Haftung für Schäden trotz Ablauf der Gewährleistungsverjährung?
Bekanntlich haftet ein Auftragnehmer für Mängel an seinen Gewerken innerhalb des Gewährleistungszeitraums. Dieser beginnt regelmäßig mit der Abnahme des Werks und beträgt bei Bauleistungen grundsätzlich fünf Jahre im BGB-Vertrag und vier Jahre im VOB-Vertrag. Auf eine Kenntnis des Mangels oder sonstige Faktoren insbesondere in der Sphäre des Auftraggebers kommt es nicht an, sodass der Auftragnehmer nach Ablauf der Gewährleistungszeit eigentlich nicht mehr haftbar sein dürfte. Es gibt jedoch besondere Konstellationen.
Problemdarstellung
Die besonderen Konstellationen führen dazu, dass neben der abnahmegebundenen Werkmängelverjährung auch die allgemeinen Verjährungsvorschriften gelten, wonach die Verjährungsfrist erst am Ende desjenigen Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem der Auftraggeber Kenntnis von den einen Anspruch begründenden Umständen erlangt; ab diesem Zeitpunkt beträgt die Verjährung dann grundsätzlich drei Jahre. Diese allgemeine Verjährung kommt etwa in Betracht, wenn der Auftragnehmer den in Rede stehenden Mangel arglistig verschweigt, was nachvollziehbar ist in Ansehung des Unrechtsgehalts der Pflichtverletzung, hat doch der Auftragnehmer mit seinem Verschweigen die rechtzeitige Aufklärung des Sachverhalts zumindest erschwert. Doch auch, wenn der Auftragnehmer nicht arglistig handelt, kann er für Schäden infolge eigentlich schon lange verjährter Mängelansprüche haftbar sein, wie folgender Fall zeigt.
Sachverhalt
Die Klägerin macht als Versicherer aus übergegangenem Recht nach der Regulierung einen Ersatzanspruch wegen Feuchtigkeitsschäden an einer Sporthalle geltend. Im Zuge der Neuerrichtung dieses Gebäudes im Jahr 1995 beauftragte die klägerische Versicherungsnehmerin als Eigentümerin des Grundstücks die Beklagte mit Sanitär-, Installations- und Wasserleitungsarbeiten. Die Abnahme der beklagtenseitigen Leistungen erfolgte im Jahr 1995.
Mit ihrer im Jahr 2012 erhobenen Klage hat die Klägerin behauptet, ihre Versicherungsnehmerin habe im Jahr 2009 Anzeichen eines Wasserschadens im Bereich der Nassräume im Fußbodenaufbau und in der Wandabdichtung sowie außerdem Leckagen an verschiedenen Entnahmestellen festgestellt. Ursächlich hierfür seien unsachgemäße mechanische Kürzungen der Hahnverlängerungen und eine unzulässige Eindichtung der Verbindungen durch die Beklagte gewesen. Als Ersatz für die erforderlichen Sanierungsarbeiten verlangt die Klägerin 202.562,11 € zzgl. Zinsen. Naturgemäß hat die Beklagte die Verjährungseinrede erhoben. Hiergegen hat sich die Klägerin mit der Auffassung verteidigt, neben den werkvertraglichen Gewährleistungsansprüchen bestünden auch Schadensersatzansprüche aus den gesetzlichen Vorschriften über die unerlaubte Handlung (Deliktsrecht) – für diese gelten die allgemeinen Verjährungsfristen –, weil die mangelhaften Leistungen der Beklagten weitere, funktional nicht mit den Arbeiten der Beklagten zusammenhängende Schäden verursacht hätten.
Erläuterung: Dieses letztgenannte Vorbringen ist rechtlich entscheidend und hat zum Hintergrund, dass ein Schaden, welcher der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit schon von Anfang an anhaftete, allein auf enttäuschte Vertragserwartungen zurückzuführen ist und insoweit nur vertragliche Schadensersatzansprüche in Betracht kommen; für Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung besteht dann kein Raum, zumal sonst auch das werkvertragliche Gewährleistungsrecht unterlaufen würde. Noch einmal mit anderen Worten, vielleicht etwas verständlicher: Ist ein Werk also mit einem Ausführungsfehler behaftet, unabhängig davon, ob der Auftragnehmer das gesamte Werk alleine oder nur einen Teil des Gesamtwerkes hergestellt hat, wäre der Auftraggeber in diesem Sinne nicht geschädigt, denn er hätte von Anfang an ein nur mangelhaftes Werk erhalten, das ggf. zu sanieren wäre und Gewährleistungsansprüche nach den Vorschriften des Werkvertragsrechts auslöste. Allerdings verjähren diese werkvertraglichen Gewährleistungsansprüche gerade in fünf Jahren nach der Abnahme, das ist der springende Punkt. Daraus folgt übrigens auch, dass im Rahmen des Deliktsrechts ausschließlich Mangelfolgeschäden und insbesondere nicht die Kosten für die Beseitigung des Mangels selbst ausgeglichen werden.
Zurück zum Fall: Das angerufene Landgericht Stralsund hat die Klage unter Feststellung der Verjährung der Ansprüche abgewiesen. Auch die hiergegen vor dem Oberlandesgericht Rostock durchgeführte Berufung ist erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, der Mangelunwert (= nicht funktionsfähige Wasserleitungen und damit nicht funktionsfähige Sporthalle) decke sich mit dem erlittenen Schaden (= Wasserschäden in der Sporthalle), folglich stünden dem Auftraggeber allenfalls werkvertragliche Gewährleistungsansprüche zu, die aber verjährt seien. Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Revision beim Bundesgerichtshof.
Entscheidung
Mit Erfolg! Der Bundesgerichtshof hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen (Urteil vom 23. Februar 2021 – VI ZR 21/20). Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, deliktische Verkehrspflichten seien im Gegensatz zu werkvertraglichen Gewährleistungspflichten auf diejenigen Interessen gerichtet, die der Rechtsverkehr daran habe, durch die in Verkehr gegebene Sache nicht am Eigentum verletzt zu werden. Sofern der Schaden nicht mit der im Mangel verkörperten Entwertung der Sache „stoffgleich“ sei, liege eine Schädigung von Eigentum vor, die von der Haftung aus unerlaubter Handlung erfasst sei, selbst wenn daneben auch vertragliche Gewährleistungsrechte in Betracht kämen. Unter Zugrundelegung dieser Rechtslage komme es entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts aber nicht darauf an, ob es sich bei der Neuerrichtung der Sporthalle um eine Gesamtbaumaßnahme mit Arbeiten verschiedener Gewerke zur Herstellung eines Funktionszusammenhangs handelt oder der in Rede stehende Ausführungsfehler nur ein von einem Unternehmer erbrachtes Teilgewerk betrifft. Zentral sei vielmehr der Umstand, dass das Eigentum (= Sporthalle ohne das Gewerk der Beklagten) zunächst unbeeinträchtigt gewesen sei, insbesondere auch eigenständig funktioniert habe, und später durch austretendes Wasser, verursacht durch den Ausführungsfehler, beschädigt wurde.
Fazit
Im Ergebnis bestehen damit neben der werkvertraglichen Gewährleistung vom Grundsatz her auch noch Ansprüche aus unerlaubter Handlung, die kenntnisabhängig verjähren. Die Klägerin müsste diese Ansprüche nach Zurückverweisung vor dem Oberlandesgericht zwar erst noch nachweisen; zumindest aber die Verjährung steht ihr dabei nicht mehr im Wege.
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