Energieausweise für Gebäude in der Schweiz
Das Europäische Parlament hat Ende 2002 die Richtlinie 2002/91/EG über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden erlassen; danach soll die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden unter Berücksichtigung der jeweiligen äußeren klimatischen und lokalen Bedingungen verbessert sowie die Anforderungen an das Innenklima und die Kostenwirksamkeit unterstützt werden.
In einigen europäischen Ländern ist diese Richtlinie in nationales Recht übergegangen; so in Deutschland durch die Energieeinsparverordnung (EnEV) und in Österreich durch das Energieausweisvorlagegesetz (EVAG). Nach dem Vorbild der Europäischen Union gibt es ab 2010 auch in der Schweiz den Energieausweis für Gebäude mit Nachweisen und Beratungsberichten.
Der Gebäudeenergieausweis beruht auf dem gemessenen Gesamtenergieverbrauch – für Wärme (Raumheizung und Warmwasser), Lüftung, Kühlung, Be-/Entfeuchtung, Beleuchtung und Betriebseinrichtungen – oder dem berechneten Gesamtenergiebedarfs des Gebäudes mit Angaben
zur Energieeffizienz,
zum Primärenergie-Kennwert,
zum Heizwärmebedarf,
zur Treibhausemssisionsklasse und
dem Anteil erneuerbarer Primärenergie.
Er schafft damit Transparenz im Immobilienmarkt der Schweiz und macht den Energieverbrauch einer Liegenschaft sichtbar, so dass dieser zu einem Kauf- bzw. Mietkriterium wird. Außerdem enthält er Empfehlungen zur
Verbesserung der Energie-
-effizienz,
Verringerung der Treibhausgas-Emissionen,
Erhöhung des Anteils an erneuerbarer Energie und
Angaben zur Betriebsoptimierung,
wodurch man sich Anreize für eine energiebewusste Gebäudeausstattung, -sanierung und -nutzung erhofft.
Der SIA-Gebäudeenergieausweis
Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA) hat dazu das Merkblatt 2010 „Energieausweis für Gebäude [1] gemäß den Schweizer Normen SN EN 15 217 und SN 15 063 herausgeben (Bild 1); diese Normen lassen jedoch den CEN-Mitgliedsländern, wozu auch die Schweiz gehört, eine weitgehende Freiheit bei der Anpassung dieser Regeln an die lokalen Bedingungen. Das SIA-Merkblatt bietet einheitliche Mess- und Berechnungsmethoden und klassifiziert die Gebäude nach ihrer Energieeffizienz (Bild 2). Weil das Verringern der Treibhausgase als genauso wichtig erachtet wird, legt der Energieausweis des SIA auch diese, mit dem Energiekonsum einhergehenden Emissionen offen. Inzwischen gibt es entsprechende Software auch für bauphysikalische Untersuchungen (Taupunkt, Isothermenlinien) und energetische Optimierung.
Die Anwendung des Energieausweises ist freiwillig; seine Einführung ist Aufgabe der Kantone. So werden künftig der Energieverbrauch und die CO2-Emissionen eines Gebäudes maßgeblich darüber entscheiden, ob und zu welchem Preis das Gebäude verkauft werden kann. Der SIA-Energieausweis für Gebäude schafft die nötige Transparenz. Umwelt-, energie- und kostenbewusste Menschen werden ihn in Zukunft verlangen.
Gebäudeenergieausweis zum Aktionspreis
Parallel zum SIA-Merkblatt wurde der Gebäudenergieausweis der Kantone (GEAK) [2] gemäß Beschluss der Kantonalen Energiedirektoren (EnDK) erarbeitet. Er ist einheitlich und für private Hauseigentümer freiwillig. Nach den Mustervorschriften der Kantone darf ein Neubau nur noch 4,8 l Heizöläquivalente an Wärmeenergie verbrauchen und umfassend sanierte Gebäude rund 9 l Heizöläquivalent. Wegen des ansteigenden Bedarfs an Energieberatern ist eine Zusatzausbildung aufgebaut worden. Der GEAK befasst sich mit dem Energieverbrauch von Gebäuden und enthält Sanierungsvorschläge.
Die ersten 15 000 GEAK – ergänzt mit einer Beratung – gab es zum Einführungspreis von 200 CHF (139 €) statt 1200 CHF (834 €). Diese Aktion galt bis Ende 2009. Alle Informationen zu diesen und weiteren Themen über Energieverbrauch und -einsparung in Gebäuden enthält ein Extrablatt von EnergieSchweiz (www.energie-schweiz.ch), das an alle Besitzer von ein Ein- und Zweifamilienhäusern in der ganzen Schweiz verteilt wurde.
Gebäudepark Schweiz
In der Schweiz gibt es heute rund 3,8 Mio. Wohnbauten und 1,4 Mio. weitere Bauten mit einem Gesamtwert von 2800 Mrd. CHF (etwa 1954 Mrd. €), davon 2/3 für die Wohnliegenschaften. In den Unterhalt und die Erneuerung von Immobilien (Hochbauten) werden in der Schweiz jährlich 33 Mrd. CHF (etwa 23 Mrd. €) investiert; das ist mehr als ein Drittel aller Anlageninvestitionen oder 8 % des Bruttoinlandsproduktes.
Die Herausforderungen für den Gebäudebestand der Schweiz in den kommenden Jahren sind bedeutsam und vielseitig:
Die Erwartungen der Nutzer und Investoren an ein Gebäude sind in den vergangenen Jahren hinsichtlich Komfort, Wirtschaftlichkeit/Nachhaltigkeit und Energieeinsparung merklich gestiegen, und
Vom Wohngebäudebestand Schweiz wird ein wichtiger Beitrag beim Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz erwartet.
Der Bundesrat und mehrere Kantone haben die „2000 Watt-Gesellschaft“ als Kernelement ihrer Nachhaltigkeitsstrategie erklärt. Auch nimmt der Marktanteil von Minergie- und Minergie-P-Gebäuden in der Schweiz laufend zu.
Die Neubauquote beträgt jedoch nur knapp 1 % des gesamten Schweizer Gebäudebestands. Seit 2000 ist in der Schweiz das CO2-Gesetz in Kraft; die darin vorgesehene CO2-Abgabe auf Heizöl wurde 2008 eingeführt.
Im Vordergrund steht bei den Gebäuden die Werterhaltung beziehungsweise die Wertsteigerung und Rendite; als nachhaltig gilt in diesem Zusammenhang eine Liegenschaft, die langfristig eine angemessene Rendite abwirft.
Dipl.-Ing. G. Brux,
60596 Frankfurt/Main