte Anfang des Jahres innerhalb von 30 Tagen 57.476 Unterschriften. Damit hatten wir das Quorum von 50.000 Unterschriften für eine öffentliche Anhörung vor dem Petitionsausschuss des Bundestages erreicht. Der Wissensschwarm zum neuen Bauen wird ständig vor neuen Herausforderungen gestellt. Immer wieder gefragt sind daher auch Gewerke aus der TGA – Branche. Mitstreiter können sich gern an die bundesweit organisierten Ortsgruppen wenden“, beschreibt Architektin Elisabeth Broermann, Architects for Future Deutschland e.V.

Info

[1] Der schweizweit einheitliche Gebäudeenergieausweis der Kantone (GEAK) bewertet die Qualität der Gebäudehülle und die Gesamtenergieeffizienz der Gebäudetechnik. Der „GEAK Plus“ beinhaltet zudem einen Beratungsbericht mit Varianten von energetischen Sanierungen.

Info

Nach einer Erhebung der EU-Kommission im Jahr 2014 verantwortet der europäische Bausektor 50 % des Energieverbrauchs, darunter 5 bis 10 % zur Herstellung von Bauprodukten, 50 % der geförderten Werkstoffe, 30 % des Wasserverbrauchs, und 30 % an Abfällen.

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