Digitalisierung der Energiewelt in der Blockchain
Neue digitale Währungen wie Ether und Bitcoin sind entstanden und wachsen schnell, vollkommen globalisiert und außerhalb eines staatlichen Zugriffs. Sie sind gleichzeitig überall und nirgends. „Über die Blockchain gehandelt, kann dieses dezentrale Zahlungssystem in der Welt der Kryptowährung auf dem Rechner Ihrer Sitznachbarin im Bus laufen“, beschreibt der Veranstalter kommende Veränderungen der Energiewelt. Die zweitägige Konferenz „Digitale Energiewelt“, veranstaltet von der Solarpraxis AG, diskutierte im September 2017 die Wechselwirkungen von Künstlicher Intelligenz (KI) und Blockchain-Technologie im Energiesektor.
Blockchain in der Gegenwart
Nach den einleitenden Begrüßungsworten von Tina Barroso, Prokuristin bei Solarpraxis, sprachen dazu Karl-Heinz Remmers (ebenfalls Solarpraxis), Kilian Leykam (Vattenfall Innovation), Tobias Federico (Energy Brainpool) und Florian Reetz (Stiftung Neue Verantwortung). Karl-Heinz Remmers betonte die Notwendigkeit einer weiteren Digitalisierung der Energiewirtschaft, vor allem im Hinblick auf einen raschen Übergang zu erneuerbaren Energien. Er sieht in der Dezentralität der Blockchain – vereinfacht formuliert eine kontinuierlich erweiterbare Liste von Datensätzen („Blöcke“), die über kryptographische Verfahren miteinander verkettet sind – einen großen Vorteil und hält es für möglich, eine völlig neue Energieinfrastruktur zu schaffen und somit einen Systemwechsel zu bewerkstelligen. Kilian Leykam griff diese Idee auf und bezeichnete die Blockchain als idealen Rahmen für das Ziel Vattenfalls, den Energiemarkt komplett erneuerbar und dezentral zu organisieren. Tobias Federico warnt allerdings davor, die Blockchain als Allheilmittel zu begreifen, da sie und ihre möglichen Anwendungen nur ein Technikinstrument seien, das immer im Kontext eines Gesamtkonzeptes betrachtet werden müsse. Zudem erachtet er die Phase des Hypes um die Blockchain als vorüber und glaubt, dass es nun stärker um die effektive Einbindung sinnvoller Blockchain-Anwendungen gehen wird. Fabian Reetz sieht verschiedene Anwendungsbeispiele der Blockchain-Technologie im Energiebereich, um ein Energiemarktdesign zu schaffen, das zu 100 % regenerativ und digital ist. Zudem betonte er eine Teilhabe als wichtiges Element der Energiewende, welche ein sehr politisch besetztes Thema ist.
Mit Sicherheit handeln
Der zweite Themenblock drehte sich um die Themen Recht und Sicherheit in der Blockchain. Dabei betrachtete Christian Berghoff die Blockchain aus der Sicht des BSI. Er erachtet die Vertraulichkeit öffentlicher Blockchains, eines der Schutzziele der IT-Sicherheit, als problematisch, da Transparenz einer der Grundpfeiler der Blockchain ist und es keine Zugangsbeschränkung gibt. Weitere wichtige Hinweise im Umgang mit der digitalen Energiewelt gaben Ute Gebhardt vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Nina Siedler vom Blockchain-Bundesverband und Dörte Fouquet von Becker Büttner Held. In Form von Impulsvorträgen konnten die rechtlichen Rahmenbedingungen für Blockchain-Anwendungen, insbesondere Kryptowährungen erläutert werden.
Barbara Engels vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln gab am Rande der Veranstaltung weitere Hintergrundinformationen. Ihr Thema: „Auf dem Weg zum Blackout? Die Rolle der Cybersicherheit in der digitalen Transformation.“
Ein unklares Kosten-/Nutzen-Verhältnis sowie der mangelnde Standardeinsatz bei Kunden und Lieferanten sind die größten Hemmnisse bei der Einführung von Standards im eigenen Unternehmen, beschreibt Barbara Engels in der Studie zur Bedeutung von Standards für die digitale Transformation.
Mit der Keynote „Auf dem Weg zum Blackout? Die Rolle der Cybersicherheit in der digitalen Transformation“ mahnt sie zur besonderen Vorsicht bei der Digitalisierung. Cybersicherheit müsse immer mitgedacht werden.
Cybersicherheit: Führt zunehmende Digitalisierung zum Blackout?
Sinnvolle erste Ansätze sieht Barbara Engels in der Standardisierung, wie sie beim Building Information Modeling (BIM) zu finden sind. „Unternehmen, die neue Technologien etablieren und digitaler werden, setzen häufig auch Cybersicherheitskonzepte um. Zunehmende Digitalisierung führt daher nicht zwangsläufig zu einer erhöhten Angreifbarkeit hinsichtlich Cyberattacken. Aufpassen müssen jetzt vor allem diejenigen Mittelständler, die bei Digitalisierung und Cybersicherheit hinterherhängen“, so Barbara Engels.
