Gebäudeautomation in der Cloud

Herausforderungen und Chancen

Virtualisierung liegt im Trend – zahlreiche Organisationen ersetzen derzeit die physischen Bestandteile ihrer IT durch softwarebasierte Komponenten. Dadurch können sie ihre IT-Kapazitäten effizienter managen. Außerdem profitieren sie von einer höheren Sicherheit und Verfügbarkeit der Systeme. Diese Entwicklung stellt auch die Gebäudeautomation vor neue Herausforderungen: Immer mehr Betreiber möchten ihre Gebäudeleittechnik (GLT) in einem Rechenzentrum virtualisieren. In den Bestandsanlagen ist aber häufig noch serielle Technik im Einsatz, die nicht mit der virtuellen Welt kommuniziert. Sie kann nicht auf einen Schlag durch netzwerkfähige Geräte ersetzt werden – allein schon wegen der Umrüstungskosten. Es gibt aber eine Lösung, die auch eine serielle Hardware in die Cloud bringt.

Was bringt die Virtualisierung?

In Deutschland gibt es fast 35 Mio. Computer-Arbeitsplätze [1]. Wir halten damit eine Menge Speicher- und Rechenkapazität bereit, die wir eigentlich gar nicht benötigen. Denn kaum ein PC läuft rund um die Uhr. Und für die alltäglichen „Office“-Arbeiten sind viele Rechner überdimensioniert. Wenn Unternehmen ihre Hardware virtualisieren, können sie die Kapazitäten zentral managen: Benötigt ein virtualisierter Desktop mehr Rechenleistung, kann diese von einem anderen Bereich abgezogen werden. Steigt insgesamt der Bedarf an Speicher oder Leistung, können IT-Mitarbeiter die Kapazitäten im Rechenzentrum flexibel erweitern. Durch die zentrale Verwaltung der Ressourcen sparen Organisationen viel Geld für den Einkauf und Betrieb der Hardware.

Mit der Virtualisierung nimmt außerdem die Betriebssicherheit zu. Eine Software für die Gebäudeleittechnik beispielsweise, die nur auf einem einzigen Server vor Ort installiert ist, birgt immer eine Gefahr: Fällt er aus, ist auch die GLT lahmgelegt. Dann können die Facility Manager ihre technischen Anlagen nicht mehr mit der Software überwachen und steuern. Durch die Virtualisierung im Rechenzentrum hingegen ist die Software nahezu immer verfügbar – unabhängig von der Hardware. Fällt ein virtuelles System aus, übernimmt automatisch ein anderes. In Verbindung mit einem soliden IT-Sicherheitskonzept verringert die Virtualisierung also auch das Risiko von Hackerangriffen auf die Hardware.

Eine Riesen-GLT wandert in die Cloud

Die Vorteile der Virtualisierung nutzt seit 2017 auch die Städtische Immobilienwirtschaft Dortmund. Die Abteilung Energiemanagement betreut dort über 1.300 Gebäude und Liegenschaften – darunter Schulen, Kitas, Sporteinrichtungen, Feuerwachen, Verwaltungsgebäude sowie verschiedene Kulturbetriebe. Gebäudeautomationslösungen finden sich vor allem in größeren Gebäuden mit einer hohen technischen Ausstattung.

Mit 435 aufgeschalteten Immobilien und rund 124.000 projektierten Datenpunkten zählt das Gebäudeleitsystem aktuell zu den größten in Europa. Ihre GLT hat die Stadt Dortmund Anfang 2017 mit Hilfe der Systemintegratoren von Kieback&Peter im stadteigenen Rechenzentrum virtualisiert. Dadurch verfügen sie nun über ein beliebig skalierbares System im Hochverfügbarkeitsmodus.

Im Zuge der Virtualisierung musste Kieback&Peter bis Ende 2017 insgesamt 92 Gebäude auf die zukunftsfähige „DDC4000“-Netzwerktechnologie umrüsten. Die Bauten waren zuvor nur per Modem angeschlossen. Damit es während der Modernisierung nicht zu Unterbrechungen kam, mussten in einigen Liegenschaften vorübergehend noch alte Controller im Einsatz bleiben. Die Betreiber wollten jedoch mit ihrer virtuellen GLT auch in der Übergangsphase auf die alten, seriellen Bestandsgeräte zugreifen. Dafür bedienten sich die Experten von Kieback&Peter eines Kniffs. Sie setzten die Modem-Verbindungen zunächst über einen GLT-Bedienplatz auf Ethernet-IP um. Das heißt: Sie lösten die Gerätedaten aus dem lokalen Netz vor Ort und spezifizierten sie fürs Internet. Schließlich wurden die Verbindungen per Etherlink ins Rechenzentrum weitergeleitet. Der Vorteil dieser Lösung: Kieback&Peter konnte die Hardware schrittweise modernisieren, ohne dass die Stadt auf die gewohnten Funktionen ihrer Gebäudeautomation und virtuellen GLT verzichten musste.

