Eine Lüftungsanlage muss funktionieren
Einhaltung aller Vorgaben reicht nicht!Werkunternehmen fühlen sich auf der sicheren Seite, wenn sie vertragliche Vorgaben einhalten. Meist zu Recht – solange das ausgeführte Werk funktioniert. Ist dies nicht der Fall, ist man ruck zuck in der Haftung. Dies zeigt auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 3. Dezember 2013 (8 U 32/11), die vor dem Bundesgerichtshof nun in letzter Instanz Bestand hatte (VII ZR 345/13).
Zum Fall
Der Auftraggeber beauftragte das Werkunternehmen mit dem Einbau einer Heizungs- und Lüftungsanlage für ein Geschäftshaus, in dem u.a. ein Fitnessstudio betrieben werden sollte. Grundlage des Vertrages war ein vom Werkunternehmen erstelltes Angebot, welches sich an einem überlassenen Blankoleistungsverzeichnis des Auftraggeber-Architekten sowie übergebenen Plänen orientierte. Die darin ausgewiesene Bruttosumme von rd. 260.000 € war dem Auftraggeber zu teuer. Später verständigte man sich auf eine abgespeckte Version mit einem Auftragsvolumen von rd. 170.000 €.
Nach Fertigstellung des Objekts wurde das Fitnessstudio in Betrieb genommen. In den Sommermonaten stieg die Raumtemperatur in den Trainingsräumen während der Nutzung an; auch die Qualität der Raumluft wurde beanstandet. Ein vom Auftraggeber beauftragter Sachverständiger stellte verschiedene Mängel an der eingebauten raumlufttechnischen Anlage fest und bezifferte die Nachbesserungskosten mit rd. 110.000 €. Das Werkunternehmen welches noch Werklohn zu bekommen hatte, erklärte sich nach Vorlage des Gutachtens zur Mangelbeseitigung bereit, jedoch nur gegen Gewährung einer Sicherheit in Höhe von 150.000 €. Der Auftraggeber stellte eine Bürgschaft in Höhe von (nur) 50.000 €, weshalb das Werkunternehmen die Mangelbeseitigung verweigerte; die Sicherheit sei nicht ausreichend. Daraufhin setzt der Auftraggeber eine Frist zur Mangelbeseitigung und drohte die Kündigung des Vertrages an. Die gesetzte Frist verstrich ergebnislos, weshalb sodann der Auftrag entzogen wurde.
Die Parteien stritten nun um die Verantwortung für die festgestellten Mängel. Der klagende Auftraggeber stellte sich auf den Standpunkt, das beklagte Werkunternehmen habe die Anlage falsch konzeptioniert und ihn falsch beraten. Das Werkunternehmen meinte demgegenüber, nach einvernehmlicher Reduzierung der Leistungen hätte sie die Lüftungsanlage genau so ausgeführt, wie es im letzten Angebot zugrunde gelegt gewesen wäre und worauf man sich verständigt hätte. Vereinbart worden wäre eine Luftleistung auf der Basis der gleichzeitig anwesenden Personen und der Nutzung der konkreten Räume, nicht jedoch ein sechsfacher Luftwechsel pro Stunde, welchen der Privatgutachter des Auftraggebers für richtig gehalten hatte. Darauf, dass ein bestimmter Luftwechsel nicht die Funktion einer Klimaanlage ersetzt, hätte es den Auftraggeber hingewiesen. Eine Abkühlung der Luft wäre schließlich weder über einen sechsfachen noch über einen größeren Luftwechsel pro Stunde zu erreichen.