Dabei sei es auch sinnvoll, analoge und digitale Elemente sicher zu verknüpfen. Eine Überarbeitung der Schutzziele sowie der Risikoanalyse seien zwingend. Zum Schutz vor Blackout und anderen Cyberrisiken mahnt sie eine unternehmensübergreifende Kommunikation an. Ein erhöhter Informationsaustausch zwischen privaten Unternehmen und staatlichen Institutionen soll helfen, gegen Cyberangriffe gemeinsam vorzugeben
„Mit Smart Home & Co. lassen sich für TGA-Planer neben anderen Gewerken auch sicherheitsrelevante Geschäftsmodelle als strategischer Faktor und Preiselement umsetzen. Viele digitale Produkte, wie smarte Glühlampen oder Thermostate, können gehackt werden. Der Verbraucher sollte ein Augenmerk darauf legen, wie sicher das Produkt ist, das er kauft“, ergänzt Barbara Engels.
Künstliche Intelligenz in der Energiewelt
Marc Peters von IBM Deutschland erklärte an Beispielen, wozu die Künstliche Intelligenz (KI) heute schon in der Lage ist. Bei der KI von IBM, mit dem Namen „Watson“, gehe es weniger um das Programmieren bestimmter Problemlösungen, sondern um das Beibringen von Lösungsstrategien. Das heißt, es wird ein Problem definiert und „Watson“ werden verschiedene Lösungswege gezeigt. Durch die schiere Menge der Daten sei die Maschine dann in der Lage, das Wissen aus den Beispielen auf neue Probleme anzuwenden.
„Deep Learning“-Spezialistin Isabel Schwende von Leapmind erläuterte die Grundlagen der Lerntechniken, mit denen man künstlichen Intelligenzen das Verarbeiten von Daten ermöglicht.
Disruptive Geschäftsmodelle in der Gebäudeautomation
Durch die Digitalisierung werden sich schon in Kürze disruptive Geschäftsmodelle in der Gebäudeautomation durchsetzen. An den zwei Tagen der Veranstaltung wurde deutlich, dass Startups bereits heute Produkte und Lösungen für die nächste technologische Welle für die Gebäudeautomation am Markt anbieten können. Die Blockchain ist dabei nur eine Plattform, um Kryptowährungen sicher zu transferieren. Axel Schüßler von IoT connctd unterstützt Fachplaner bei der Implementierung von „Smart Living“ und „Smart Grid“ mit „intelligenter“ Software. Diese übersetzt die Maschinensprache für die Blockchain ins Internet. So könne beispielsweise der Messtellenbetrieb oder eine Steuerung vereinfacht werden. „Neben der Vernetzung einzelner Geräte geht es eben genau um die semantische Repräsentation der vielfältigen Eigenschaften in der Cloud, denn nur dann ist das grenzenlose Wechselspiel zwischen verschiedenen Geräten, Systemen und Services möglich“, so Axel Schüßler.
Wo lässt sich eine Wertschöpfung für die Branche erkennen?
Die Blockchain-Technologie im Energiesektor und mögliche Auswirkungen auf die TGA-Branche beschreibt Karl Heinz Remmers, Gründer und Vorstand Solarpraxis AG, im Gespräch. TGA-Planer und Blockchain-Experten sollten jetzt eine gemeinsame Umsetzungs- und Kommunikationsbasis vorantreiben, so der studierte Elektroingenieur.
Künftig werden sich durch die „Digitale Energiewelt“ Mehrwerte generieren lassen, sind sich die Teilnehmer sicher. Mit dem digitalen Datenaufkommen lassen sich in der Blockchain nicht nur Betriebs- und Wartungsdaten erfassen. Planungsunterlagen lassen sich verknüpfen und informieren über den Gebäudezustand. HOAI und Co. könnten unabhängig von Währungseinheiten berechnet werden und über „Smart Contract“ Honorare einfach und sicher über die Blockchain abrechnen. Für Planer könnten sich weitere neue Geschäftsmodelle von der Abrechnung, Sensorik, Mess- und Zählwesen bis zur Planung mit BIM ergeben.
Nachgefragt: Wo lässt sich eine Wertschöpfung für die Branche erkennen?
tab: Warum sollte der TGA-Planer eingebunden werden?
Karl Heinz Remmers: TGA-Planer und Blockchain-Experten sollten jetzt eine gemeinsame Umsetzungs- und Kommunikationsbasis vorantreiben. Der Fortschritt wird sich nur mit ingenieurtechnischem Know-how umsetzen lassen. Chancen liegen bei BIM und der Synchronisation von Beratungsleistungen, Monitoring von Lüftungsanlagen, Aufzügen etc. Durch die Messdatenerfassung lassen sich durch die Digitalisierung in der Blockchain als sicherer und transparenter Ablageort künftig auch Ansprüche des Finanzamts und die Kostenabrechnung für das Facility Management leichter erledigen.
tab: Sie sehen mit dem verabschiedeten Digitalisierungsgesetz eine „Innovationsverhinderungsinitiative“ auf dem Weg zur Digitalisierung und Umsetzung der Energiewende. Warum?
Karl Heinz Remmers: Nach der derzeitigen Fassung ist die Blockchain-Technologie, hier besonders die digitale Wertschöpfung der Messstellen, so nicht rechtssicher realisierbar. Auch andere wichtige Eckpfeiler wurden vernachlässigt. Ich appelliere besonders jetzt nach der Wahl an alle Verbände und Beteiligte der neuen Regierung, Änderungen abzuverlangen.
Das Gespräch für die tab führte Uwe Manzke, IWP Wissenschaftsredaktion, Berlin.