 

Virtualisierung soll Betriebssicherheit erhöhen

Die Sicherheit und Verfügbarkeit der Systeme war auch für die Landeshauptstadt Wiesbaden ein wichtiger Grund, weshalb sie sich für die Virtualisierung ihrer GLT entschied. Das Hochbauamt beauftragte Kieback&Peter bereits Ende 2015, eine Cloud-Server-basierte Gebäudeleittechnik aufzubauen. Für die virtuelle GLT steht das Rechenzentrum des stadteigenen Dienstleisters WiTCOM (Wiesbadener Informations- und Telekommunikations GmbH) zur Verfügung. Dort sollen alle Automationsstationen der verschiedenen Gebäude und Liegenschaften aufgeschaltet und in eine VPN-Infrastruktur eingebettet werden. „Wir wollten unabhängig von Drittanbietern werden“, erläutert Projektleiter Markus Vetter vom Energiemanagement des Hochbauamtes. „Und wir wollten permanenten Zugriff auf die Anlagen haben, um schneller auf Anforderungen reagieren zu können.“

Das Hochbauamt mit rund 90 Beschäftigten ist zuständig für alle städtischen Gebäude. In diesen waren – und sind zum Teil noch heute – zahllose Technologien und Geräte unterschiedlichen Ursprungs und Alters verbaut. So trafen die Systemintegratoren von Kieback&Peter auch hier auf alte, serielle Automationsstationen unterschiedlicher Hersteller. Diese integrieren sie nun Schritt für Schritt in die virtuelle Infrastruktur – nach demselben Prinzip wie in Dortmund.

In der hessischen Landeshauptstadt ist das Projekt noch voll im Gange: Die Umstellung ist aus organisatorischen Gründen nur über einen Zeitraum von mehreren Jahren möglich. „Im Prinzip stellen wir überall dort auf neue Technik um, wo ohnehin saniert wird“, erläutert Markus Vetter, der Projektleiter des Hochbauamts. Und Andreas Roß, der Leiter des Energiemanagements in Wiesbaden, ergänzt: „Kieback&Peter verfügt über eine Bestandsliste. Die Priorisierung nehmen wir im Dialog vor.“ Die Herausforderung ist ähnlich wie in Dortmund: Bis zum Abschluss der Modernisierung müssen die bestehenden seriellen Anlagen weiter betrieben werden, voll eingebunden in die virtuelle Gebäudeleittechnik.

Virtualisierung schafft die Basis für Künstliche Intelligenz

Mithilfe der Virtualisierung können Betreiber und Energiemanager sehr viele Daten aus unterschiedlichen Gebäuden zentral aggregieren.

Die Messwerte und Zustände können sie bei Bedarf mit externen Daten kombinieren. Durch Langzeitauswertungen, Clusteranalysen und andere statistische Verfahren können sie signifikante Muster erkennen und daraus Maßnahmen ableiten, um ihre Gebäude noch effizienter, sicherer und komfortabler zu machen. Die Optimierungen können sie über die virtuelle GLT einleiten und überwachen.

Künstliche Intelligenz wird diese Aufgaben schon bald ganz oder zumindest teilweise übernehmen können, ähnlich wie beim Autonomen Fahren. Kieback&Peter arbeitet mit verschiedenen Partnern an diesem Zukunftsthema – zum Beispiel an einer prädiktiven Regelung, die nicht nur die Gebäudedaten nutzt, sondern über Schnittstellen auch Wetterprognosen, Besucherströme oder Energiepreise in die Regelstrategie mit einbezieht.

Im August 2017 gab Kieback&Peter eine Kooperation mit VMware bekannt. Das kalifornische IT-Unternehmen zählt zu den weltweit führenden Anbietern für Cloud-Infrastruktur und Unternehmensmobilität. Gemeinsam wollen die Partner die Möglichkeiten der IP-basierten Gebäudeautomation erforschen und praxistaugliche Anwendungen in Pilotprojekten mit Kunden entwickeln.

Quelle

[1]  Statista 2017
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