Zur Entscheidung
Das Oberlandesgericht Zweibrücken gibt nach sachverständiger Beratung dem auf Schadensersatz klagenden Auftraggeber Recht. Das Werk der Auftragnehmerin sei mangelhaft, weil es nicht die vereinbarte Beschaffenheit habe. Dazu gehörten – so das OLG – alle Eigenschaften des Werkes, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Der vertraglich geschuldete Erfolg bestimme sich aber nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen solle. Sei die Funktionstauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch vereinbart und ist dieser Erfolg mit der vertraglich vereinbarten Leistung oder Ausführungsart nicht zu erreichen, schulde der Unternehmer die vereinbarte Funktionstauglichkeit.
Die Leistungsvereinbarung der Parteien werde sonach überlagert von der Herstellungspflicht, die dahin gehe, ein nach den Vertragsumständen funktionstaugliches Werk zu erbringen. Danach sei die errichtete RLT-Anlage mangelhaft. Der Auftraggeber habe das Werkunternehmen damit beauftragt, eine RLT-Anlage einzubauen, um in den zum Fitnessstudio gehörenden Räumen die der jeweiligen Nutzung entsprechende Luftqualität sicherzustellen. Die Anlage erfülle aber nicht diesen vorausgesetzten Gebrauchszweck. Die Ursache der Funktionsuntauglichkeit sei darin zu sehen, dass mehrere Räume unterschiedlicher Nutzung und unterschiedlicher Lasten von einem Zentralgerät versorgt würden. Demgemäß sei die vereinbarte Ausführungsart nicht geeignet, die erforderliche Luftqualität in den verschiedenen Räumen zu gewährleisten und damit ein funktionstaugliches Werk herzustellen.
Soweit sich das Werkunternehmen mit einem Planungsfehler des ursprünglich auftraggeberseits beauftragten Architekten verteidigte, ließ das OLG dies nicht gelten. Ein Unternehmer sei nur dann nicht für den Mangel seines Werkes verantwortlich, wenn dieser auf verbindlichen Vorgaben des Bestellers oder Bauteilen oder Vorleistungen anderer Unternehmer zurückzuführen ist und der Unternehmer seine Prüfungs- und Hinweispflicht erfüllt habe. Letzteres habe die Auftragnehmerin als Fachunternehmen der Heizungs-, Sanitär- und Lüftungstechnik nicht hinreichend gemacht, insbesondere nicht auf erkennbare Bedenken gegen die Funktionstauglichkeit der letztlich eingebauten RTL-Anlage hingewiesen. Nach alledem bejaht das OLG Zweibrücken eine Ersatzpflicht der Auftragnehmerin. Das OLG kürzte den Anspruch allerdings um diejenigen Mehrkosten, um die die Bauleistung bei einer ordnungsgemäßen Ausführung von vornherein teurer gewesen wäre.
Praxishinweis
Auch diese Entscheidung zeigt: Es kommt nicht darauf an, vereinbarte Leistungen 1:1 zu erbringen. Der geschuldete Erfolg definiert sich nicht nur über die vereinbarte Ausführung. Maßgeblich ist vielmehr, dass diese Leistungen am Ende funktionieren. Das Werk muss für den vertraglich vorausgesetzten Gebrauch funktionstauglich sein. Andernfalls liegt ein Mangel vor. Von einer Haftung ist ein Auftragnehmer nur dann befreit, wenn er seiner Bedenkenhinweispflicht nachkommt. Die Hürden dafür sind hoch. Seiner Bedenkenhinweispflicht genügt ein Werkunternehmer nur dann, wenn er dem Auftraggeber selbst die nachteiligen Folgen und die sich daraus ergebenden Gefahren der unzureichenden Vorgaben rechtzeitig konkret dargelegt und ihn in die Lage versetzt hat, die Tragweite der Nichtbefolgung klar zu erkennen. Der Hinweis muss (beim VOB-Vertrag schriftlich erfolgen und) inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend sein, insbesondere die Gefahren aufzeigen, die im Hinblick auf die Erreichung des angestrebten Werkerfolgs bei Beibehaltung der verbindlichen Vorgaben bestehen. Daran kranken viele Bedenkenhinweise in der Praxis.
Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
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