Das aktuelle Baurechtsurteil: Plankontrolle
Wer muss schlauer sein – Werkunternehmer oder Planer?
Regelmäßig erbringt der Werkunternehmer seine Leistungen nach den vom Planer des Auftraggebers erstellten Ausführungsplänen. Setzt der Werkunternehmer diese Planvorgaben 1 : 1 um, könnte man meinen, dass der Werkunternehmer doch alles getan hat, was er nach dem Inhalt des Vertrags tun sollte, nämlich die Pläne seines Auftraggebers umzusetzen. Allerdings muss das Werk am Ende auch funktionieren. Tut es dies nicht, liegt ein Mangel vor.
Zum Fall
In diesem Fall ging es um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Planung und dem Bau von Photovoltaikanlagen. Der klagende öffentliche Auftraggeber ließ für mehrere Studentenwohnheime Photovoltaikanlagen planen und errichten. Wegen vorhandener Abschattungen konnte mit den montierten Photovoltaikanlagen nicht die maximale Stromausbeute erzielt werden. Da die Photovoltaikanlagen auf eine 40-jährige Laufzeit ausgelegt waren und für die Dauer von 20 Jahren bereits Einspeiseverträge mit Stromversorgern geschlossen wurden, forderte der öffentliche Auftraggeber mit seiner Klage entgangene und künftig entgehende Einspeisevergütung in Höhe von einigen hunderttausend Euro. Sie nahm sowohl ihre Planer als auch das ausführende Werkunternehmen auf Schadensersatz in Anspruch und behauptete insoweit, sie hätte die Anlagen nicht errichten lassen, wenn sie über die unzureichende Wirtschaftlichkeit informiert gewesen wäre.
Zur Entscheidung
Das Oberlandesgericht Bamberg hielt die Klage in zweiter Instanz für unbegründet. Dabei ist das Oberlandesgericht Bamberg zugunsten des klagenden öffentlichen Auftraggebers davon ausgegangen, dass die Planer bei ordnungsgemäßer Prüfung der voraussichtlichen Erträge die fehlende Wirtschaftlichkeit der Anlagen hätten erkennen können; deshalb seien die Planer dem Grunde nach schadensersatzpflichtig gewesen. Allerdings könne bei einem Schadensersatzanspruch wegen eines solchen Beratungsfehlers ein Geschädigter nur verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne das schädigende Verhalten des anderen Teiles gestanden hätte, wie er also bei richtig erteilter Beratung stünde.
In diesem Fall vermochte die Klägerin ihren Schaden nicht schlüssig zu belegen; sie konnte nicht darlegen, dass sie durch die Vermögensdisposition, die sie im Vertrauen auf den Rat der Planer getroffen habe, „unterm Strich“ schlechter stehe, als sie stünde, wenn die Baumaßnahme unterblieben wäre. Die Klägerin hätte daher zur Darlegung der Schadenshöhe die erhaltenen und ihr in Zukunft noch zufließenden Vorteile in Form der Einspeisevergütungen, die angefallenen Kosten und die andernfalls erlangten Vorteile (z.B. Zinseinnahmen) gegenüberzustellen. Diesen Anforderungen habe die Schadensberechnung der Klägerin nicht genügt. Die Klage gegen die Planer scheiterte damit letztlich an der Schwierigkeit dieser Wertermittlung, obschon das Oberlandesgericht eine Pflichtwidrigkeit der Planer unterstellte.
Auch die Klage gegen das ausführende Werkunternehmen wurde abgewiesen; nach Einschätzung des Oberlandesgerichts musste das ausführende Werkunternehmen nicht auf Bedenken gegen die Wirtschaftlichkeit der Anlagen hinweisen. Es sei nämlich grundsätzlich Sache des Auftraggebers, sich darüber klar zu werden, welcher Erfolg durch einen Werkvertrag erreicht werden solle; zwar sei anerkannt, dass bei einem Werkvertrag Aufklärungs- und Beratungspflichten des Unternehmers bestünden, die diesen auch ohne ausdrückliche Abrede dazu verpflichteten, den Auftraggeber auf das mit der Verwendung des Werks verbundene Risiko oder darüber aufzuklären, ob das bestellte Werk für den vertraglich vorgesehenen Zweck tauglich sei und den Bedürfnissen des Auftraggebers entspreche. Diese Pflicht bestehe aber – so das Oberlandesgericht – nicht uferlos; da sie letztlich aus Treu und Glauben abgeleitet werde, komme es darauf an, ob der Werkunternehmer über einen Wissensvorsprung in Bezug auf Risiken verfüge, die der Auftraggeber aufgrund seiner eigenen Sach- und Fachkunde allein nicht zu erkennen oder richtig einzuschätzen vermöchte. Hier spielte nach Einschätzung des Gerichts die entscheidende Rolle, dass auf Seiten der Auftraggeberin Sonderfachleute und Architekten eingeschaltet waren; soweit dies erfolge, sei ein Werkunternehmer nicht verpflichtet, deren Erkenntnisse auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, es sei denn, ein Fehler springe ins Auge. Letzteres konnte im Verfahren nicht festgestellt werden.
Praxishinweis
Die Entscheidung zeigt zweierlei – zum einen die Schwierigkeiten des Auftraggebers, einen vermeintlichen Schaden im Zusammenhang mit einer unwirtschaftlichen Photovoltaikanlage nachzuweisen. Zum anderen muss nach dieser Rechtsprechung ein Werkunternehmer grundsätzlich nicht klüger sein als der Sonderfachmann bzw. Architekt.
Vielmehr darf man sich auf deren Planung verlassen, es sei denn, die Fehlerhaftigkeit der Planung springt ins Auge. Die Frage, wann aber ein Fehler ins Auge springt, ist abhängig vom Einzelfall. So hätte der Fall möglicherweise eine andere Wendung nehmen können, wenn dem ausführenden Werkunternehmer die konkreten Vorstellungen des Auftraggebers bekannt gewesen wären, wenn also etwa Kenntnis darüber bestanden hätte, in welchem Zeitraum sich die Anlagen nach der Vorstellung des Auftraggebers hätten amortisieren sollen.
Ferner hätte der Fall anders ausgehen können, wenn dem ausführenden Werkunternehmen im Zuge der Installation der Photovoltaikanlagen die Verschattung bekannt gewesen wäre bzw. wenn diese hätte erkannt werden können. Deshalb ist dieses mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs rechtskräftige Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg kein Freibrief für die ausführenden Werkunternehmen. Nicht selten sind gerade die ausführenden Werkunternehmer die wahren Spezialisten und kennen sich besser aus als die Sonderfachleute des Auftraggebers.