Im Gespräch mit Karl-Walter Schuster und Sven Herbert
tab: Die von führenden Branchenverbänden 2015 gegründete Gesellschaft „planen-bauen 4.0“ wurde 2019 zum nationalen BIM-Kompetenzzentrum. Damit beschäftigt sie sich federführend mit der Einführung der Planungsmethode „Building Information Modeling (BIM)“ in Deutschland. Wie sieht die aktuelle Aufgabenstellung aus?
Karl-Walter Schuster: Die Gesellschaft „planen-bauen 4.0“ wurde von 14 Verbänden und Kammern gegründet. Sie umfasst heute insgesamt 25 Verbände und 33 Firmen der Wertschöpfungskette „Planen, Bauen und Betreiben“. Es ist das Ziel der Gesellschaft, die beschleunigte Einführung von BIM und digitalen Geschäftsprozessen in der Wertschöpfungskette „Bau“ zu koordinieren und zu unterstützen. Ein wichtiger Meilenstein war im Juni 2019 der Vertrag zur Planung und zum Betrieb des Nationalen BIM-Kompetenzzentrums mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Hauptaufgaben dieses Kompetenzzentrums sind die Koordination der nationalen BIM-Aktivitäten, das Erarbeiten von Anforderungen, Leitlinien und Richtwerten, die Unterstützung des Bundes bei der Implementierung von BIM und – besonders wichtig – die Bereitstellung und das Betreiben eines BIM-Portals. Damit sollen einheitliche BIM-Daten als Open Data für alle BIM-Anwender zentral verfügbar gemacht werden, u.a. interaktive webbasierte Werkzeuge, Datenbibliotheken und herstellerneutrale Produktinformationen.
tab: Im Infrastrukturbau ist die Einführung von BIM schon recht weit gediehen und ab 2020 für Bauten der öffentlichen Hand verpflichtend. Wie sieht es im Bereich der TGA aus, die deutlich komplexer ist?
Karl-Walter Schuster: Es ist richtig, dass die Komplexität der TGA-Branche eine erhebliche Herausforderung darstellt – das gilt aber noch mehr für die Fragmentierung, also die kleinteilige Struktur, der Branche. Generell steht die Baubranche bei BIM noch am Anfang. Vor allem bei mittleren und kleineren Projekten fehlen in vielen Fällen noch Voraussetzungen an Wissen, an Soft- und an Hardware. Bei den großen Projekten ist die Baubranche schon ein ganzes Stück weiter, hier existiert bereits eine Anzahl von Projekten. Wobei auch hier in den Bereichen „Kompatibilität“ und „Durchgängigkeit“ noch deutliches Verbesserungspotential besteht.
Sven Herbert: Die Nutzung der sogenannten BIM-Methode schreitet deutlich voran. Der Anteil der BIM-Projekte ist zwar noch sehr gering, aber die Steigerungsraten sind enorm. Das Verständnis von BIM ist auch noch sehr unterschiedlich ausgeprägt, oft wird noch die objektbasierte 3D-Konstruktion als BIM-Arbeit verstanden.
tab: Welche Entwicklungen stehen konkret für die Lüftungs- und Klimabranche an?
Sven Herbert: Für die Lüftungs- und Klimabranche – wie für die gesamte TGA – gilt, dass zunächst einmal die Industrie die Daten für die Nutzer „Ingenieurbüro“ und „ausführendes Unternehmen“ bereitstellen muss. Danach ist die Zusammenarbeit zwischen Ingenieurbüro und ausführendem Unternehmen zu klären, da in der Regel das ausführende Unternehmen das TGA-Fachmodell nicht ohne aufwendige Nacharbeiten weiterbearbeiten kann. Das würde die Kosten und den Aufwand enorm erhöhen und ist deshalb in jedem Projekt zu klären.
tab: Eine Schwierigkeit zeigt sich darin, Produktdaten stets auf dem aktuellen Stand zu halten. Braucht die Branche hierzu eine neutrale Onlineplattform?
Sven Herbert: Zunächst einmal ist es notwendig zu definieren, welche Daten von den Beteiligten überhaupt benötigt werden. Dazu muss ein Standard definiert werden. Da vorhandene Normen unterschiedliche Merkmale auch unterschiedlich bezeichnen, muss eine Harmonisierung durchgeführt werden, die es allen Prozessbeteiligten ermöglicht, diese Daten in ihr Modell einzubinden.
Meiner Meinung nach sollte es eine Plattform geben, die diese Anforderungen definiert. Außerdem einen Webservice, der es ermöglicht, die Daten von den Herstellern direkt abzurufen. Eine weitere Plattform, auf der die Daten gepflegt werden, ist meiner Ansicht nach nur Zeitverschwendung, da die Daten in den Produktinformationssystemen der Hersteller vorliegen. Hier geht es um Daten und nicht um graphische Elemente.
Karl-Walter Schuster: Ein anderes Thema ist der Umgang mit den Datenmengen. In jeder Phase der Wertschöpfung werden unterschiedliche Daten benötigt. Es braucht eine Struktur, die Platz für alle Informationen bietet, es aber erlaubt, dass in jeder Phase eben nur die für die jeweilige Bearbeitung relevanten Daten ausgelesen werden können. Und das so weit wie möglich herstellerneutral.
tab: Wie bringen sich die Verbände BTGA und FGK konkret in die BIM-Aktivitäten ein?
Sven Herbert: Wir haben eine Initiative der deutschen TGA-Verbände gestartet, die das dringende Problem des gemeinsamen Datenstandards kurzfristig angehen soll. Hierbei geht es vor allem um die Informationen zu den Objekten, nicht um die graphischen Bestandteile. Es sollen die Merkmale zu den einzelnen TGA-Bauteilen mit den vorhandenen Daten aus Normen und Standards beschrieben und – falls notwendig – um weitere ergänzt werden. Dazu wird sicherlich schon bald mehr zu berichten sein.
Karl-Walter Schuster: Es geht ja nicht nur um die TGA: Im gesamten Baubereich laufen die BIM-Aktivitäten auf Hochtouren. Viele dieser einzelnen Initiativen laufen bisher nebeneinander und ohne Koordination. Eine der wesentlichen Aufgaben von „planen-bauen 4.0“ wird die Koordination der BIM-Aktivitäten aller am Bau beteiligten Branchen sein.
tab: Vielen Dank für das Interview.