Gehen Deutschland die Fachkräfte aus?

Die demografische Entwicklung in Deutschland wird dazu führen, dass die Zahl der erwerbsfähigen Menschen bis 2025 um 6,5 Millionen zurückgehen wird. Derzeit gibt es noch keinen flächen­deckenden Fachkräftemangel. Jedoch fehlen in bestimmten Branchen und Regionen die für eine er­folgreiche Volkswirtschaft dringend erforderlichen Experten. Neben Fachpersonal für den Pflege­sektor mangelt es besonders an Ingenieuren.

Verantwortlich dafür ist neben einer verfehlten Zuwanderungspolitik eine nicht am Bedarf der Wirtschaft orientierte Bildungspolitik. Sicher sind Geistes-, Sozial-, Kultur- und Politikwissen­schaftler für eine erfolgreiche Gesellschaft erforderlich. Jedoch müssen die dafür notwendigen Ressourcen erwirtschaftet werden, und genau dazu sind gut ausgebildete Ingenieure unerlässlich.

Von zentraler Bedeutung ist dabei die Berufsorientierung. Neben dem Elternhaus beeinflussen vor allem das schulische Umfeld und der Freundeskreis das Berufswahlverhalten junger Menschen. Hier gilt es anzusetzen. Lehrer, die ihrerseits in der Regel nie etwas anderes als Schule kennenge­lernt haben, sind sicher nicht in der Lage, den Prozess der Berufsorientierung ohne massive Unter­stützung zu meistern. In Deutschland gibt es kein durchgängiges System der Berufsorientierung. Sie gehört eher in den Bereich der fakultativen Angebote von Schulen. Es gibt dafür eine bunte Mi­schung von Verantwortlichkeiten, Modellprojekten und Erfolgs­indi­katoren, die letzten Endes dazu führt, dass vor allem bei überregionalen Orientierungsversuchen die Verwirrung der betroffenen Schüler, Lehrer und Eltern eher zu als abnimmt, wenn sie sich ernsthaft mit der Frage beschäftigen, welche beruf­liche Ausbildung welche Perspektiven bietet und welche Anforderungen bei welcher Berufsausbildung zu meistern sind. Die Kultushoheit der Länder tut für dieses Verwirrspiel ein Üb­riges. Ein schneller Schnitt, der klare Strukturen und Verantwortlichkeiten schafft, wäre hier sicher ein sinnvoller Weg.

Experten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (BA) gehen davon aus, dass pro Jahr etwa 200 000 gut qualifizierte Zuwanderer aus dem Ausland erforderlich sind, um die Fachkräftelücke zu schließen. Nach Erhebungen des IAB kommen künftig pro Jahr vielleicht 100 000 Zuwanderer nach Deutschland. Durch die schlechte wirtschaftliche Lage in Ländern wie Spanien, Portugal und Griechenland werden Chancen dafür gesehen, dass die Zahl der Zuwanderer steigen könnte, weil sie in ihren Heimatländern keine Perspektive sehen.

Die Lücke soll nach dem Willen der BA und der Bundes­re­gierung vor allem dadurch geschlossen werden, dass arbeits­lose Per­sonen insbesondere durch Weiterbildung dem Arbeitsmarkt zur Verfü­gung gestellt werden. In Regionen wie Bayern und Baden-Württemberg, in denen annähernd Voll­beschäftigung herrscht und in denen wesentliche Zentren der deutschen Wirtschaft anzutreffen sind, dürfte das zur Verfügung stehen­de Potential überschaubar sein. Wenn es nicht gelingt, das Fachkräfteproblem durch klare Leitlinien und deren Umsetzung in den Griff zu bekommen, wird es sich zur Wachstumsbremse der deutschen Wirtschaft entwickeln.

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